F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.seltsamem Lächeln erwiderte: Da man mir so viele Güte beweis't, wäre vielleicht anzunehmen, ich sei derselben nicht völlig unwerth. -- Die kleine Blondine lächelte schalkhaft, der Oheim sah ernst vor sich hin. Der junge Mann zu seiner Rechten war gleich zu Anfange dieses Gespräches aufgestanden, verbeugte sich jetzt schweigend und verließ das Zimmer. Nach minutenlanger Pause begann Herr Steffano von Neuem: Ich habe gestern die Bekanntschaft des Grafen von N. gemacht und freue mich dir sagen zu können, wie er ein höchst angenehmer, humaner und aufgeklärter Mann zu sein scheint. Der Neffe schwieg. Für dich, fuhr Jener fort, kann dieses Alles nur von höchster Bedeutung sein. R. blickte empor und entgegnete mißlaunig: Ich wüßte in der That nicht, warum mir das anders als gleichgültig vorkommen sollte. Eine geistreiche Antwort belebt kluge Personen, selbst dann, wenn sie ihren Ansichten und Wünschen entgegen ist, eine ihrer Meinung nach unverständige pflegt sie aus aller Fassung zu bringen. Herr Steffano schwieg eine Weile, wie um sich zu sammeln, und entgegnete: Gleichgültig? -- Das ist eine großartige Ansicht, die wenigstens mir nicht einleuchten kann, da deine Anstellung in Staatsdiensten größtentheils von dem Grafen und seinem Einflusse abhängig sein wird. Düstre Wolken zogen über R's Stirn. Es thut mir leid, sagte er, daß dieser Gegenstand eben jetzt zur seltsamem Lächeln erwiderte: Da man mir so viele Güte beweis't, wäre vielleicht anzunehmen, ich sei derselben nicht völlig unwerth. — Die kleine Blondine lächelte schalkhaft, der Oheim sah ernst vor sich hin. Der junge Mann zu seiner Rechten war gleich zu Anfange dieses Gespräches aufgestanden, verbeugte sich jetzt schweigend und verließ das Zimmer. Nach minutenlanger Pause begann Herr Steffano von Neuem: Ich habe gestern die Bekanntschaft des Grafen von N. gemacht und freue mich dir sagen zu können, wie er ein höchst angenehmer, humaner und aufgeklärter Mann zu sein scheint. Der Neffe schwieg. Für dich, fuhr Jener fort, kann dieses Alles nur von höchster Bedeutung sein. R. blickte empor und entgegnete mißlaunig: Ich wüßte in der That nicht, warum mir das anders als gleichgültig vorkommen sollte. Eine geistreiche Antwort belebt kluge Personen, selbst dann, wenn sie ihren Ansichten und Wünschen entgegen ist, eine ihrer Meinung nach unverständige pflegt sie aus aller Fassung zu bringen. Herr Steffano schwieg eine Weile, wie um sich zu sammeln, und entgegnete: Gleichgültig? — Das ist eine großartige Ansicht, die wenigstens mir nicht einleuchten kann, da deine Anstellung in Staatsdiensten größtentheils von dem Grafen und seinem Einflusse abhängig sein wird. Düstre Wolken zogen über R's Stirn. Es thut mir leid, sagte er, daß dieser Gegenstand eben jetzt zur <TEI> <text> <body> <div type="chapter" n="1"> <p><pb facs="#f0010"/> seltsamem Lächeln erwiderte: Da man mir so viele Güte beweis't, wäre vielleicht anzunehmen, ich sei derselben nicht völlig unwerth. — Die kleine Blondine lächelte schalkhaft, der Oheim sah ernst vor sich hin. Der junge Mann zu seiner Rechten war gleich zu Anfange dieses Gespräches aufgestanden, verbeugte sich jetzt schweigend und verließ das Zimmer.</p><lb/> <p>Nach minutenlanger Pause begann Herr Steffano von Neuem: Ich habe gestern die Bekanntschaft des Grafen von N. gemacht und freue mich dir sagen zu können, wie er ein höchst angenehmer, humaner und aufgeklärter Mann zu sein scheint.</p><lb/> <p>Der Neffe schwieg. Für dich, fuhr Jener fort, kann dieses Alles nur von höchster Bedeutung sein.</p><lb/> <p>R. blickte empor und entgegnete mißlaunig: Ich wüßte in der That nicht, warum mir das anders als gleichgültig vorkommen sollte.</p><lb/> <p>Eine geistreiche Antwort belebt kluge Personen, selbst dann, wenn sie ihren Ansichten und Wünschen entgegen ist, eine ihrer Meinung nach unverständige pflegt sie aus aller Fassung zu bringen. Herr Steffano schwieg eine Weile, wie um sich zu sammeln, und entgegnete: Gleichgültig? — Das ist eine großartige Ansicht, die wenigstens mir nicht einleuchten kann, da deine Anstellung in Staatsdiensten größtentheils von dem Grafen und seinem Einflusse abhängig sein wird.</p><lb/> <p>Düstre Wolken zogen über R's Stirn. Es thut mir leid, sagte er, daß dieser Gegenstand eben jetzt zur<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0010]
seltsamem Lächeln erwiderte: Da man mir so viele Güte beweis't, wäre vielleicht anzunehmen, ich sei derselben nicht völlig unwerth. — Die kleine Blondine lächelte schalkhaft, der Oheim sah ernst vor sich hin. Der junge Mann zu seiner Rechten war gleich zu Anfange dieses Gespräches aufgestanden, verbeugte sich jetzt schweigend und verließ das Zimmer.
Nach minutenlanger Pause begann Herr Steffano von Neuem: Ich habe gestern die Bekanntschaft des Grafen von N. gemacht und freue mich dir sagen zu können, wie er ein höchst angenehmer, humaner und aufgeklärter Mann zu sein scheint.
Der Neffe schwieg. Für dich, fuhr Jener fort, kann dieses Alles nur von höchster Bedeutung sein.
R. blickte empor und entgegnete mißlaunig: Ich wüßte in der That nicht, warum mir das anders als gleichgültig vorkommen sollte.
Eine geistreiche Antwort belebt kluge Personen, selbst dann, wenn sie ihren Ansichten und Wünschen entgegen ist, eine ihrer Meinung nach unverständige pflegt sie aus aller Fassung zu bringen. Herr Steffano schwieg eine Weile, wie um sich zu sammeln, und entgegnete: Gleichgültig? — Das ist eine großartige Ansicht, die wenigstens mir nicht einleuchten kann, da deine Anstellung in Staatsdiensten größtentheils von dem Grafen und seinem Einflusse abhängig sein wird.
Düstre Wolken zogen über R's Stirn. Es thut mir leid, sagte er, daß dieser Gegenstand eben jetzt zur
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T13:52:17Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T13:52:17Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |