Schall reflectiret, und so weit entfer- net ist, daß der reflectirte erst wieder zurücke kommet, wenn der andere schon aufhöret. Weil er aber auch starck gnung seyn muß, so ist nöthig, daß er durch wiederhohlte Re- flexion wie in einer Röhre (§. 19. T. III. Exper.) und einem Sprach-Rohre (§. 20. T. III. Exper.) verstärcket wird, wie z. E. geschiehet, wenn viel glatte Stämme der Bäume in einem Walde nahe bey ein- ander stehen, oder auch Felsen einen einge- bogenen Winckel und engen Gang machen. Je weiter das Echo weg ist, je mehr Syl- ben, ja Wörter saget es nach, denn je längsamer kommet der reflectirte Schall zurücke und jemehr ist noch davon übrig, wenn der andere schon gantz aufgehöret.
§. 430.
Das merckwürdigste unter al-Was die Stimme und Sprache ist. lem, was wir hören ist die Sprache. Jhre Materie ist der Athem, oder die Lufft, so aus der Lungen fähret. Der Athem gehet stil- le heraus und ist vor sich nicht lautbahr: wenn er demnach lautbahr werden soll, müs- sen die Lufft-Cörperlein, daraus er bestehet, in eine Erschütterung gesetzet werden (§. 428.). Und diesen lautbahren gemachten Athem nennet man die Stimme. Er wird aber durch den Kopff der Lufft- Röhre (laryngem) lautbahr gemacht: denn in dem die dazu verordneten Mäus- lein die Knorpel, daraus er bestehet, auf
und
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Cap. XIV. Von den Sinnen.
Schall reflectiret, und ſo weit entfer- net iſt, daß der reflectirte erſt wieder zuruͤcke kommet, wenn der andere ſchon aufhoͤret. Weil er aber auch ſtarck gnung ſeyn muß, ſo iſt noͤthig, daß er durch wiederhohlte Re- flexion wie in einer Roͤhre (§. 19. T. III. Exper.) und einem Sprach-Rohre (§. 20. T. III. Exper.) verſtaͤrcket wird, wie z. E. geſchiehet, wenn viel glatte Staͤmme der Baͤume in einem Walde nahe bey ein- ander ſtehen, oder auch Felſen einen einge- bogenen Winckel und engen Gang machen. Je weiter das Echo weg iſt, je mehr Syl- ben, ja Woͤrter ſaget es nach, denn je laͤngſamer kommet der reflectirte Schall zuruͤcke und jemehr iſt noch davon uͤbrig, wenn der andere ſchon gantz aufgehoͤret.
§. 430.
Das merckwuͤrdigſte unter al-Was die Stimme und Sprache iſt. lem, was wir hoͤren iſt die Sprache. Jhre Materie iſt der Athem, oder die Lufft, ſo aus der Lungen faͤhret. Der Athem gehet ſtil- le heraus und iſt vor ſich nicht lautbahr: wenn er demnach lautbahr werden ſoll, muͤſ- ſen die Lufft-Coͤrperlein, daraus er beſtehet, in eine Erſchuͤtterung geſetzet werden (§. 428.). Und dieſen lautbahren gemachten Athem nennet man die Stimme. Er wird aber durch den Kopff der Lufft- Roͤhre (laryngem) lautbahr gemacht: denn in dem die dazu verordneten Maͤus- lein die Knorpel, daraus er beſtehet, auf
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[293[693]/0729]
Cap. XIV. Von den Sinnen.
Schall reflectiret, und ſo weit entfer-
net iſt, daß der reflectirte erſt wieder zuruͤcke
kommet, wenn der andere ſchon aufhoͤret.
Weil er aber auch ſtarck gnung ſeyn muß,
ſo iſt noͤthig, daß er durch wiederhohlte Re-
flexion wie in einer Roͤhre (§. 19. T. III.
Exper.) und einem Sprach-Rohre (§. 20.
T. III. Exper.) verſtaͤrcket wird, wie z.
E. geſchiehet, wenn viel glatte Staͤmme
der Baͤume in einem Walde nahe bey ein-
ander ſtehen, oder auch Felſen einen einge-
bogenen Winckel und engen Gang machen.
Je weiter das Echo weg iſt, je mehr Syl-
ben, ja Woͤrter ſaget es nach, denn je
laͤngſamer kommet der reflectirte Schall
zuruͤcke und jemehr iſt noch davon uͤbrig,
wenn der andere ſchon gantz aufgehoͤret.
§. 430. Das merckwuͤrdigſte unter al-
lem, was wir hoͤren iſt die Sprache. Jhre
Materie iſt der Athem, oder die Lufft, ſo aus
der Lungen faͤhret. Der Athem gehet ſtil-
le heraus und iſt vor ſich nicht lautbahr:
wenn er demnach lautbahr werden ſoll, muͤſ-
ſen die Lufft-Coͤrperlein, daraus er beſtehet,
in eine Erſchuͤtterung geſetzet werden (§.
428.). Und dieſen lautbahren gemachten
Athem nennet man die Stimme. Er
wird aber durch den Kopff der Lufft-
Roͤhre (laryngem) lautbahr gemacht:
denn in dem die dazu verordneten Maͤus-
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Was die
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und
Sprache
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 293[693]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/729>, abgerufen am 22.11.2024.
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