Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_045.001 Um welche charakteristischen Elemente bereichert sich nun die pwo_045.008 Zunächst sind bereits alle Mythologien aus Naturbeseelung hervorgegangen. pwo_045.011 Neue poetische Gattungen verdanken dieser Wendung ihr Entstehen. pwo_045.019 Schon früh muß die Tierwelt zu einsilbigen Vergleichen herhalten: pwo_045.027 Ein weiterer Schritt geschieht dann mit Anwendung der gesamten, pwo_045.033 pwo_045.001 Um welche charakteristischen Elemente bereichert sich nun die pwo_045.008 Zunächst sind bereits alle Mythologien aus Naturbeseelung hervorgegangen. pwo_045.011 Neue poetische Gattungen verdanken dieser Wendung ihr Entstehen. pwo_045.019 Schon früh muß die Tierwelt zu einsilbigen Vergleichen herhalten: pwo_045.027 Ein weiterer Schritt geschieht dann mit Anwendung der gesamten, pwo_045.033 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0059" n="45"/><lb n="pwo_045.001"/> diesen Wandlungen: auf den Gott oder Gottmenschen folgen die Fürsten <lb n="pwo_045.002"/> und Helden als Gegenstand dramatischer Behandlung, erst im <lb n="pwo_045.003"/> 18. Jahrhundert hebt das „bürgerliche Trauerspiel“ an. Aber noch <lb n="pwo_045.004"/> immer haben die älteren poetischen Gattungen, Epos und Tragödie, <lb n="pwo_045.005"/> im wesentlichen heroischen Charakter bewahrt, während die jüngeren, <lb n="pwo_045.006"/> Komödie und Roman, fast durchweg bürgerlichen Charakter tragen.</p> <lb n="pwo_045.007"/> <p> Um welche charakteristischen Elemente bereichert sich nun die <lb n="pwo_045.008"/> Poesie, sobald sie aus dem Bezirk des Einseitig-Heroischen herausblickt, <lb n="pwo_045.009"/> um die Menschheit selbst unmittelbar zu verklären?</p> <lb n="pwo_045.010"/> <p> Zunächst sind bereits alle Mythologien aus Naturbeseelung hervorgegangen. <lb n="pwo_045.011"/> Man kann deshalb nicht eigentlich behaupten, das <lb n="pwo_045.012"/> Naturgefühl sei spät erwacht; wohl aber ist die Naturschwärmerei <lb n="pwo_045.013"/> Erzeugnis einer jüngeren, verhältnismäßig vorgeschrittenen Zeit. Doch <lb n="pwo_045.014"/> im Mythos erscheint die Natur noch <hi rendition="#g">unter Menschengestalt.</hi> Ein <lb n="pwo_045.015"/> neues Reich beginnt für die Poesie, sobald der menschliche Geist die <lb n="pwo_045.016"/> Natur <hi rendition="#g">unmittelbar</hi> in ihrem <hi rendition="#g">Organismus</hi> und <hi rendition="#g">Mechanismus</hi> <lb n="pwo_045.017"/> erfaßt.</p> <lb n="pwo_045.018"/> <p> Neue poetische Gattungen verdanken dieser Wendung ihr Entstehen. <lb n="pwo_045.019"/> Nach dem Heldenepos bildet sich das Tierepos aus; die Tierfabel <lb n="pwo_045.020"/> ist gar erst ein moralisierender Ausläufer der ursprünglich naiven <lb n="pwo_045.021"/> Tierdichtung. Ebenso fällt in die Spätzeit des Naturgefühls die Entstehung <lb n="pwo_045.022"/> des Jdylls. Doch überhaupt wächst jetzt eine Poesie an, <lb n="pwo_045.023"/> welche die Tiere teils als Gefährten des Menschen, teils als Sinnbilder <lb n="pwo_045.024"/> menschlicher Eigenschaften vorführt – man denke auch an die <lb n="pwo_045.025"/> Aristophanischen Komödien „Die Vögel“ und „Die Frösche“.</p> <lb n="pwo_045.026"/> <p> Schon früh muß die Tierwelt zu einsilbigen Vergleichen herhalten: <lb n="pwo_045.027"/> in der Jugendepoche der Sprache und besonders bei der <lb n="pwo_045.028"/> Namengebung spielen solche Symbole bereits eine Rolle. Gewiß ist <lb n="pwo_045.029"/> den Nomadenvölkern gerade ein Blick in die Tierwelt am nächsten, <lb n="pwo_045.030"/> sobald ihnen die Götter und Heroen nicht mehr ausschließlich <lb n="pwo_045.031"/> Gegenstand der Weihe und Verherrlichung geblieben.</p> <lb n="pwo_045.032"/> <p> Ein weiterer Schritt geschieht dann mit Anwendung der gesamten, <lb n="pwo_045.033"/> unmittelbar angeschauten Natur als <hi rendition="#g">Bild für menschliche Verhältnisse.</hi> <lb n="pwo_045.034"/> So bietet schon Homer ausgeführte Vergleiche mit dem <lb n="pwo_045.035"/> Tier- und Pflanzenreich sowie den Naturgewalten, besonders der <lb n="pwo_045.036"/> Welt des Meeres. Jm 13. Gesang der Jlias heißt es so:</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [45/0059]
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diesen Wandlungen: auf den Gott oder Gottmenschen folgen die Fürsten pwo_045.002
und Helden als Gegenstand dramatischer Behandlung, erst im pwo_045.003
18. Jahrhundert hebt das „bürgerliche Trauerspiel“ an. Aber noch pwo_045.004
immer haben die älteren poetischen Gattungen, Epos und Tragödie, pwo_045.005
im wesentlichen heroischen Charakter bewahrt, während die jüngeren, pwo_045.006
Komödie und Roman, fast durchweg bürgerlichen Charakter tragen.
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Um welche charakteristischen Elemente bereichert sich nun die pwo_045.008
Poesie, sobald sie aus dem Bezirk des Einseitig-Heroischen herausblickt, pwo_045.009
um die Menschheit selbst unmittelbar zu verklären?
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Zunächst sind bereits alle Mythologien aus Naturbeseelung hervorgegangen. pwo_045.011
Man kann deshalb nicht eigentlich behaupten, das pwo_045.012
Naturgefühl sei spät erwacht; wohl aber ist die Naturschwärmerei pwo_045.013
Erzeugnis einer jüngeren, verhältnismäßig vorgeschrittenen Zeit. Doch pwo_045.014
im Mythos erscheint die Natur noch unter Menschengestalt. Ein pwo_045.015
neues Reich beginnt für die Poesie, sobald der menschliche Geist die pwo_045.016
Natur unmittelbar in ihrem Organismus und Mechanismus pwo_045.017
erfaßt.
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Neue poetische Gattungen verdanken dieser Wendung ihr Entstehen. pwo_045.019
Nach dem Heldenepos bildet sich das Tierepos aus; die Tierfabel pwo_045.020
ist gar erst ein moralisierender Ausläufer der ursprünglich naiven pwo_045.021
Tierdichtung. Ebenso fällt in die Spätzeit des Naturgefühls die Entstehung pwo_045.022
des Jdylls. Doch überhaupt wächst jetzt eine Poesie an, pwo_045.023
welche die Tiere teils als Gefährten des Menschen, teils als Sinnbilder pwo_045.024
menschlicher Eigenschaften vorführt – man denke auch an die pwo_045.025
Aristophanischen Komödien „Die Vögel“ und „Die Frösche“.
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Schon früh muß die Tierwelt zu einsilbigen Vergleichen herhalten: pwo_045.027
in der Jugendepoche der Sprache und besonders bei der pwo_045.028
Namengebung spielen solche Symbole bereits eine Rolle. Gewiß ist pwo_045.029
den Nomadenvölkern gerade ein Blick in die Tierwelt am nächsten, pwo_045.030
sobald ihnen die Götter und Heroen nicht mehr ausschließlich pwo_045.031
Gegenstand der Weihe und Verherrlichung geblieben.
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Ein weiterer Schritt geschieht dann mit Anwendung der gesamten, pwo_045.033
unmittelbar angeschauten Natur als Bild für menschliche Verhältnisse. pwo_045.034
So bietet schon Homer ausgeführte Vergleiche mit dem pwo_045.035
Tier- und Pflanzenreich sowie den Naturgewalten, besonders der pwo_045.036
Welt des Meeres. Jm 13. Gesang der Jlias heißt es so:
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