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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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und dem Anfange des Eigenthums.
zugehöre. Wenn er weiß, daß die Sache
einem andern zugehöre, und daß er also nicht
der Eigenthumsherr sey (§. 199.), davor er
will gehalten seyn; so nennt man ihn einen
ungewissenhaften Besitzer
(possessorem
malae fidei).
Daher erhellet, daß ein ge-
wissenhafter Besitzer alsobald zum un-
gewissenhaften Besitzer wird, wenn er
erfähret, daß die Sache, die er besitzet,
einem andern zugehöre.
Und weil das
Recht zum Besitz allein dem Eigenthums-
herrn zukommt (§. 200.), so haben beyde
Besitzer kein Recht zum Besitz;
und da
keiner von beyden mit der Sache vornehmen
darf, was er will (§. 199.), so ist alles
Vornehmen, so zur Ausübung des Ei-
genthumsrechts gehöret, unerlaubt

(§. 195.), und was er thut, das geschie-
het mit Unrecht (§. 87.); jedoch kan
dem gewissenhaften Besitzer das Un-
recht nicht zugerechnet werden, weil
seine Unwissenheit unüberwindlich ist

(§. 34.).

§. 202.

Der rechtmäßige Gebrauch des Rechts istVom Ge-
brauch u.
Miß-
brauch
des Ei-
gen-
thums.

derjenige, welchen die Pflichten erfordern;
derjenige aber, der demselben entgegen gese-
tzet, ist der Mißbrauch (§. 66.). Es soll
derowegen der Eigenthumsherr das Sei-
nige nicht anders gebrauchen, als wie
es seine Pflichten erfordern. Der Miß-
brauch ist natürlich unerlaubt, doch

darf
Nat. u. Völckerrecht. J

und dem Anfange des Eigenthums.
zugehoͤre. Wenn er weiß, daß die Sache
einem andern zugehoͤre, und daß er alſo nicht
der Eigenthumsherr ſey (§. 199.), davor er
will gehalten ſeyn; ſo nennt man ihn einen
ungewiſſenhaften Beſitzer
(poſſeſſorem
malæ fidei).
Daher erhellet, daß ein ge-
wiſſenhafter Beſitzer alſobald zum un-
gewiſſenhaften Beſitzer wird, wenn er
erfaͤhret, daß die Sache, die er beſitzet,
einem andern zugehoͤre.
Und weil das
Recht zum Beſitz allein dem Eigenthums-
herrn zukommt (§. 200.), ſo haben beyde
Beſitzer kein Recht zum Beſitz;
und da
keiner von beyden mit der Sache vornehmen
darf, was er will (§. 199.), ſo iſt alles
Vornehmen, ſo zur Ausuͤbung des Ei-
genthumsrechts gehoͤret, unerlaubt

(§. 195.), und was er thut, das geſchie-
het mit Unrecht (§. 87.); jedoch kan
dem gewiſſenhaften Beſitzer das Un-
recht nicht zugerechnet werden, weil
ſeine Unwiſſenheit unuͤberwindlich iſt

(§. 34.).

§. 202.

Der rechtmaͤßige Gebrauch des Rechts iſtVom Ge-
brauch u.
Miß-
brauch
des Ei-
gen-
thums.

derjenige, welchen die Pflichten erfordern;
derjenige aber, der demſelben entgegen geſe-
tzet, iſt der Mißbrauch (§. 66.). Es ſoll
derowegen der Eigenthumsherr das Sei-
nige nicht anders gebrauchen, als wie
es ſeine Pflichten erfordern. Der Miß-
brauch iſt natuͤrlich unerlaubt, doch

darf
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[129/0165] und dem Anfange des Eigenthums. zugehoͤre. Wenn er weiß, daß die Sache einem andern zugehoͤre, und daß er alſo nicht der Eigenthumsherr ſey (§. 199.), davor er will gehalten ſeyn; ſo nennt man ihn einen ungewiſſenhaften Beſitzer (poſſeſſorem malæ fidei). Daher erhellet, daß ein ge- wiſſenhafter Beſitzer alſobald zum un- gewiſſenhaften Beſitzer wird, wenn er erfaͤhret, daß die Sache, die er beſitzet, einem andern zugehoͤre. Und weil das Recht zum Beſitz allein dem Eigenthums- herrn zukommt (§. 200.), ſo haben beyde Beſitzer kein Recht zum Beſitz; und da keiner von beyden mit der Sache vornehmen darf, was er will (§. 199.), ſo iſt alles Vornehmen, ſo zur Ausuͤbung des Ei- genthumsrechts gehoͤret, unerlaubt (§. 195.), und was er thut, das geſchie- het mit Unrecht (§. 87.); jedoch kan dem gewiſſenhaften Beſitzer das Un- recht nicht zugerechnet werden, weil ſeine Unwiſſenheit unuͤberwindlich iſt (§. 34.). §. 202. Der rechtmaͤßige Gebrauch des Rechts iſt derjenige, welchen die Pflichten erfordern; derjenige aber, der demſelben entgegen geſe- tzet, iſt der Mißbrauch (§. 66.). Es ſoll derowegen der Eigenthumsherr das Sei- nige nicht anders gebrauchen, als wie es ſeine Pflichten erfordern. Der Miß- brauch iſt natuͤrlich unerlaubt, doch darf Vom Ge- brauch u. Miß- brauch des Ei- gen- thums. Nat. u. Voͤlckerrecht. J

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 129. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/165>, abgerufen am 21.11.2024.