Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_046.001 "... Da taumelt' er hin, wie die Esche, pwo_046.002 pwo_046.005Welche hoch auf dem Gipfel des weitgesehenen Berges pwo_046.003 Abgehaun mit dem Erz ihr zartes Gezweig hinabstreckt; pwo_046.004 So sank jener, umklirrt von dem Erz der prangenden Rüstung." Oder gar im 11. Gesang: pwo_046.006"Wie wenn oft ein Jäger die Schar weißzahniger Hunde pwo_046.007 pwo_046.013Reizt auf den grimmigen Eber des Waldthals, oder den Löwen: pwo_046.008 So auf die Danaer reizte die edelmütigen Troer pwo_046.009 Hektor, Priamos Sohn, dem mordenden Ares vergleichbar. pwo_046.010 Selbst voll trotzendes Muts durchwandelt' er vorn das Getümmel, pwo_046.011 Stürzte sich dann in die Schlacht, wie ein hochherbrausender Sturmwind, pwo_046.012 Der in gewaltigem Sturz die dunkelen Wogen empöret." Oft kehren ähnliche Vorstellungen in Gleichnissen Homers wieder. pwo_046.014 Vor allem schwelgt schon die jüngere indische Poesie üppig in pwo_046.015 "Denn wie bei Sonnenuntergang pwo_046.022 pwo_046.033Sich schließt der zarte Kelch der Blüte, pwo_046.023 So schließt sich bei der Trennung auch pwo_046.024 Der Frauen blumengleich Gemüte ... pwo_046.025 Von dort laß deines Blitzes Blick pwo_046.026 Jns Jnn're ihres Hauses schimmern, pwo_046.027 Doch nur mit mildem, mildem Schein, pwo_046.028 Wie Nachts Johanniswürmchen flimmern ... pwo_046.029 Wohl wird sie hingeschwunden sein pwo_046.030 Jn schmerzensvollem, bangem Hoffen, pwo_046.031 Wie wenn des Lotos zarte Blüt' pwo_046.032 Von einem Froste hart getroffen." Schon darin bietet sich das charakteristische Zeugnis einer neuen Epoche pwo_046.034 pwo_046.001 „... Da taumelt' er hin, wie die Esche, pwo_046.002 pwo_046.005Welche hoch auf dem Gipfel des weitgesehenen Berges pwo_046.003 Abgehaun mit dem Erz ihr zartes Gezweig hinabstreckt; pwo_046.004 So sank jener, umklirrt von dem Erz der prangenden Rüstung.“ Oder gar im 11. 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Wie sich einst der Dichter schier nimmer an <lb n="pwo_046.017"/> der Versenkung ins Göttliche ersättigen konnte, so kann er sich jetzt <lb n="pwo_046.018"/> an Versenkung in die Natur nicht genugthun. Auf solche neue Weise <lb n="pwo_046.019"/> poetischen Zauber zu verbreiten, gelingt namentlich auch dem „Wolkenboten“, <lb n="pwo_046.020"/> einem Kalidasa zugeschriebenen Gedicht:</p> <lb n="pwo_046.021"/> <lg> <l>„Denn wie bei Sonnenuntergang</l> <lb n="pwo_046.022"/> <l>Sich schließt der zarte Kelch der <hi rendition="#g">Blüte,</hi></l> <lb n="pwo_046.023"/> <l>So schließt sich bei der Trennung auch</l> <lb n="pwo_046.024"/> <l>Der Frauen <hi rendition="#g">blumengleich</hi> Gemüte ...</l> <lb n="pwo_046.025"/> <l>Von dort laß deines Blitzes Blick</l> <lb n="pwo_046.026"/> <l>Jns Jnn're ihres Hauses schimmern,</l> <lb n="pwo_046.027"/> <l>Doch nur mit mildem, mildem Schein,</l> <lb n="pwo_046.028"/> <l>Wie Nachts <hi rendition="#g">Johanniswürmchen</hi> flimmern ...</l> <lb n="pwo_046.029"/> <l>Wohl wird sie hingeschwunden sein</l> <lb n="pwo_046.030"/> <l>Jn schmerzensvollem, bangem Hoffen,</l> <lb n="pwo_046.031"/> <l>Wie wenn des <hi rendition="#g">Lotos</hi> zarte Blüt'</l> <lb n="pwo_046.032"/> <l>Von einem Froste hart getroffen.“</l> </lg> <lb n="pwo_046.033"/> <p>Schon darin bietet sich das charakteristische Zeugnis einer neuen Epoche <lb n="pwo_046.034"/> der <hi rendition="#g">Poesie,</hi> daß eine <hi rendition="#g">Wolke</hi> als Liebesbote ausgesandt wird. Wir <lb n="pwo_046.035"/> mögen uns erinnern, daß ähnlich der Schillerschen Maria Stuart <lb n="pwo_046.036"/> „eilende Wolken, Segler der Lüfte“ als Boten an ihr Jugendland <lb n="pwo_046.037"/> dienen.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [46/0060]
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Abgehaun mit dem Erz ihr zartes Gezweig hinabstreckt; pwo_046.004
So sank jener, umklirrt von dem Erz der prangenden Rüstung.“
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Oder gar im 11. Gesang:
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Oft kehren ähnliche Vorstellungen in Gleichnissen Homers wieder.
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Vor allem schwelgt schon die jüngere indische Poesie üppig in pwo_046.015
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nüchternen Wirklichkeit. Wie sich einst der Dichter schier nimmer an pwo_046.017
der Versenkung ins Göttliche ersättigen konnte, so kann er sich jetzt pwo_046.018
an Versenkung in die Natur nicht genugthun. Auf solche neue Weise pwo_046.019
poetischen Zauber zu verbreiten, gelingt namentlich auch dem „Wolkenboten“, pwo_046.020
einem Kalidasa zugeschriebenen Gedicht:
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„eilende Wolken, Segler der Lüfte“ als Boten an ihr Jugendland pwo_046.037
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