Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_025.001 Nicht anders stellt sich die Entwicklung des Epos und ihr Verhältnis pwo_025.012 Auch in den orientalischen Poesien durchbricht das Einzelpersönliche pwo_025.028 Ja, womöglich noch klarer wie die Lyrik sich aus epischen Elementen pwo_025.033 pwo_025.001 Nicht anders stellt sich die Entwicklung des Epos und ihr Verhältnis pwo_025.012 Auch in den orientalischen Poesien durchbricht das Einzelpersönliche pwo_025.028 Ja, womöglich noch klarer wie die Lyrik sich aus epischen Elementen pwo_025.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0039" n="25"/><lb n="pwo_025.001"/> nun beachte man gar die unentrinnbare Ueberschwemmung und Durchtränkung <lb n="pwo_025.002"/> von subjektiven und reflexiven Elementen, der all diejenigen <lb n="pwo_025.003"/> Epen des sinkenden 12. und gar des 13. Jahrhunderts mehr und <lb n="pwo_025.004"/> mehr ausgesetzt waren, deren Quellen nicht – wie noch im Nibelungenliede <lb n="pwo_025.005"/> – teilweise auf älteren germanischen Stil zurückgehen. <lb n="pwo_025.006"/> Statt Erzählung der Thatsachen tritt allmählich Auflösung derselben in <lb n="pwo_025.007"/> Reflexion über die Thatsachen. Erst mit Beginn dieser Epoche aber, <lb n="pwo_025.008"/> im 12. Jahrhundert, läßt sich eine deutsche Lyrik als selbständige <lb n="pwo_025.009"/> Gattung durch fortlaufende Zeugnisse nachweisen, erst jetzt zum mindesten <lb n="pwo_025.010"/> sind ihre Keime zum Blühen reif.</p> <lb n="pwo_025.011"/> <p> Nicht anders stellt sich die Entwicklung des Epos und ihr Verhältnis <lb n="pwo_025.012"/> zur Lyrik in Griechenland. Abgebrochener, sprunghafter Stil, <lb n="pwo_025.013"/> der nur in rohen Umrissen derb skizziert, läßt sich für die ältesten <lb n="pwo_025.014"/> epischen Lieder erschließen. Homer zeigt in aller behäbigen Breite <lb n="pwo_025.015"/> der Epopöe großen Stils noch die plastische Objektivität reiner Epik; <lb n="pwo_025.016"/> fehlt es zwar durchaus nicht an reflexiven und selbst gnomischen Elementen, <lb n="pwo_025.017"/> so sind diese doch den handelnden Personen in den Mund <lb n="pwo_025.018"/> gelegt und entsprechen durchaus ihrem Charakter. Dagegen überwuchern <lb n="pwo_025.019"/> solche Betrachtungen als subjektive Aeußerungen der Dichter <lb n="pwo_025.020"/> in der späteren Epik, so entschieden sie im allgemeinen Anschluß an <lb n="pwo_025.021"/> den Stil des Homer sucht. Die kyklischen Epiker sprechen nur zu <lb n="pwo_025.022"/> häufig selbst, wo Homer seine Personen handelnd und redend sich <lb n="pwo_025.023"/> unmittelbar vorführen ließ. Jn einer Entwicklung, die von der klassischen <lb n="pwo_025.024"/> Philologie längst als streng organisch anerkannt ist, gelangt <lb n="pwo_025.025"/> nun erst die Lyrik zu selbständiger Blüte – nun eben bricht sich <lb n="pwo_025.026"/> erst die Subjektivität im Volksgemüte Bahn.</p> <lb n="pwo_025.027"/> <p> Auch in den orientalischen Poesien durchbricht das Einzelpersönliche <lb n="pwo_025.028"/> erst in einer späteren Epoche die ursprünglich starre Einförmigkeit <lb n="pwo_025.029"/> und Allgemeingültigkeit. Vom Drama gar ist auf den drei beobachteten <lb n="pwo_025.030"/> großen Domänen der Weltpoesie auch am Anfang dieser <lb n="pwo_025.031"/> vorherrschend lyrischen Periode noch nicht die Rede.</p> <lb n="pwo_025.032"/> <p> Ja, womöglich noch klarer wie die Lyrik sich aus epischen Elementen <lb n="pwo_025.033"/> herauswickelt, sehen wir das Drama bei den antiken wie <lb n="pwo_025.034"/> modernen Völkern ausdrücklich vor allem durch epische und in zweiter <lb n="pwo_025.035"/> Linie durch lyrische Voraussetzungen bedingt. Aus Gesängen beim <lb n="pwo_025.036"/> Dionysosfest hat sich das griechische Drama entwickelt: Man pries </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [25/0039]
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nun beachte man gar die unentrinnbare Ueberschwemmung und Durchtränkung pwo_025.002
von subjektiven und reflexiven Elementen, der all diejenigen pwo_025.003
Epen des sinkenden 12. und gar des 13. Jahrhunderts mehr und pwo_025.004
mehr ausgesetzt waren, deren Quellen nicht – wie noch im Nibelungenliede pwo_025.005
– teilweise auf älteren germanischen Stil zurückgehen. pwo_025.006
Statt Erzählung der Thatsachen tritt allmählich Auflösung derselben in pwo_025.007
Reflexion über die Thatsachen. Erst mit Beginn dieser Epoche aber, pwo_025.008
im 12. Jahrhundert, läßt sich eine deutsche Lyrik als selbständige pwo_025.009
Gattung durch fortlaufende Zeugnisse nachweisen, erst jetzt zum mindesten pwo_025.010
sind ihre Keime zum Blühen reif.
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Nicht anders stellt sich die Entwicklung des Epos und ihr Verhältnis pwo_025.012
zur Lyrik in Griechenland. Abgebrochener, sprunghafter Stil, pwo_025.013
der nur in rohen Umrissen derb skizziert, läßt sich für die ältesten pwo_025.014
epischen Lieder erschließen. Homer zeigt in aller behäbigen Breite pwo_025.015
der Epopöe großen Stils noch die plastische Objektivität reiner Epik; pwo_025.016
fehlt es zwar durchaus nicht an reflexiven und selbst gnomischen Elementen, pwo_025.017
so sind diese doch den handelnden Personen in den Mund pwo_025.018
gelegt und entsprechen durchaus ihrem Charakter. Dagegen überwuchern pwo_025.019
solche Betrachtungen als subjektive Aeußerungen der Dichter pwo_025.020
in der späteren Epik, so entschieden sie im allgemeinen Anschluß an pwo_025.021
den Stil des Homer sucht. Die kyklischen Epiker sprechen nur zu pwo_025.022
häufig selbst, wo Homer seine Personen handelnd und redend sich pwo_025.023
unmittelbar vorführen ließ. Jn einer Entwicklung, die von der klassischen pwo_025.024
Philologie längst als streng organisch anerkannt ist, gelangt pwo_025.025
nun erst die Lyrik zu selbständiger Blüte – nun eben bricht sich pwo_025.026
erst die Subjektivität im Volksgemüte Bahn.
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Auch in den orientalischen Poesien durchbricht das Einzelpersönliche pwo_025.028
erst in einer späteren Epoche die ursprünglich starre Einförmigkeit pwo_025.029
und Allgemeingültigkeit. Vom Drama gar ist auf den drei beobachteten pwo_025.030
großen Domänen der Weltpoesie auch am Anfang dieser pwo_025.031
vorherrschend lyrischen Periode noch nicht die Rede.
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Ja, womöglich noch klarer wie die Lyrik sich aus epischen Elementen pwo_025.033
herauswickelt, sehen wir das Drama bei den antiken wie pwo_025.034
modernen Völkern ausdrücklich vor allem durch epische und in zweiter pwo_025.035
Linie durch lyrische Voraussetzungen bedingt. Aus Gesängen beim pwo_025.036
Dionysosfest hat sich das griechische Drama entwickelt: Man pries
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