Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.pwo_077.001 "Do lettun se aerist | asckim screitan, pwo_077.004 pwo_077.007scarpen scaurim: | dat in dem sciltim stont. pwo_077.005 do stopun to samane | staimbort chlubun, pwo_077.006 heuwun harmleicco | hueitte scilti ..." Noch im Nibelungenlied heißt es von Brunhilds Kampf mit Gunther: pwo_077.008
Wir sehen damit nicht nur den Sprung, wir hören ihn zugleich, so pwo_077.010 Die weitere Ausbildung all dieser Stilelemente ist allmählich zu pwo_077.015 Bei aller Zeichnung in Umrissen immer von unmittelbarer Anschaulichkeit pwo_077.018 "Da rasselten der Pferde Füße pwo_077.021 pwo_077.030vor dem Zagen ihrer mächtigen Reiter ... pwo_077.022 Sie griff mit ihrer Hand den Nagel, pwo_077.023 und mit ihrer Rechten den Schmiedehammer, pwo_077.024 und schlug Sisera durch sein Haupt, pwo_077.025 und zerquetschte und durchbohrte seinen Schlaf ... pwo_077.026 Die Mutter Siseras sahe zum Fenster aus, pwo_077.027 und heulte durchs Gitter: pwo_077.028 Warum verzieht sein Wagen, daß er nicht kommt? pwo_077.029 Wie bleiben die Räder seiner Wagen so dahinten?" Da haben wir das Rasseln fürs Ohr vernehmlich; nicht genug an pwo_077.031 pwo_077.001 „Dô lêttun sê ærist │ asckim scrîtan, pwo_077.004 pwo_077.007scarpên scûrim: │ dat in dêm sciltim stônt. pwo_077.005 dô stôpun tô samane │ staimbort chlubun, pwo_077.006 heuwun harmlîcco │ huîtte scilti ...“ Noch im Nibelungenlied heißt es von Brunhilds Kampf mit Gunther: pwo_077.008
Wir sehen damit nicht nur den Sprung, wir hören ihn zugleich, so pwo_077.010 Die weitere Ausbildung all dieser Stilelemente ist allmählich zu pwo_077.015 Bei aller Zeichnung in Umrissen immer von unmittelbarer Anschaulichkeit pwo_077.018 „Da rasselten der Pferde Füße pwo_077.021 pwo_077.030vor dem Zagen ihrer mächtigen Reiter ... pwo_077.022 Sie griff mit ihrer Hand den Nagel, pwo_077.023 und mit ihrer Rechten den Schmiedehammer, pwo_077.024 und schlug Sisera durch sein Haupt, pwo_077.025 und zerquetschte und durchbohrte seinen Schlaf ... pwo_077.026 Die Mutter Siseras sahe zum Fenster aus, pwo_077.027 und heulte durchs Gitter: pwo_077.028 Warum verzieht sein Wagen, daß er nicht kommt? pwo_077.029 Wie bleiben die Räder seiner Wagen so dahinten?“ Da haben wir das Rasseln fürs Ohr vernehmlich; nicht genug an pwo_077.031 <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0091" n="77"/><lb n="pwo_077.001"/> veranschaulicht. Gegen Schluß des Hildebrand-Fragmentes vermeint <lb n="pwo_077.002"/> man das Krachen der Speere und Schilde zu vernehmen:</p> <lb n="pwo_077.003"/> <lg> <l>„<hi rendition="#aq">Dô lêttun sê ærist │ asckim scrîtan,</hi></l> <lb n="pwo_077.004"/> <l> <hi rendition="#aq">scarpên scûrim: │ dat in dêm sciltim stônt.</hi> </l> <lb n="pwo_077.005"/> <l> <hi rendition="#aq">dô stôpun tô samane │ staimbort chlubun,</hi> </l> <lb n="pwo_077.006"/> <l><hi rendition="#aq">heuwun harmlîcco │ huîtte scilti</hi> ...“</l> </lg> <lb n="pwo_077.007"/> <p>Noch im Nibelungenlied heißt es von Brunhilds Kampf mit Gunther:</p> <lb n="pwo_077.008"/> <p> <hi rendition="#aq"> <lg> <l>„Dô spranc si nâch dem wurfe, daz lûte <hi rendition="#g">erklang</hi> ir gewant.“</l> </lg> </hi> </p> <lb n="pwo_077.009"/> <p>Wir sehen damit nicht nur den Sprung, wir hören ihn zugleich, so <lb n="pwo_077.010"/> daß er für alle energischen Sinne vergegenwärtigt ist. Sehr wirksam <lb n="pwo_077.011"/> veranschaulicht man ferner Handlungen durch ihre in die Sinne fallenden <lb n="pwo_077.012"/> Folgen, ähnlich Gemütsbewegungen durch ihre sichtbaren <lb n="pwo_077.013"/> Aeußerungen.</p> <lb n="pwo_077.014"/> <p> Die weitere Ausbildung all dieser Stilelemente ist allmählich zu <lb n="pwo_077.015"/> denken: aus ursprünglicher Einfachheit bildet sich später eine gewisse <lb n="pwo_077.016"/> Kunstfertigkeit scenischer Darstellung.</p> <lb n="pwo_077.017"/> <p> Bei aller Zeichnung in Umrissen immer von unmittelbarer Anschaulichkeit <lb n="pwo_077.018"/> zeigen sich gleicherweise die hebräischen Heldenlieder. Jn <lb n="pwo_077.019"/> Deborahs Siegeslied steht:</p> <lb n="pwo_077.020"/> <lg> <l>„Da <hi rendition="#g">rasselten</hi> der Pferde <hi rendition="#g">Füße</hi></l> <lb n="pwo_077.021"/> <l>vor dem Zagen ihrer mächtigen Reiter ...</l> <lb n="pwo_077.022"/> <l>Sie griff mit ihrer Hand den Nagel,</l> <lb n="pwo_077.023"/> <l>und mit ihrer Rechten den Schmiedehammer,</l> <lb n="pwo_077.024"/> <l>und schlug Sisera durch sein Haupt,</l> <lb n="pwo_077.025"/> <l>und zerquetschte und durchbohrte seinen Schlaf ...</l> <lb n="pwo_077.026"/> <l>Die Mutter Siseras sahe zum Fenster aus,</l> <lb n="pwo_077.027"/> <l>und heulte durchs Gitter:</l> <lb n="pwo_077.028"/> <l>Warum verzieht sein Wagen, daß er nicht kommt?</l> <lb n="pwo_077.029"/> <l>Wie bleiben die <hi rendition="#g">Räder</hi> seiner Wagen so dahinten?“</l> </lg> <lb n="pwo_077.030"/> <p>Da haben wir das Rasseln fürs Ohr vernehmlich; nicht genug an <lb n="pwo_077.031"/> den Pferden: als Organ ihrer Thätigkeit ausdrücklich die Füße; das <lb n="pwo_077.032"/> Töten handlungsreich in all seine einzelnen Bestandteile zerlegt: greifen <lb n="pwo_077.033"/> – und zwar mit der Hand, alsdann im besondern mit der Rechten <lb n="pwo_077.034"/> –, schlagen, zerquetschen und durchbohren; ähnlich sehen wir die <lb n="pwo_077.035"/> Mutter Siseras in ihrem Schmerze nicht nur, wir hören sie wiederum; <lb n="pwo_077.036"/> wie ebenfalls in den germanischen Dichtungen wird die Handlung <lb n="pwo_077.037"/> selbst in ihre positive und negative Seite zerlegt: verziehen und nicht </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [77/0091]
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veranschaulicht. Gegen Schluß des Hildebrand-Fragmentes vermeint pwo_077.002
man das Krachen der Speere und Schilde zu vernehmen:
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„Dô lêttun sê ærist │ asckim scrîtan, pwo_077.004
scarpên scûrim: │ dat in dêm sciltim stônt. pwo_077.005
dô stôpun tô samane │ staimbort chlubun, pwo_077.006
heuwun harmlîcco │ huîtte scilti ...“
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Noch im Nibelungenlied heißt es von Brunhilds Kampf mit Gunther:
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„Dô spranc si nâch dem wurfe, daz lûte erklang ir gewant.“
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Wir sehen damit nicht nur den Sprung, wir hören ihn zugleich, so pwo_077.010
daß er für alle energischen Sinne vergegenwärtigt ist. Sehr wirksam pwo_077.011
veranschaulicht man ferner Handlungen durch ihre in die Sinne fallenden pwo_077.012
Folgen, ähnlich Gemütsbewegungen durch ihre sichtbaren pwo_077.013
Aeußerungen.
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Die weitere Ausbildung all dieser Stilelemente ist allmählich zu pwo_077.015
denken: aus ursprünglicher Einfachheit bildet sich später eine gewisse pwo_077.016
Kunstfertigkeit scenischer Darstellung.
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Bei aller Zeichnung in Umrissen immer von unmittelbarer Anschaulichkeit pwo_077.018
zeigen sich gleicherweise die hebräischen Heldenlieder. Jn pwo_077.019
Deborahs Siegeslied steht:
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„Da rasselten der Pferde Füße pwo_077.021
vor dem Zagen ihrer mächtigen Reiter ... pwo_077.022
Sie griff mit ihrer Hand den Nagel, pwo_077.023
und mit ihrer Rechten den Schmiedehammer, pwo_077.024
und schlug Sisera durch sein Haupt, pwo_077.025
und zerquetschte und durchbohrte seinen Schlaf ... pwo_077.026
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und heulte durchs Gitter: pwo_077.028
Warum verzieht sein Wagen, daß er nicht kommt? pwo_077.029
Wie bleiben die Räder seiner Wagen so dahinten?“
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Da haben wir das Rasseln fürs Ohr vernehmlich; nicht genug an pwo_077.031
den Pferden: als Organ ihrer Thätigkeit ausdrücklich die Füße; das pwo_077.032
Töten handlungsreich in all seine einzelnen Bestandteile zerlegt: greifen pwo_077.033
– und zwar mit der Hand, alsdann im besondern mit der Rechten pwo_077.034
–, schlagen, zerquetschen und durchbohren; ähnlich sehen wir die pwo_077.035
Mutter Siseras in ihrem Schmerze nicht nur, wir hören sie wiederum; pwo_077.036
wie ebenfalls in den germanischen Dichtungen wird die Handlung pwo_077.037
selbst in ihre positive und negative Seite zerlegt: verziehen und nicht
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