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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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Schauer des Todes besiegt und die christliche Jdee der Weltüberwindung pwo_215.002
zu reinster künstlerischen Ausgestaltung geführt.

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"Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet pwo_215.004
Jhr euch mit mir, daß meiner Leiden Ziel pwo_215.005
Nun endlich naht, daß meine Bande fallen, pwo_215.006
Mein Kerker aufgeht, und die frohe Seele sich pwo_215.007
Auf Engelsflügeln schwingt zur ew'gen Freiheit ... pwo_215.008
Wohlthätig, heilend nahet mir der Tod, pwo_215.009
Der ernste Freund! Mit seinen schwarzen Flügeln pwo_215.010
Bedeckt er meine Schmach - Den Menschen adelt, pwo_215.011
Den tiefstgesunkenen, das letzte Schicksal."
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Damit spricht die sterbende Maria Stuart für ihren Fall aus, was pwo_215.013
sich uns als Leitmotiv in der Entwicklung des reindeutschen Trauerspiels pwo_215.014
offenbarte. Das Schicksal fällt aus Gottes Hand, aber nicht pwo_215.015
blind verteilt er es, sondern heller sehend als die Sterblichen, nach pwo_215.016
höchster Gerechtigkeit und aus dem Geiste göttlicher Wahrheit. Nicht pwo_215.017
das physische Unterliegen bedeutet das letzte Entscheidungslos: das pwo_215.018
fällt vor dem Forum einer höheren Sittlichkeit. An sie verweist die pwo_215.019
tragische Muse über den Tod hinaus - wie es am unmittelbarsten pwo_215.020
die Jungfrau von Orleans ausspricht:

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"Der die Verwirrung sandte, wird sie lösen! pwo_215.022
Nur, wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht! pwo_215.023
Ein Tag wird kommen, der mich reiniget. pwo_215.024
Und die mich jetzt verworfen und verdammt, pwo_215.025
Sie werden ihres Wahnes inne werden, pwo_215.026
Und Thränen werden meinem Schicksal fließen ... pwo_215.027
Du siehst nur das Natürliche der Dinge, pwo_215.028
Denn deinen Blick umhüllt das ird'sche Band. pwo_215.029
Jch habe das Unsterbliche mit Augen pwo_215.030
Gesehen - Ohne Götter fällt kein Haar pwo_215.031
Vom Haupt des Menschen - Siehst du dort die Sonne pwo_215.032
Am Himmel niedergehen - So gewiß pwo_215.033
Sie morgen wiederkehrt in ihrer Klarheit, pwo_215.034
So unausbleiblich kommt der Tag der Wahrheit!"
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Jnfolge solcher konsequenten Durchführung der idealen Einheit zwischen pwo_215.036
Charakter und Schicksal bezeichnet den tragischen Stil Schillers ein pwo_215.037
weites Zurückweichen in der realen und individuellen Darstellung des pwo_215.038
Charakters. So ist es denn das Ziel aller weiteren dramatischen

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Schauer des Todes besiegt und die christliche Jdee der Weltüberwindung pwo_215.002
zu reinster künstlerischen Ausgestaltung geführt.

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„Was klagt ihr? Warum weint ihr? Freuen solltet pwo_215.004
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„Der die Verwirrung sandte, wird sie lösen! pwo_215.022
Nur, wenn sie reif ist, fällt des Schicksals Frucht! pwo_215.023
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Sie morgen wiederkehrt in ihrer Klarheit, pwo_215.034
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/229>, abgerufen am 25.11.2024.