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Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764.

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von der Prädelineation.
gen. Man sieht es, so bald man es sieht immer
außerhalb der übrigen Theile die schon da sind lie-
gen, da man die Blätter der Pflanzen hingegen,
so bald man sie sieht, und so lange man sie sieht,
immer auch in andern eingewickelt sieht, bis sie
endlich völlig grün, steif, hart, alt, und erwach-
sen sind, wo sie sich endlich völlig von der zusam-
mengewickelten Knospe zurück biegen, ausdehnen
und frey herabhengen. Hier ist also die Frage
nicht mehr, ob das, was man nicht sieht, auch
nicht dasey? sondern ob das, was man sieht, da
sey? und dieses können Sie, ohne ein Jdealist
zu werden, nicht mehr läugnen. So weit aber
müssen wir in physicalischen Dispüten nicht gehn.

Diesen Beweis im Vorbeygehen also, wol-
len wir nun wie ich Jhnen versprochen habe, weg-
lassen, und es noch bey dem alten, daß man kein
Exempel in der Natur von einer Evolution antrift,
und daß folglich die Hypothesen, und beyde
Hypothesen zwar an sich betrachtet, unwahrschein-
lich sind, bewenden lassen, damit ich desto besser
und ungehindert, Jhnen meine Jdee, die ich von
diesen Hypothesen in Ansehung ihrer Wahrschein-
lichkeit oder Unwahrscheinlichkeit habe, ferner
vollständig erklären kann.

So sehr indessen diese bey den Pflanzen und
Jnseckten sich würklich ereignende Einwickelungen
der jüngern Theile von denen in der Hypothese an-
genommenen Einwickelungen, die alle wahre For-

mation
D 5

von der Praͤdelineation.
gen. Man ſieht es, ſo bald man es ſieht immer
außerhalb der uͤbrigen Theile die ſchon da ſind lie-
gen, da man die Blaͤtter der Pflanzen hingegen,
ſo bald man ſie ſieht, und ſo lange man ſie ſieht,
immer auch in andern eingewickelt ſieht, bis ſie
endlich voͤllig gruͤn, ſteif, hart, alt, und erwach-
ſen ſind, wo ſie ſich endlich voͤllig von der zuſam-
mengewickelten Knoſpe zuruͤck biegen, ausdehnen
und frey herabhengen. Hier iſt alſo die Frage
nicht mehr, ob das, was man nicht ſieht, auch
nicht daſey? ſondern ob das, was man ſieht, da
ſey? und dieſes koͤnnen Sie, ohne ein Jdealiſt
zu werden, nicht mehr laͤugnen. So weit aber
muͤſſen wir in phyſicaliſchen Diſpuͤten nicht gehn.

Dieſen Beweis im Vorbeygehen alſo, wol-
len wir nun wie ich Jhnen verſprochen habe, weg-
laſſen, und es noch bey dem alten, daß man kein
Exempel in der Natur von einer Evolution antrift,
und daß folglich die Hypotheſen, und beyde
Hypotheſen zwar an ſich betrachtet, unwahrſchein-
lich ſind, bewenden laſſen, damit ich deſto beſſer
und ungehindert, Jhnen meine Jdee, die ich von
dieſen Hypotheſen in Anſehung ihrer Wahrſchein-
lichkeit oder Unwahrſcheinlichkeit habe, ferner
vollſtaͤndig erklaͤren kann.

So ſehr indeſſen dieſe bey den Pflanzen und
Jnſeckten ſich wuͤrklich ereignende Einwickelungen
der juͤngern Theile von denen in der Hypotheſe an-
genommenen Einwickelungen, die alle wahre For-

mation
D 5
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[57/0079] von der Praͤdelineation. gen. Man ſieht es, ſo bald man es ſieht immer außerhalb der uͤbrigen Theile die ſchon da ſind lie- gen, da man die Blaͤtter der Pflanzen hingegen, ſo bald man ſie ſieht, und ſo lange man ſie ſieht, immer auch in andern eingewickelt ſieht, bis ſie endlich voͤllig gruͤn, ſteif, hart, alt, und erwach- ſen ſind, wo ſie ſich endlich voͤllig von der zuſam- mengewickelten Knoſpe zuruͤck biegen, ausdehnen und frey herabhengen. Hier iſt alſo die Frage nicht mehr, ob das, was man nicht ſieht, auch nicht daſey? ſondern ob das, was man ſieht, da ſey? und dieſes koͤnnen Sie, ohne ein Jdealiſt zu werden, nicht mehr laͤugnen. So weit aber muͤſſen wir in phyſicaliſchen Diſpuͤten nicht gehn. Dieſen Beweis im Vorbeygehen alſo, wol- len wir nun wie ich Jhnen verſprochen habe, weg- laſſen, und es noch bey dem alten, daß man kein Exempel in der Natur von einer Evolution antrift, und daß folglich die Hypotheſen, und beyde Hypotheſen zwar an ſich betrachtet, unwahrſchein- lich ſind, bewenden laſſen, damit ich deſto beſſer und ungehindert, Jhnen meine Jdee, die ich von dieſen Hypotheſen in Anſehung ihrer Wahrſchein- lichkeit oder Unwahrſcheinlichkeit habe, ferner vollſtaͤndig erklaͤren kann. So ſehr indeſſen dieſe bey den Pflanzen und Jnſeckten ſich wuͤrklich ereignende Einwickelungen der juͤngern Theile von denen in der Hypotheſe an- genommenen Einwickelungen, die alle wahre For- mation D 5

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Zitationshilfe: Wolff, Caspar Friedrich: Theorie von der Generation. Berlin, 1764, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_theorie_1764/79>, abgerufen am 24.11.2024.