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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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spielerischer Kunstfertigkeit gehen die Lieder hervor; die Motive erschöpfen pwo_135.002
und wiederholen sich. - Die zweite, jüngere Sammlung pwo_135.003
anakreontischer Epigonen verfällt noch auf weiteren Strecken stofflich pwo_135.004
ins Leere, formell ins Verkünstelte; Rhetorik tritt vorherrschend an pwo_135.005
die Stelle von Gestaltung, obschon vereinzelt noch immer die Entfaltung pwo_135.006
einer anmutigen Scene gelingt.

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Der Zug zum Ethischen und Rhetorischen prägt sich vor pwo_135.008
allem der chorischen Lyrik auf, der noch eine späte Blüte beschieden pwo_135.009
ist. Pindar bewahrt in der alten Mythenwelt seinen Dichtungen zwar pwo_135.010
einen meist ausgedehnten erzählenden Gehalt, aber von subjektivem pwo_135.011
Gefühl durchdrungen und erweicht, auf allgemeine Gedanken, Reflexion, pwo_135.012
didaktische Antriebe zugespitzt. Freilich erstarrt er nicht in trockener pwo_135.013
Gnomik; in üppiger Pracht rauschen die Strophen dahin:

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"Bei der Fest' anringenden Kämpfen erwirbt pwo_135.015
Sich den ersehnten Ruhm, wen vieler Kränze Gewind pwo_135.016
Ob des Siegs durch Hände die Locken geschmückt hat, pwo_135.017
Oder um Schnelle des Laufs. pwo_135.018
Kundig wird durch Götter die Stärke der Männer. pwo_135.019
Doch nur allein zween Güter weiden pwo_135.020
Unsres Lebens süßesten Glanz bei dem schönentblühten Segen, pwo_135.021
Wenn im Glück jemand das erhebende Wort hört. pwo_135.022
Strebe dann nicht Zeus zu sein, weil alles dein, pwo_135.023
Wenn zu dir dies Los des Erfreulichen kam. pwo_135.024
Menschen ziemt menschliches Teil."
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Es kann nicht Wunder nehmen, daß dieser ethisch feierliche Stil unter pwo_135.026
den Händen unfähiger Nachahmer in überladenen Schwulst und in pwo_135.027
Dunkelheit verfällt.

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Griechen haben wir in der rhetorischen Lyrik der Römer zu sehen. - pwo_135.030
Auf griechischem Boden reißt der im Dionysoskult erwachsene, mit pwo_135.031
der chorischen Lyrik verwandte, im Kern stark episch gefärbte Dithyrambos pwo_135.032
die Herrschaft an sich, dessen lyrische Partieen in bacchantische pwo_135.033
Ueberschwänglichkeit entarteten, ebenso wie das Uebergreifen der musikalischen pwo_135.034
Begleitung eine Auflösung der alten dichterischen Form begünstigt. pwo_135.035
Jndem er aber dem Chor den Einzelmenschen scenisch und pwo_135.036
mimisch gegenüberstellte, ward der Dithyrambos zum Vater des pwo_135.037
Dramas. -

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Griechen haben wir in der rhetorischen Lyrik der Römer zu sehen. – pwo_135.030
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 135. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/149>, abgerufen am 22.11.2024.