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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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Unwahrscheinligkeit der Hypothes.
mation ausschließen, verschieden sind; so wenig
man auch den allergeringsten Grund nur hat, aus
jenen existirenden Evolutionen die Hypothese zu
schliessen; so klar es vielmehr ist, daß die Natur
bey jenen Einwickelungen einzig und allein die Er-
haltung der jungen Theile zur Absicht hat, und an
nichts weniger, als daran denkt, organische Kör-
per aus dem Zustande der unendlichen Kleinheit
und der Unsichtbarkeit, in den Stand der Sicht-
barkeit hervor zu ziehen: so sind doch dem unge-
achtet jene wahrgenommene Einwickelungen dem
Erfinder der Grund zu seiner Hypothese gewesen;
denn so wie Cartesius dachte, dachte Mal-
pighius
nicht. Er muste, wenn er etwas an-
nehmen sollte, wie es der Vernunft auch gemäß
ist, in der Natur wenigstens einigen Grund da-
zu finden, gesetzt auch, daß es nur ein Schein-
grund gewesen wäre. Er vermischte die gewöhn-
liche Einwickelung bey den Pflanzen mit seinen
Jdeen, die himmelweit davon unterschieden wa-
ren. Allein aus eben diesen Ursachen ist es eine
große Frage, ob nicht Malpigh, wenn man
ihm so deutlich, wie ich glaube gethan zu haben,
den Unterscheid zwischen dem, was er würklich
beobachtet hatte, und dem, was er durch die Ein-
bildungskraft hinzusetzte, gezeigt hätte; wenn
man ihm auch ferner gezeigt hätte, wie sehr auch
das, was die Natur bey ihren Einwickelungen
allein nur zur Absicht hat, von |dem, was er be-
hauptete, unterschieden sey; es ist, sage ich, eben
deswegen, weil er nicht dazu aufgelegt war, et-

was

Unwahrſcheinligkeit der Hypotheſ.
mation ausſchließen, verſchieden ſind; ſo wenig
man auch den allergeringſten Grund nur hat, aus
jenen exiſtirenden Evolutionen die Hypotheſe zu
ſchlieſſen; ſo klar es vielmehr iſt, daß die Natur
bey jenen Einwickelungen einzig und allein die Er-
haltung der jungen Theile zur Abſicht hat, und an
nichts weniger, als daran denkt, organiſche Koͤr-
per aus dem Zuſtande der unendlichen Kleinheit
und der Unſichtbarkeit, in den Stand der Sicht-
barkeit hervor zu ziehen: ſo ſind doch dem unge-
achtet jene wahrgenommene Einwickelungen dem
Erfinder der Grund zu ſeiner Hypotheſe geweſen;
denn ſo wie Carteſius dachte, dachte Mal-
pighius
nicht. Er muſte, wenn er etwas an-
nehmen ſollte, wie es der Vernunft auch gemaͤß
iſt, in der Natur wenigſtens einigen Grund da-
zu finden, geſetzt auch, daß es nur ein Schein-
grund geweſen waͤre. Er vermiſchte die gewoͤhn-
liche Einwickelung bey den Pflanzen mit ſeinen
Jdeen, die himmelweit davon unterſchieden wa-
ren. Allein aus eben dieſen Urſachen iſt es eine
große Frage, ob nicht Malpigh, wenn man
ihm ſo deutlich, wie ich glaube gethan zu haben,
den Unterſcheid zwiſchen dem, was er wuͤrklich
beobachtet hatte, und dem, was er durch die Ein-
bildungskraft hinzuſetzte, gezeigt haͤtte; wenn
man ihm auch ferner gezeigt haͤtte, wie ſehr auch
das, was die Natur bey ihren Einwickelungen
allein nur zur Abſicht hat, von |dem, was er be-
hauptete, unterſchieden ſey; es iſt, ſage ich, eben
deswegen, weil er nicht dazu aufgelegt war, et-

was
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[58/0080] Unwahrſcheinligkeit der Hypotheſ. mation ausſchließen, verſchieden ſind; ſo wenig man auch den allergeringſten Grund nur hat, aus jenen exiſtirenden Evolutionen die Hypotheſe zu ſchlieſſen; ſo klar es vielmehr iſt, daß die Natur bey jenen Einwickelungen einzig und allein die Er- haltung der jungen Theile zur Abſicht hat, und an nichts weniger, als daran denkt, organiſche Koͤr- per aus dem Zuſtande der unendlichen Kleinheit und der Unſichtbarkeit, in den Stand der Sicht- barkeit hervor zu ziehen: ſo ſind doch dem unge- achtet jene wahrgenommene Einwickelungen dem Erfinder der Grund zu ſeiner Hypotheſe geweſen; denn ſo wie Carteſius dachte, dachte Mal- pighius nicht. Er muſte, wenn er etwas an- nehmen ſollte, wie es der Vernunft auch gemaͤß iſt, in der Natur wenigſtens einigen Grund da- zu finden, geſetzt auch, daß es nur ein Schein- grund geweſen waͤre. Er vermiſchte die gewoͤhn- liche Einwickelung bey den Pflanzen mit ſeinen Jdeen, die himmelweit davon unterſchieden wa- ren. Allein aus eben dieſen Urſachen iſt es eine große Frage, ob nicht Malpigh, wenn man ihm ſo deutlich, wie ich glaube gethan zu haben, den Unterſcheid zwiſchen dem, was er wuͤrklich beobachtet hatte, und dem, was er durch die Ein- bildungskraft hinzuſetzte, gezeigt haͤtte; wenn man ihm auch ferner gezeigt haͤtte, wie ſehr auch das, was die Natur bey ihren Einwickelungen allein nur zur Abſicht hat, von |dem, was er be- hauptete, unterſchieden ſey; es iſt, ſage ich, eben deswegen, weil er nicht dazu aufgelegt war, et- was

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 58. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/80>, abgerufen am 24.11.2024.