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F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Zeit ließ R. sich bei mir melden. Er sah bleich und sehr ernst aus und setzte sich mir schweigend gegenüber. Was wird jetzt aus Ihnen? fragte er nach einer Pause. Ich schüttelte den Kopf: wer kann in solchen Augenblicken an sich denken? Das ist gleichwohl sehr zu überlegen, sagte er wie vor sich hin. Ich hätte gewünscht, fuhr er fort, einen sehr trüben Tag hier zubringen zu können, aber es ist mir unmöglich. Ihnen wird es auch recht sein, daß Victor, der Ihnen so nahe steht, jede Veranstaltung trifft. Leben Sie wohl, und Gott sei mit Ihnen. Ich gehe jetzt, den letzten Abschied von dem liebsten Freunde zu nehmen. -- Halb unbewußt stand ich auf und folgte ihm, er sah verwundert aus, schwieg aber, und als wir an die Treppe kamen, faßte er meinen Arm und führte mich, als fürchte er, ich werde hinab stürzen. Er öffnete die Thür zu Ludwig's Zimmer; das Bild des tiefsten Friedens wurde dort uns zu Theil. O gewiß, Engel hatten diese Augen geschlossen! -- R. legte die Hand auf die erkaltete Rechte des treuesten aller Menschen und sah wie betheuernd empor, dann verließ er mit verhülltem Gesichte das Zimmer. Ich hörte noch das Fortrollen seines Wagens; es war der letzte, tief ergreifende Schmerz, der mich fortan in Bezug auf ihn betroffen hat.

Victor verließ mich gleich nach meines Bruders Bestattung; herzlich theilte er meinen Kummer; was aus mir werden würde, war noch unentschieden, vorläufig konnte ich dort im Hause bleiben.

Zeit ließ R. sich bei mir melden. Er sah bleich und sehr ernst aus und setzte sich mir schweigend gegenüber. Was wird jetzt aus Ihnen? fragte er nach einer Pause. Ich schüttelte den Kopf: wer kann in solchen Augenblicken an sich denken? Das ist gleichwohl sehr zu überlegen, sagte er wie vor sich hin. Ich hätte gewünscht, fuhr er fort, einen sehr trüben Tag hier zubringen zu können, aber es ist mir unmöglich. Ihnen wird es auch recht sein, daß Victor, der Ihnen so nahe steht, jede Veranstaltung trifft. Leben Sie wohl, und Gott sei mit Ihnen. Ich gehe jetzt, den letzten Abschied von dem liebsten Freunde zu nehmen. — Halb unbewußt stand ich auf und folgte ihm, er sah verwundert aus, schwieg aber, und als wir an die Treppe kamen, faßte er meinen Arm und führte mich, als fürchte er, ich werde hinab stürzen. Er öffnete die Thür zu Ludwig's Zimmer; das Bild des tiefsten Friedens wurde dort uns zu Theil. O gewiß, Engel hatten diese Augen geschlossen! — R. legte die Hand auf die erkaltete Rechte des treuesten aller Menschen und sah wie betheuernd empor, dann verließ er mit verhülltem Gesichte das Zimmer. Ich hörte noch das Fortrollen seines Wagens; es war der letzte, tief ergreifende Schmerz, der mich fortan in Bezug auf ihn betroffen hat.

Victor verließ mich gleich nach meines Bruders Bestattung; herzlich theilte er meinen Kummer; was aus mir werden würde, war noch unentschieden, vorläufig konnte ich dort im Hause bleiben.

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[0036] Zeit ließ R. sich bei mir melden. Er sah bleich und sehr ernst aus und setzte sich mir schweigend gegenüber. Was wird jetzt aus Ihnen? fragte er nach einer Pause. Ich schüttelte den Kopf: wer kann in solchen Augenblicken an sich denken? Das ist gleichwohl sehr zu überlegen, sagte er wie vor sich hin. Ich hätte gewünscht, fuhr er fort, einen sehr trüben Tag hier zubringen zu können, aber es ist mir unmöglich. Ihnen wird es auch recht sein, daß Victor, der Ihnen so nahe steht, jede Veranstaltung trifft. Leben Sie wohl, und Gott sei mit Ihnen. Ich gehe jetzt, den letzten Abschied von dem liebsten Freunde zu nehmen. — Halb unbewußt stand ich auf und folgte ihm, er sah verwundert aus, schwieg aber, und als wir an die Treppe kamen, faßte er meinen Arm und führte mich, als fürchte er, ich werde hinab stürzen. Er öffnete die Thür zu Ludwig's Zimmer; das Bild des tiefsten Friedens wurde dort uns zu Theil. O gewiß, Engel hatten diese Augen geschlossen! — R. legte die Hand auf die erkaltete Rechte des treuesten aller Menschen und sah wie betheuernd empor, dann verließ er mit verhülltem Gesichte das Zimmer. Ich hörte noch das Fortrollen seines Wagens; es war der letzte, tief ergreifende Schmerz, der mich fortan in Bezug auf ihn betroffen hat. Victor verließ mich gleich nach meines Bruders Bestattung; herzlich theilte er meinen Kummer; was aus mir werden würde, war noch unentschieden, vorläufig konnte ich dort im Hause bleiben.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T13:52:17Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T13:52:17Z)

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Zitationshilfe: F. v. W. [Margarethe von Wolff]: Gemüth und Selbstsucht. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 16. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_selbstsucht_1910/36>, abgerufen am 03.12.2024.