Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_126.001 Thut die Thore auf, daß herein gehe das gerechte Volk, pwo_126.002 Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man pwo_126.004 Darum verlasset euch auf den Herrn ewiglich; denn Gott, pwo_126.006 Und er beuget die, so in der Höhe wohnen ..." &c. pwo_126.008Zwischen solchen vorherrschenden Tönen fehlt es nicht an erzählenden pwo_126.009 "Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen pwo_126.011 Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere pwo_126.013 Aus solchen konkreten Anfängen mündet das Lied in die Verheißung: pwo_126.015 "Darum daß seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust pwo_126.016 Die Zunahme moralisch-didaktischer Tendenzen wird bereits seit pwo_126.018 Aus der neueren orientalischen Poesie hat namentlich die persische pwo_126.024 "Wenn jene Schöne von Schiras mein Herz festhielt in ihrer Hand, pwo_126.030
Fürs Wangenfleckchen gäb' ich gern Bukhara hin und Samarkand. pwo_126.031 Komm, Schenke, tränke mich mit Wein, du findest nicht im Paradies pwo_126.032 Den Wasserspiegel Ruknabads noch auch Mussellas Rosenstand. pwo_126.033 Ein Jammer, daß dies Völkchen hier verliebt, gefährlich aller Welt, pwo_126.034 Die Ruhe aus dem Herzen stiehlt, wie Türken Beute aus dem Land. pwo_126.035 Des Liebchens Schönheit misset leicht der Liebe Unvollkommenheit, pwo_126.036 Es braucht das liebliche Gesicht nicht Schminke, Farb' und solchen Tand. pwo_126.001 Thut die Thore auf, daß herein gehe das gerechte Volk, pwo_126.002 Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man pwo_126.004 Darum verlasset euch auf den Herrn ewiglich; denn Gott, pwo_126.006 Und er beuget die, so in der Höhe wohnen ...“ &c. pwo_126.008Zwischen solchen vorherrschenden Tönen fehlt es nicht an erzählenden pwo_126.009 „Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen pwo_126.011 Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere pwo_126.013 Aus solchen konkreten Anfängen mündet das Lied in die Verheißung: pwo_126.015 „Darum daß seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust pwo_126.016 Die Zunahme moralisch-didaktischer Tendenzen wird bereits seit pwo_126.018 Aus der neueren orientalischen Poesie hat namentlich die persische pwo_126.024 „Wenn jene Schöne von Schiras mein Herz festhielt in ihrer Hand, pwo_126.030
Fürs Wangenfleckchen gäb' ich gern Bukhara hin und Samarkand. pwo_126.031 Komm, Schenke, tränke mich mit Wein, du findest nicht im Paradies pwo_126.032 Den Wasserspiegel Ruknabads noch auch Mussellas Rosenstand. pwo_126.033 Ein Jammer, daß dies Völkchen hier verliebt, gefährlich aller Welt, pwo_126.034 Die Ruhe aus dem Herzen stiehlt, wie Türken Beute aus dem Land. pwo_126.035 Des Liebchens Schönheit misset leicht der Liebe Unvollkommenheit, pwo_126.036 Es braucht das liebliche Gesicht nicht Schminke, Farb' und solchen Tand. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0140" n="126"/> <lb n="pwo_126.001"/> <p> <hi rendition="#et"> Thut die Thore auf, daß herein gehe das gerechte Volk, <lb n="pwo_126.002"/> das den Glauben bewahret.</hi> </p> <lb n="pwo_126.003"/> <p> <hi rendition="#et"> Du erhältst stets Frieden nach gewisser Zusage; denn man <lb n="pwo_126.004"/> verlässet sich auf dich.</hi> </p> <lb n="pwo_126.005"/> <p> <hi rendition="#et"> Darum verlasset euch auf den Herrn ewiglich; denn Gott, <lb n="pwo_126.006"/> der Herr, ist ein Fels ewiglich.</hi> </p> <lb n="pwo_126.007"/> <p> <hi rendition="#et"> Und er beuget die, so in der Höhe wohnen ...“ &c.</hi> </p> <lb n="pwo_126.008"/> <p>Zwischen solchen vorherrschenden Tönen fehlt es nicht an erzählenden <lb n="pwo_126.009"/> Einlagen, die aber auf zukünftige Geschehnisse zugespitzt sind.</p> <lb n="pwo_126.010"/> <p> <hi rendition="#et"> „Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen <lb n="pwo_126.011"/> und Krankheit ...</hi> </p> <lb n="pwo_126.012"/> <p> <hi rendition="#et"> Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere <lb n="pwo_126.013"/> Schmerzen ...</hi> </p> <lb n="pwo_126.014"/> <p>Aus solchen konkreten Anfängen mündet das Lied in die Verheißung:</p> <lb n="pwo_126.015"/> <p> <hi rendition="#et"> „Darum daß seine Seele gearbeitet hat, wird er seine Lust <lb n="pwo_126.016"/> sehen, und die Fülle haben“ &c.</hi> </p> <lb n="pwo_126.017"/> <p>Die Zunahme <hi rendition="#g">moralisch-didaktischer</hi> Tendenzen wird bereits seit <lb n="pwo_126.018"/> Salomos Tagen ersichtlich. Nicht nur die ihm zugeschobenen Sprüche <lb n="pwo_126.019"/> und der sogenannte „Prediger Salomo“ legen davon direkt Zeugnis <lb n="pwo_126.020"/> ab, sondern auch in der Lyrik die Zornreden der Propheten und vor <lb n="pwo_126.021"/> allem das Buch Hiob. Wie aber die Fähigkeit für echte Lyrik noch <lb n="pwo_126.022"/> nicht geschwunden, beweisen die Klaglieder Jeremias. –</p> <lb n="pwo_126.023"/> <p> Aus der neueren orientalischen Poesie hat namentlich die <hi rendition="#g">persische</hi> <lb n="pwo_126.024"/> Lyrik, mehr noch als die vorangehende Epik, Epoche gemacht <lb n="pwo_126.025"/> und zeitlich wie räumlich weithin gewirkt. Hafis vor allem ist auch <lb n="pwo_126.026"/> uns Deutschen zum Mittler östlicher Empfindungswelt geworden. <lb n="pwo_126.027"/> Ueppig, doch immer ästhetisch schwärmender Genuß von Liebe und <lb n="pwo_126.028"/> Wein vereint sich mit Lebensklugheit.</p> <lb n="pwo_126.029"/> <lg> <l>„Wenn jene Schöne von Schiras mein Herz festhielt in ihrer Hand,</l> <lb n="pwo_126.030"/> <l>Fürs Wangenfleckchen gäb' ich gern Bukhara hin und Samarkand.</l> <lb n="pwo_126.031"/> <l>Komm, Schenke, tränke mich mit Wein, du findest nicht im Paradies</l> <lb n="pwo_126.032"/> <l>Den Wasserspiegel Ruknabads noch auch Mussellas Rosenstand.</l> <lb n="pwo_126.033"/> <l>Ein Jammer, daß dies Völkchen hier verliebt, gefährlich aller Welt,</l> <lb n="pwo_126.034"/> <l>Die Ruhe aus dem Herzen stiehlt, wie Türken Beute aus dem Land.</l> <lb n="pwo_126.035"/> <l>Des Liebchens Schönheit misset leicht der Liebe Unvollkommenheit,</l> <lb n="pwo_126.036"/> <l>Es braucht das liebliche Gesicht nicht Schminke, Farb' und solchen Tand.</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [126/0140]
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Thut die Thore auf, daß herein gehe das gerechte Volk, pwo_126.002
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Darum verlasset euch auf den Herrn ewiglich; denn Gott, pwo_126.006
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Und er beuget die, so in der Höhe wohnen ...“ &c.
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Zwischen solchen vorherrschenden Tönen fehlt es nicht an erzählenden pwo_126.009
Einlagen, die aber auf zukünftige Geschehnisse zugespitzt sind.
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„Er war der allerverachtetste und unwerteste, voller Schmerzen pwo_126.011
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Fürwahr, er trug unsere Krankheit, und lud auf sich unsere pwo_126.013
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Aus solchen konkreten Anfängen mündet das Lied in die Verheißung:
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Die Zunahme moralisch-didaktischer Tendenzen wird bereits seit pwo_126.018
Salomos Tagen ersichtlich. Nicht nur die ihm zugeschobenen Sprüche pwo_126.019
und der sogenannte „Prediger Salomo“ legen davon direkt Zeugnis pwo_126.020
ab, sondern auch in der Lyrik die Zornreden der Propheten und vor pwo_126.021
allem das Buch Hiob. Wie aber die Fähigkeit für echte Lyrik noch pwo_126.022
nicht geschwunden, beweisen die Klaglieder Jeremias. –
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Aus der neueren orientalischen Poesie hat namentlich die persische pwo_126.024
Lyrik, mehr noch als die vorangehende Epik, Epoche gemacht pwo_126.025
und zeitlich wie räumlich weithin gewirkt. Hafis vor allem ist auch pwo_126.026
uns Deutschen zum Mittler östlicher Empfindungswelt geworden. pwo_126.027
Ueppig, doch immer ästhetisch schwärmender Genuß von Liebe und pwo_126.028
Wein vereint sich mit Lebensklugheit.
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„Wenn jene Schöne von Schiras mein Herz festhielt in ihrer Hand, pwo_126.030
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Des Liebchens Schönheit misset leicht der Liebe Unvollkommenheit, pwo_126.036
Es braucht das liebliche Gesicht nicht Schminke, Farb' und solchen Tand.
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