Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_091.001 Wie sich jedoch diese ersten auf nationale Sage zurückgehenden pwo_091.004 pwo_091.009 § 52. pwo_091.010 pwo_091.011Entartung des nationalen Erzählungsstils. Auf indischem Boden spiegelt die Stildifferenz zwischen älteren pwo_091.012 Weit entfernt von einer Erstarrung zu doktrinärem Regelwerk, pwo_091.026 Jn viel höherem Maße und auf weit längere Zeit als unser pwo_091.032 pwo_091.001 Wie sich jedoch diese ersten auf nationale Sage zurückgehenden pwo_091.004 pwo_091.009 § 52. pwo_091.010 pwo_091.011Entartung des nationalen Erzählungsstils. Auf indischem Boden spiegelt die Stildifferenz zwischen älteren pwo_091.012 Weit entfernt von einer Erstarrung zu doktrinärem Regelwerk, pwo_091.026 Jn viel höherem Maße und auf weit längere Zeit als unser pwo_091.032 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0105" n="91"/><lb n="pwo_091.001"/> der <hi rendition="#g">Schriftcharakter,</hi> ihr ausgedehnter <hi rendition="#g">Umfang</hi> sowie mehr oder <lb n="pwo_091.002"/> minder die eingreifende <hi rendition="#g">Jndividualität</hi> des Dichters aufgedrückt.</p> <lb n="pwo_091.003"/> <p> Wie sich jedoch diese ersten auf nationale Sage zurückgehenden <lb n="pwo_091.004"/> Schriftwerke von den alten Volksgesängen sondern, so heben sie sich <lb n="pwo_091.005"/> nicht minder klar von den zahlreichen teils gleichzeitigen, teils späteren <lb n="pwo_091.006"/> Erzählungen ab, die auf nichtsagenhafte, wohl gar fremde Quellen <lb n="pwo_091.007"/> zurückgehen – oder selbst die nationalen Sagen in gefühlvolle Subjektivität <lb n="pwo_091.008"/> auflösen. Denn unaufhaltsam schreitet die Entwicklung fort.</p> </div> <div n="3"> <lb n="pwo_091.009"/> <head> <hi rendition="#c">§ 52. <lb n="pwo_091.010"/> Entartung des nationalen Erzählungsstils.</hi> </head> <lb n="pwo_091.011"/> <p> Auf <hi rendition="#g">indischem</hi> Boden spiegelt die Stildifferenz zwischen älteren <lb n="pwo_091.012"/> und jüngeren Teilen des Mahabharata bereits den Zug der Entwicklung: <lb n="pwo_091.013"/> <hi rendition="#g">vom Konkreten und Starren zum Gefühlvollen, <lb n="pwo_091.014"/> Weichen.</hi> Das Ramajana veräußerlicht den Zug zum Abenteuer <lb n="pwo_091.015"/> und zu möglichst wunderbaren, bunten Kämpfen, läßt vor allem die <lb n="pwo_091.016"/> milden Tugenden, Liebe, Buße und Entsagung den kriegerischen Geist <lb n="pwo_091.017"/> der Heldensage durchbrechen. Später noch, in den Epen eines Kalidasa, <lb n="pwo_091.018"/> treffen alle Kennzeichen eines künstlicheren Geschmacks zusammen. <lb n="pwo_091.019"/> Die volle Versandung in <hi rendition="#g">Didaktik</hi> wird durch den Versuch des <lb n="pwo_091.020"/> Battikavja belegt, die Grammatik poetisch zu erläutern. Der Gipfel <lb n="pwo_091.021"/> der Verkünstelung wird erstiegen, wenn Kaviraja es gar unternimmt, <lb n="pwo_091.022"/> durch Zusammenhäufung doppelsinniger Wendungen mit denselben Worten <lb n="pwo_091.023"/> zugleich die Fabel des Mahabharata und des Ramajana zu <lb n="pwo_091.024"/> erzählen.</p> <lb n="pwo_091.025"/> <p> Weit entfernt von einer Erstarrung zu doktrinärem Regelwerk, <lb n="pwo_091.026"/> tritt uns – trotz aller Variationen, denen lebendige Organismen wie <lb n="pwo_091.027"/> die Geisteserzeugnisse verschiedener Kulturvölker naturgemäß ausgesetzt <lb n="pwo_091.028"/> sind – mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit in Griechenland derselbe <lb n="pwo_091.029"/> Grundzug der Entwicklung vom Konkreten zum Abstrakten entgegen, <lb n="pwo_091.030"/> und wir vermögen ihn psychologisch sehr wohl zu begründen.</p> <lb n="pwo_091.031"/> <p> Jn viel höherem Maße und auf weit längere Zeit als unser <lb n="pwo_091.032"/> Nibelungenlied beherrschten die Homerischen Gedichte die litterarische <lb n="pwo_091.033"/> Tradition. Zunächst richtet sich ausdrücklich das litterarische Mühen <lb n="pwo_091.034"/> auf Fortbildung der Homerischen Poesie. Die Kykliker können sich </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [91/0105]
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der Schriftcharakter, ihr ausgedehnter Umfang sowie mehr oder pwo_091.002
minder die eingreifende Jndividualität des Dichters aufgedrückt.
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Wie sich jedoch diese ersten auf nationale Sage zurückgehenden pwo_091.004
Schriftwerke von den alten Volksgesängen sondern, so heben sie sich pwo_091.005
nicht minder klar von den zahlreichen teils gleichzeitigen, teils späteren pwo_091.006
Erzählungen ab, die auf nichtsagenhafte, wohl gar fremde Quellen pwo_091.007
zurückgehen – oder selbst die nationalen Sagen in gefühlvolle Subjektivität pwo_091.008
auflösen. Denn unaufhaltsam schreitet die Entwicklung fort.
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§ 52. pwo_091.010
Entartung des nationalen Erzählungsstils. pwo_091.011
Auf indischem Boden spiegelt die Stildifferenz zwischen älteren pwo_091.012
und jüngeren Teilen des Mahabharata bereits den Zug der Entwicklung: pwo_091.013
vom Konkreten und Starren zum Gefühlvollen, pwo_091.014
Weichen. Das Ramajana veräußerlicht den Zug zum Abenteuer pwo_091.015
und zu möglichst wunderbaren, bunten Kämpfen, läßt vor allem die pwo_091.016
milden Tugenden, Liebe, Buße und Entsagung den kriegerischen Geist pwo_091.017
der Heldensage durchbrechen. Später noch, in den Epen eines Kalidasa, pwo_091.018
treffen alle Kennzeichen eines künstlicheren Geschmacks zusammen. pwo_091.019
Die volle Versandung in Didaktik wird durch den Versuch des pwo_091.020
Battikavja belegt, die Grammatik poetisch zu erläutern. Der Gipfel pwo_091.021
der Verkünstelung wird erstiegen, wenn Kaviraja es gar unternimmt, pwo_091.022
durch Zusammenhäufung doppelsinniger Wendungen mit denselben Worten pwo_091.023
zugleich die Fabel des Mahabharata und des Ramajana zu pwo_091.024
erzählen.
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Weit entfernt von einer Erstarrung zu doktrinärem Regelwerk, pwo_091.026
tritt uns – trotz aller Variationen, denen lebendige Organismen wie pwo_091.027
die Geisteserzeugnisse verschiedener Kulturvölker naturgemäß ausgesetzt pwo_091.028
sind – mit einer gewissen Gesetzmäßigkeit in Griechenland derselbe pwo_091.029
Grundzug der Entwicklung vom Konkreten zum Abstrakten entgegen, pwo_091.030
und wir vermögen ihn psychologisch sehr wohl zu begründen.
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Jn viel höherem Maße und auf weit längere Zeit als unser pwo_091.032
Nibelungenlied beherrschten die Homerischen Gedichte die litterarische pwo_091.033
Tradition. Zunächst richtet sich ausdrücklich das litterarische Mühen pwo_091.034
auf Fortbildung der Homerischen Poesie. Die Kykliker können sich
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