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Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899.

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allgemeiner Wahrheiten begegnen in reichem Maße: nur daß pwo_082.002
sie immer, auch wo sie dem Dichter selbst aus dem Herzen gesprochen pwo_082.003
scheinen, als organische Auslassung einzelner, nicht als unorganische pwo_082.004
Zuthat des Dichters erscheinen. Nicht Homer, sondern sein Held pwo_082.005
spricht die vielgerühmten Worte: ouk agathon polukoiranie -

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"Niemals frommt Vielherrschaft im Volk; nur einer sei Herrscher, pwo_082.007
Einer König allein, dem der Sohn des verborgenen Kronos pwo_082.008
Zepter gab und Gesetze, daß ihm die Obergewalt sei."
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Seelenschilderungen werden nicht mehr gescheut; und nicht immer pwo_082.010
bleiben sie so kurz wie der Hinweis:

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"Atreus Sohn, von unendlichem Gram in der Seele verwundet, pwo_082.012
Wandelt umher ..."

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Doch kleiden sich längere Seelenkämpfe auch wieder in direkten Dialog pwo_082.014
und äußere Handlung - genug, nach allen Seiten sehen wir die pwo_082.015
Vorzüge der alten und neuen, der liedartigen und litterarischen Erzählungsweise pwo_082.016
vereint.

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Dieser Sachverhalt kann nicht überraschen, wenn wir erfahren, pwo_082.018
daß die beiden Epen Homers zwar aufgezeichnet, aber noch immer pwo_082.019
mündlich vorgetragen, vielleicht sogar gesungen wurden. So gewiß pwo_082.020
diese Dichtungen nach einem einheitlichen Plane in einheitlichem Geiste pwo_082.021
für unmittelbare Niederschrift abgefaßt wurden, liegen ihnen doch auf pwo_082.022
weiten Strecken Einzellieder als Quellen zugrunde.

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Nur steht der Dichter nun bereits mit Bewußtsein über pwo_082.024
seinem Stoff, in solch einer Mischung von Gläubigkeit und Selbständigkeit, pwo_082.025
wie sie für das Stadium der Epopöe bezeichnend ist. pwo_082.026
Noch frei von Skepsis und Jronie, bleibt Homer von Bewunderung pwo_082.027
und Vertrauen für seine Götter und Helden erfüllt; aber sein Glaube pwo_082.028
steht fest nur gegenüber dem Geist und den Grundzügen der Ueberlieferung; pwo_082.029
er ist kein Wortgläubiger mehr, dem ein bewußtes An- pwo_082.030
und Umordnen, ein auf künstlerischer Berechnung beruhendes Unterdrücken pwo_082.031
und Hinzudichten als Entweihung und Vergewaltigung erschiene. pwo_082.032
Mit künstlerischem Jnteresse, mit der Absicht, die Teile eines pwo_082.033
nationalen Sagenkreises zu einer künstlerischen Einheit zusammenzufassen, pwo_082.034
tritt der Dichter solcher Schriftwerke an seinen Stoff heran.

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Diese freiere Stellung gegenüber seinem Stoff ermöglicht dem

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allgemeiner Wahrheiten begegnen in reichem Maße: nur daß pwo_082.002
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Zepter gab und Gesetze, daß ihm die Obergewalt sei.“
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Seelenschilderungen werden nicht mehr gescheut; und nicht immer pwo_082.010
bleiben sie so kurz wie der Hinweis:

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„Atreus Sohn, von unendlichem Gram in der Seele verwundet, pwo_082.012
Wandelt umher ...“

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Doch kleiden sich längere Seelenkämpfe auch wieder in direkten Dialog pwo_082.014
und äußere Handlung – genug, nach allen Seiten sehen wir die pwo_082.015
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seinem Stoff, in solch einer Mischung von Gläubigkeit und Selbständigkeit, pwo_082.025
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Zitationshilfe: Wolff, Eugen: Poetik: Die Gesetze der Poesie in ihrer geschichtlichen Entwicklung. Ein Grundriß. Oldenburg u. a., 1899, S. 82. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_poetik_1899/96>, abgerufen am 24.11.2024.