Lufft würcklich diejenige sey, die aus der schwammichten Materie der Rinde heraus gehet; so darf man nur die Wurtzel in von Lufft gereinigtes Wasser legen und unter die Lufft-Pumpe bringen (§. 7. T. III. Exper.), so wird man erfahren, daß die Lufft nirgends anders als daher kommet und sich an stat derselben viel Wasser hinein zie- het.
Wie die Blätter Regen u. Thau in sich zie- hen.
§. 398.
Auf eben eine solche Weise gehet es zu, daß der Thau und Regen sich in die Blätter ziehet. Daß er sich hinein ziehet, ist eine Sache, die auch aus der gemeinen Erfahrung bekandt. Denn wenn man welcke Pflantzen oder Blätter von Bäumen entweder mit Wasser besprenget, oder auch wohl gar hinein leget; so werden sie wieder frisch. Daß aber innerhalb der schwam- michten Materie der Blätter viel Lufft, als wie in der schwammichten Materie der Rin- de und diese mit dem Wasser ihre Stelle vertauschet, zeigen die Versuche, welche ich schon anders wo beschrieben (§. 71. T. III. Exper.). Zwar ist aus demselben Versuche klar, daß die Lufft häuffiger von der verkehr- ten Seite aus den Blättern gehet, als von der rechten, worauff gleichwohl der Regen und Thau fället: allein es zeigen auch eben diese Versuche, daß die Blätter oben wei- tere Gänge haben, wo das Wasser viel auf einmahl hinein kommen kan. Unten hin-
gegen
Cap. XI. Von dem Wachsthum
Lufft wuͤrcklich diejenige ſey, die aus der ſchwammichten Materie der Rinde heraus gehet; ſo darf man nur die Wurtzel in von Lufft gereinigtes Waſſer legen und unter die Lufft-Pumpe bringen (§. 7. T. III. Exper.), ſo wird man erfahren, daß die Lufft nirgends anders als daher kommet und ſich an ſtat derſelben viel Waſſer hinein zie- het.
Wie die Blaͤtter Regen u. Thau in ſich zie- hen.
§. 398.
Auf eben eine ſolche Weiſe gehet es zu, daß der Thau und Regen ſich in die Blaͤtter ziehet. Daß er ſich hinein ziehet, iſt eine Sache, die auch aus der gemeinen Erfahrung bekandt. Denn wenn man welcke Pflantzen oder Blaͤtter von Baͤumen entweder mit Waſſer beſprenget, oder auch wohl gar hinein leget; ſo werden ſie wieder friſch. Daß aber innerhalb der ſchwam- michten Materie der Blaͤtter viel Lufft, als wie in der ſchwammichten Materie der Rin- de und dieſe mit dem Waſſer ihre Stelle vertauſchet, zeigen die Verſuche, welche ich ſchon anders wo beſchrieben (§. 71. T. III. Exper.). Zwar iſt aus demſelben Verſuche klar, daß die Lufft haͤuffiger von der verkehr- ten Seite aus den Blaͤttern gehet, als von der rechten, worauff gleichwohl der Regen und Thau faͤllet: allein es zeigen auch eben dieſe Verſuche, daß die Blaͤtter oben wei- tere Gaͤnge haben, wo das Waſſer viel auf einmahl hinein kommen kan. Unten hin-
gegen
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Cap. XI. Von dem Wachsthum
Lufft wuͤrcklich diejenige ſey, die aus der
ſchwammichten Materie der Rinde heraus
gehet; ſo darf man nur die Wurtzel in von
Lufft gereinigtes Waſſer legen und unter
die Lufft-Pumpe bringen (§. 7. T. III.
Exper.), ſo wird man erfahren, daß die
Lufft nirgends anders als daher kommet und
ſich an ſtat derſelben viel Waſſer hinein zie-
het.
§. 398. Auf eben eine ſolche Weiſe gehet
es zu, daß der Thau und Regen ſich in die
Blaͤtter ziehet. Daß er ſich hinein ziehet,
iſt eine Sache, die auch aus der gemeinen
Erfahrung bekandt. Denn wenn man
welcke Pflantzen oder Blaͤtter von Baͤumen
entweder mit Waſſer beſprenget, oder auch
wohl gar hinein leget; ſo werden ſie wieder
friſch. Daß aber innerhalb der ſchwam-
michten Materie der Blaͤtter viel Lufft, als
wie in der ſchwammichten Materie der Rin-
de und dieſe mit dem Waſſer ihre Stelle
vertauſchet, zeigen die Verſuche, welche ich
ſchon anders wo beſchrieben (§. 71. T. III.
Exper.). Zwar iſt aus demſelben Verſuche
klar, daß die Lufft haͤuffiger von der verkehr-
ten Seite aus den Blaͤttern gehet, als von
der rechten, worauff gleichwohl der Regen
und Thau faͤllet: allein es zeigen auch eben
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 628. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/664>, abgerufen am 22.11.2024.
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