Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_028.001 Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen pwo_028.002 Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als pwo_028.011 Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023 pwo_028.001 Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen pwo_028.002 Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als pwo_028.011 Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0042" n="28"/> <lb n="pwo_028.001"/> <p> Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen <lb n="pwo_028.002"/> mit lyrisch-epischen Vorträgen vereinen, veranlaßt zahlreiche Forscher <lb n="pwo_028.003"/> zu der Annahme, in solchem Urbrei sei ein getreues Spiegelbild von <lb n="pwo_028.004"/> den Anfängen menschlicher Poesie überhaupt zu sehen. Jndessen kann <lb n="pwo_028.005"/> der heutige Zustand ungeschichtlicher wilder Stämme keine sichere <lb n="pwo_028.006"/> Grundlage für unsere Auffassung vom Urstand geistiger Entwicklung <lb n="pwo_028.007"/> bilden, am wenigsten gegen die Gesetzmäßigkeit der Gestaltung beweisen, <lb n="pwo_028.008"/> in welcher sich uns die erreichbar oder erschließbar ältesten <lb n="pwo_028.009"/> poetischen Schöpfungen der hervorragendsten Kulturvölker darbieten.</p> <lb n="pwo_028.010"/> <p> Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als <lb n="pwo_028.011"/> Zeugin für natürliche Urzustände ab. Zunächst im Hinblick auf religiöse <lb n="pwo_028.012"/> Vorstellungen führt er aus: „Die aus dem Glauben jetzt lebender <lb n="pwo_028.013"/> wilder Völker entnommenen Beweise dürfen nicht gelten. Der <lb n="pwo_028.014"/> Mensch ist, weil fortdauernder Entwicklung fähig, weil unsterblich, <lb n="pwo_028.015"/> weil ein Gedanke des göttlichen Geistes, nur in der Entwicklung, also <lb n="pwo_028.016"/> nur in der Geschichte, Mensch. Ungeschichtliche Völker sind nicht das <lb n="pwo_028.017"/> Normale, sondern die Wirkung einer Krankheit. Wer will aber dann <lb n="pwo_028.018"/> aus ihrer Art, welche in That und Wahrheit nur Un-Art heißen <lb n="pwo_028.019"/> darf, Schlüsse auf die an der Spitze der Entwicklung stehende, also <lb n="pwo_028.020"/> gewiß, da sie die Fähigkeit der Vaterschaft besaß, kerngesunde Phase <lb n="pwo_028.021"/> unserer Geschichte machen?“</p> <lb n="pwo_028.022"/> <p> Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände <lb n="pwo_028.023"/> der geschichtlichen Kulturvölker haben wir aufzusuchen, wenn <lb n="pwo_028.024"/> wir die Grundlage für die Entwicklung der uns bekannten Poesie <lb n="pwo_028.025"/> gewinnen wollen.</p> <lb n="pwo_028.026"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [28/0042]
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Daß sich bei jenen häufig Tänze und mimische Darstellungen pwo_028.002
mit lyrisch-epischen Vorträgen vereinen, veranlaßt zahlreiche Forscher pwo_028.003
zu der Annahme, in solchem Urbrei sei ein getreues Spiegelbild von pwo_028.004
den Anfängen menschlicher Poesie überhaupt zu sehen. Jndessen kann pwo_028.005
der heutige Zustand ungeschichtlicher wilder Stämme keine sichere pwo_028.006
Grundlage für unsere Auffassung vom Urstand geistiger Entwicklung pwo_028.007
bilden, am wenigsten gegen die Gesetzmäßigkeit der Gestaltung beweisen, pwo_028.008
in welcher sich uns die erreichbar oder erschließbar ältesten pwo_028.009
poetischen Schöpfungen der hervorragendsten Kulturvölker darbieten.
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Auch Paul de Lagarde weist die Verfassung wilder Stämme als pwo_028.011
Zeugin für natürliche Urzustände ab. Zunächst im Hinblick auf religiöse pwo_028.012
Vorstellungen führt er aus: „Die aus dem Glauben jetzt lebender pwo_028.013
wilder Völker entnommenen Beweise dürfen nicht gelten. Der pwo_028.014
Mensch ist, weil fortdauernder Entwicklung fähig, weil unsterblich, pwo_028.015
weil ein Gedanke des göttlichen Geistes, nur in der Entwicklung, also pwo_028.016
nur in der Geschichte, Mensch. Ungeschichtliche Völker sind nicht das pwo_028.017
Normale, sondern die Wirkung einer Krankheit. Wer will aber dann pwo_028.018
aus ihrer Art, welche in That und Wahrheit nur Un-Art heißen pwo_028.019
darf, Schlüsse auf die an der Spitze der Entwicklung stehende, also pwo_028.020
gewiß, da sie die Fähigkeit der Vaterschaft besaß, kerngesunde Phase pwo_028.021
unserer Geschichte machen?“
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Genug, nicht die Unnatur der ungeschichtlichen Wilden, die Naturzustände pwo_028.023
der geschichtlichen Kulturvölker haben wir aufzusuchen, wenn pwo_028.024
wir die Grundlage für die Entwicklung der uns bekannten Poesie pwo_028.025
gewinnen wollen.
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