Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_029.001 Das Wesen der Poesie. pwo_029.002§ 25. pwo_029.003 pwo_029.004Religiöser Charakter der ältesten Poesie. Wir stehen am Beginn unseres Weges. Vor uns liegt die vorgeschichtliche pwo_029.005 Vor welche Thatsachen stellt uns aber die älteste erschlossene pwo_029.013 "Jch bin die Fürstin, Sammlerin der Güter, pwo_029.020
Zuerst hab' ich erkannt die heil'gen Götter; pwo_029.021 Drum haben sie mich überall verbreitet, pwo_029.022 Die ich in vieles dringe und drin weile. pwo_029.023 Jch zeug' des Weltalls Vater in der Höhe, pwo_029.024 Mein Sitz ist in den Wassern, in dem Meere, pwo_029.025 Von da verbreit' ich mich in alle Wesen, pwo_029.026 Berühr' mit meinem Scheitel dort den Himmel. pwo_029.027 Jch bin es, die da wehet gleich dem Winde, pwo_029.001 Das Wesen der Poesie. pwo_029.002§ 25. pwo_029.003 pwo_029.004Religiöser Charakter der ältesten Poesie. Wir stehen am Beginn unseres Weges. Vor uns liegt die vorgeschichtliche pwo_029.005 Vor welche Thatsachen stellt uns aber die älteste erschlossene pwo_029.013 „Jch bin die Fürstin, Sammlerin der Güter, pwo_029.020
Zuerst hab' ich erkannt die heil'gen Götter; pwo_029.021 Drum haben sie mich überall verbreitet, pwo_029.022 Die ich in vieles dringe und drin weile. pwo_029.023 Jch zeug' des Weltalls Vater in der Höhe, pwo_029.024 Mein Sitz ist in den Wassern, in dem Meere, pwo_029.025 Von da verbreit' ich mich in alle Wesen, pwo_029.026 Berühr' mit meinem Scheitel dort den Himmel. pwo_029.027 Jch bin es, die da wehet gleich dem Winde, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0043" n="E29"/> </div> </div> <div n="2"> <lb n="pwo_029.001"/> <head> <hi rendition="#c">Das Wesen der Poesie.</hi> </head> <lb n="pwo_029.002"/> <div n="3"> <head> <hi rendition="#c">§ 25. <lb n="pwo_029.003"/> Religiöser Charakter der ältesten Poesie.</hi> </head> <lb n="pwo_029.004"/> <p> Wir stehen am Beginn unseres Weges. Vor uns liegt die vorgeschichtliche <lb n="pwo_029.005"/> Zeit in undurchdringlichem Nebel, welcher auch den Quell <lb n="pwo_029.006"/> der Poesie unserm Blicke entrückt. Auf Kombinationen heißt uns <lb n="pwo_029.007"/> unsere Methode der Thatsachen verzichten. Nur so viel stellten wir <lb n="pwo_029.008"/> bereits fest: sehen wir in geschichtlich erschlossener Zeit sich die Poesie <lb n="pwo_029.009"/> nach einer bestimmten Richtung entwickeln, so kann in der noch unerschlossenen <lb n="pwo_029.010"/> Zeit, der wir andauernd neue Jahrhunderte abringen, <lb n="pwo_029.011"/> die Entwicklung nicht in umgekehrter Richtung geschehen sein.</p> <lb n="pwo_029.012"/> <p> Vor welche Thatsachen stellt uns aber die älteste erschlossene <lb n="pwo_029.013"/> Poesie? So vielen Eingriffen im einzelnen Sprache und Stil derselben <lb n="pwo_029.014"/> bei der Verpflanzung durch die Jahrhunderte ausgesetzt gewesen, <lb n="pwo_029.015"/> die indischen Veden bleiben das der Zeit nach erste unter den <lb n="pwo_029.016"/> erhaltenen poetischen Denkmalen der indogermanischen Völkerfamilie. <lb n="pwo_029.017"/> Jm Rig-Veda hören wir die als Göttin personifizierte Rede ihre <lb n="pwo_029.018"/> Macht also preisen:</p> <lb n="pwo_029.019"/> <lg> <l>„Jch bin die Fürstin, Sammlerin der Güter,</l> <lb n="pwo_029.020"/> <l> <hi rendition="#g">Zuerst hab' ich erkannt die heil'gen Götter;</hi> </l> <lb n="pwo_029.021"/> <l>Drum haben sie mich überall verbreitet,</l> <lb n="pwo_029.022"/> <l>Die ich in vieles dringe und drin weile.</l> <lb n="pwo_029.023"/> <l> <hi rendition="#g">Jch zeug' des Weltalls Vater in der Höhe,</hi> </l> <lb n="pwo_029.024"/> <l>Mein Sitz ist in den Wassern, in dem Meere,</l> <lb n="pwo_029.025"/> <l>Von da verbreit' ich mich in alle Wesen,</l> <lb n="pwo_029.026"/> <l> <hi rendition="#g">Berühr' mit meinem Scheitel dort den Himmel.</hi> </l> <lb n="pwo_029.027"/> <l>Jch bin es, die da wehet gleich dem Winde,</l> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [E29/0043]
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Das Wesen der Poesie. pwo_029.002
§ 25. pwo_029.003
Religiöser Charakter der ältesten Poesie. pwo_029.004
Wir stehen am Beginn unseres Weges. Vor uns liegt die vorgeschichtliche pwo_029.005
Zeit in undurchdringlichem Nebel, welcher auch den Quell pwo_029.006
der Poesie unserm Blicke entrückt. Auf Kombinationen heißt uns pwo_029.007
unsere Methode der Thatsachen verzichten. Nur so viel stellten wir pwo_029.008
bereits fest: sehen wir in geschichtlich erschlossener Zeit sich die Poesie pwo_029.009
nach einer bestimmten Richtung entwickeln, so kann in der noch unerschlossenen pwo_029.010
Zeit, der wir andauernd neue Jahrhunderte abringen, pwo_029.011
die Entwicklung nicht in umgekehrter Richtung geschehen sein.
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Vor welche Thatsachen stellt uns aber die älteste erschlossene pwo_029.013
Poesie? So vielen Eingriffen im einzelnen Sprache und Stil derselben pwo_029.014
bei der Verpflanzung durch die Jahrhunderte ausgesetzt gewesen, pwo_029.015
die indischen Veden bleiben das der Zeit nach erste unter den pwo_029.016
erhaltenen poetischen Denkmalen der indogermanischen Völkerfamilie. pwo_029.017
Jm Rig-Veda hören wir die als Göttin personifizierte Rede ihre pwo_029.018
Macht also preisen:
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„Jch bin die Fürstin, Sammlerin der Güter, pwo_029.020
Zuerst hab' ich erkannt die heil'gen Götter; pwo_029.021
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Berühr' mit meinem Scheitel dort den Himmel. pwo_029.027
Jch bin es, die da wehet gleich dem Winde,
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