gungen zu beurtheilen pfleget. Und daher urtheilet auch eine Mutter, daß die Frucht in ihrem Leibe lebe, so bald sie verspüret, daß sie sich beweget: welches bey den Men- schen im Anfange des sechsten Monathes zu geschehen pfleget.
Wie Men- schen und Thiere gebohren werden.
§. 452.
Wenn die Frucht vollkommen ist (welches bey den Menschen nach Ver- lauff 9. Monathe von dem Tage der Em- pfängnis ordentlicher Weise zu geschehen pfleget) wird sie endlich zur Welt gebohren. Die Ursache der Geburt ist wohl keine ande- re, als weil sich das Kind durch seine eigene Last und erlangte Stärcke der Gliedmassen wendet, indem es nicht mehr in seiner krum- men positur, die es Anfangs hat, beqvem liegen kan. Weil es nun mit seinem schwee- ren Kopffe gegen den Mutter-Mund zu- druckt, so wird dadurch ein Schmertz in den Lenden erreget; welchen man Wehen zu nennen pfleget. Es ziehet sich aber auch die Gebährmutter alsdenn zusammen u. hielfft die Frucht durchdrucken; welchen Druck zugleich die Mutter durch starcke Anzie- hung des Athems befördert, weil dadurch das Zwerg-Fell mit den Gedärmen nieder- gestossen wird. Durch die Bewegung des Kindes platzen die Häute, darinnen es lie- get und springet der klebrige Safft oder das
Was-
Cap. XVI. Von der Erzeugung
gungen zu beurtheilen pfleget. Und daher urtheilet auch eine Mutter, daß die Frucht in ihrem Leibe lebe, ſo bald ſie verſpuͤret, daß ſie ſich beweget: welches bey den Men- ſchen im Anfange des ſechſten Monathes zu geſchehen pfleget.
Wie Men- ſchen und Thiere gebohren werden.
§. 452.
Wenn die Frucht vollkommen iſt (welches bey den Menſchen nach Ver- lauff 9. Monathe von dem Tage der Em- pfaͤngnis ordentlicher Weiſe zu geſchehen pfleget) wird ſie endlich zur Welt gebohren. Die Urſache der Geburt iſt wohl keine ande- re, als weil ſich das Kind durch ſeine eigene Laſt und erlangte Staͤrcke der Gliedmaſſen wendet, indem es nicht mehr in ſeiner krum- men poſitur, die es Anfangs hat, beqvem liegen kan. Weil es nun mit ſeinem ſchwee- ren Kopffe gegen den Mutter-Mund zu- druckt, ſo wird dadurch ein Schmertz in den Lenden erreget; welchen man Wehen zu nennen pfleget. Es ziehet ſich aber auch die Gebaͤhrmutter alsdenn zuſammen u. hielfft die Frucht durchdrucken; welchen Druck zugleich die Mutter durch ſtarcke Anzie- hung des Athems befoͤrdert, weil dadurch das Zwerg-Fell mit den Gedaͤrmen nieder- geſtoſſen wird. Durch die Bewegung des Kindes platzen die Haͤute, darinnen es lie- get und ſpringet der klebrige Safft oder das
Waſ-
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Cap. XVI. Von der Erzeugung
gungen zu beurtheilen pfleget. Und daher
urtheilet auch eine Mutter, daß die Frucht
in ihrem Leibe lebe, ſo bald ſie verſpuͤret,
daß ſie ſich beweget: welches bey den Men-
ſchen im Anfange des ſechſten Monathes
zu geſchehen pfleget.
§. 452. Wenn die Frucht vollkommen
iſt (welches bey den Menſchen nach Ver-
lauff 9. Monathe von dem Tage der Em-
pfaͤngnis ordentlicher Weiſe zu geſchehen
pfleget) wird ſie endlich zur Welt gebohren.
Die Urſache der Geburt iſt wohl keine ande-
re, als weil ſich das Kind durch ſeine eigene
Laſt und erlangte Staͤrcke der Gliedmaſſen
wendet, indem es nicht mehr in ſeiner krum-
men poſitur, die es Anfangs hat, beqvem
liegen kan. Weil es nun mit ſeinem ſchwee-
ren Kopffe gegen den Mutter-Mund zu-
druckt, ſo wird dadurch ein Schmertz in den
Lenden erreget; welchen man Wehen zu
nennen pfleget. Es ziehet ſich aber auch die
Gebaͤhrmutter alsdenn zuſammen u. hielfft
die Frucht durchdrucken; welchen Druck
zugleich die Mutter durch ſtarcke Anzie-
hung des Athems befoͤrdert, weil dadurch
das Zwerg-Fell mit den Gedaͤrmen nieder-
geſtoſſen wird. Durch die Bewegung des
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Wolff, Christian von: Vernünfftige Gedancken Von den Würckungen der Natur. Halle (Saale), 1723, S. 730. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_naturwuerckungen_1723/766>, abgerufen am 02.06.2024.
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