Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_049.001
Wie wir den Dichter zu der Natur sprechen hören, so leiht er selbst pwo_049.013 "Dau bist kurzer, ich bin langer: pwo_049.015 pwo_049.017also streitents auf dem anger, pwo_049.016 bluomen unde kle." Dem entsprechend begegnen auch in den Bildern - nicht mehr pwo_049.018 "Des fürsten milte auz Osterreiche pwo_049.021 pwo_049.022fröit dem süezen regen geleiche." Oder: pwo_049.023"Friundes lachen sol sein ane missetat, pwo_049.024 pwo_049.025süeze als der abentrot, der kündet lauter maere." Dahingegen kann er sich an Bildern für trügerisches Lachen kaum pwo_049.026
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Wie wir den Dichter zu der Natur sprechen hören, so leiht er selbst pwo_049.013 „Dû bist kurzer, ich bin langer: pwo_049.015 pwo_049.017alsô strîtents ûf dem anger, pwo_049.016 bluomen unde klê.“ Dem entsprechend begegnen auch in den Bildern – nicht mehr pwo_049.018 „Des fürsten milte ûz Osterrîche pwo_049.021 pwo_049.022fröit dem süezen regen gelîche.“ Oder: pwo_049.023„Friundes lachen sol sîn âne missetât, pwo_049.024 pwo_049.025süeze als der abentrôt, der kündet lûter mære.“ Dahingegen kann er sich an Bildern für trügerisches Lachen kaum pwo_049.026
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0063" n="49"/><lb n="pwo_049.001"/> Hier ist das Verhältnis zwischen Natur und Geist zu voller Traulichkeit <lb n="pwo_049.002"/> gediehen.</p> <lb n="pwo_049.003"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Wie wol der heide ir manicvaltiu varwe stât!</l> <lb n="pwo_049.004"/> <l> <hi rendition="#g">sô wil ich doch dem walde jehen,</hi> </l> <lb n="pwo_049.005"/> <l>daz er vil mêre wünneclîcher Dinge hât:</l> <lb n="pwo_049.006"/> <l>noch ist dem velde baz geschehen.</l> <lb n="pwo_049.007"/> <l>sô wol dir, sumer, sus getâner hôchgezît!</l> <lb n="pwo_049.008"/> <l>sumer, daz ich iemer lobe dîne tage,</l> <lb n="pwo_049.009"/> <l>trôst, sô trœste ouch mîne klage.</l> <lb n="pwo_049.010"/> <l>ich sage dir waz mir wirret:</l> <lb n="pwo_049.011"/> <l>der mir ist liep, dem bin ich leit.“</l> </lg> </hi> </p> <lb n="pwo_049.012"/> <p>Wie wir den Dichter zu der Natur sprechen hören, so leiht er selbst <lb n="pwo_049.013"/> der Pflanzenwelt Zungen:</p> <lb n="pwo_049.014"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Dû bist kurzer, ich bin langer:</hi></l> <lb n="pwo_049.015"/> <l> <hi rendition="#aq">alsô strîtents ûf dem anger,</hi> </l> <lb n="pwo_049.016"/> <l><hi rendition="#aq">bluomen unde klê</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_049.017"/> <p>Dem entsprechend begegnen auch in den Bildern – nicht mehr <lb n="pwo_049.018"/> bloßen Vergleichen – neben den typischen Beziehungen zu den Gestirnen <lb n="pwo_049.019"/> durchaus eigenartige Naturanschauungen:</p> <lb n="pwo_049.020"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Des fürsten milte ûz Osterrîche</hi></l> <lb n="pwo_049.021"/> <l><hi rendition="#aq">fröit dem süezen regen gelîche</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_049.022"/> <p>Oder:</p> <lb n="pwo_049.023"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Friundes lachen sol sîn âne missetât,</hi></l> <lb n="pwo_049.024"/> <l><hi rendition="#aq">süeze als der abentrôt, der kündet lûter mære</hi>.“</l> </lg> <lb n="pwo_049.025"/> <p>Dahingegen kann er sich an Bildern für trügerisches Lachen kaum <lb n="pwo_049.026"/> genugthun:</p> <lb n="pwo_049.027"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Ich hân gesehen in der werlte ein michel wunder:</l> <lb n="pwo_049.028"/> <l>wærz ûf dem mer, ez diuhte ein seltsæne kunder;</l> <lb n="pwo_049.029"/> <l>des mîn fröide erschrocken ist, mîn trûren worden munder.</l> <lb n="pwo_049.030"/> <l>daz glîchet einem bœsen man. Swer nu des lachen</l> <lb n="pwo_049.031"/> <l>strîchet an der triuwen stein, der vindet kunterfeit.</l> <lb n="pwo_049.032"/> <l>er bîzet, dâ sîn grînen niht hât widerseit.</l> <lb n="pwo_049.033"/> <l>sîn valscheit tuot vil manegem dicke leit.</l> <lb n="pwo_049.034"/> <l>zwô zungen habent kalt und warm, die ligent in sîme rachen.</l> <lb n="pwo_049.035"/> <l>in sîme süezen honge lît ein giftic nagel.</l> <lb n="pwo_049.036"/> <l>sîn wolkenlôsez lachen bringet scharpfen hagel.</l> <lb n="pwo_049.037"/> <l>swâ man daz spürt, ez kêrt sîn hant, und wirt ein swalwen zagel.“</l> </lg> </hi> </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [49/0063]
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Hier ist das Verhältnis zwischen Natur und Geist zu voller Traulichkeit pwo_049.002
gediehen.
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„Wie wol der heide ir manicvaltiu varwe stât! pwo_049.004
sô wil ich doch dem walde jehen, pwo_049.005
daz er vil mêre wünneclîcher Dinge hât: pwo_049.006
noch ist dem velde baz geschehen. pwo_049.007
sô wol dir, sumer, sus getâner hôchgezît! pwo_049.008
sumer, daz ich iemer lobe dîne tage, pwo_049.009
trôst, sô trœste ouch mîne klage. pwo_049.010
ich sage dir waz mir wirret: pwo_049.011
der mir ist liep, dem bin ich leit.“
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Wie wir den Dichter zu der Natur sprechen hören, so leiht er selbst pwo_049.013
der Pflanzenwelt Zungen:
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„Dû bist kurzer, ich bin langer: pwo_049.015
alsô strîtents ûf dem anger, pwo_049.016
bluomen unde klê.“
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Dem entsprechend begegnen auch in den Bildern – nicht mehr pwo_049.018
bloßen Vergleichen – neben den typischen Beziehungen zu den Gestirnen pwo_049.019
durchaus eigenartige Naturanschauungen:
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„Des fürsten milte ûz Osterrîche pwo_049.021
fröit dem süezen regen gelîche.“
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Oder:
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„Friundes lachen sol sîn âne missetât, pwo_049.024
süeze als der abentrôt, der kündet lûter mære.“
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Dahingegen kann er sich an Bildern für trügerisches Lachen kaum pwo_049.026
genugthun:
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„Ich hân gesehen in der werlte ein michel wunder: pwo_049.028
wærz ûf dem mer, ez diuhte ein seltsæne kunder; pwo_049.029
des mîn fröide erschrocken ist, mîn trûren worden munder. pwo_049.030
daz glîchet einem bœsen man. Swer nu des lachen pwo_049.031
strîchet an der triuwen stein, der vindet kunterfeit. pwo_049.032
er bîzet, dâ sîn grînen niht hât widerseit. pwo_049.033
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zwô zungen habent kalt und warm, die ligent in sîme rachen. pwo_049.035
in sîme süezen honge lît ein giftic nagel. pwo_049.036
sîn wolkenlôsez lachen bringet scharpfen hagel. pwo_049.037
swâ man daz spürt, ez kêrt sîn hant, und wirt ein swalwen zagel.“
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