Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Th. 1. H. Von der ersten Gemeinsch.
darf niemand denselben hindern; son-
dern man muß ihn dem andern ver-
statten, so lange er nichts unternim-
met, was unserem Rechte zuwieder
ist
(§. 78.).

§. 203.
Von der
Verlas-
sung ei-
ner Sa-
che.

Man sagt, es werde eine Sache ver-
lassen
(res derelinqui), wenn der Eigen-
thumsherr weiter nichts will, als daß sie
nicht mehr seine seyn soll. Daher erhellet,
daß derjenige, welcher eine Sache ver-
läßt, aufhört der Eigenthumsherr zu
seyn
(§. 195. 198.); und daß folglich die
verlassene Sache keinem zugehöre
(§.
191.); so lange aber als der Eigen-
thumsherr nicht den Entschluß hat,
seine Sache zu verlassen, verbleibt er
der Eigenthumsherr.

§. 204.
Vom
Wegwer-
fen einer
Sache.

Man sagt hingegen, es werfe einer et-
was weg
(rem suam jactare), wenn er, oh-
ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit
von ihm erfordert, und ohne daß er einigen
Nutzen davon hat, nicht will, daß es seine
seyn soll. Weil es gewiß ist, daß ein Mensch,
wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft
verlohren hat, das Seine liebet, und nicht
ohne dringende Ursache will, es solle, was
seine ist, eines andern seyn; so kann man
in zweifelhaften Fällen nicht vermu-
then, daß einer das Seinige wegge-
worfen habe.

§. 205.

II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch.
darf niemand denſelben hindern; ſon-
dern man muß ihn dem andern ver-
ſtatten, ſo lange er nichts unternim-
met, was unſerem Rechte zuwieder
iſt
(§. 78.).

§. 203.
Von der
Verlaſ-
ſung ei-
ner Sa-
che.

Man ſagt, es werde eine Sache ver-
laſſen
(res derelinqui), wenn der Eigen-
thumsherr weiter nichts will, als daß ſie
nicht mehr ſeine ſeyn ſoll. Daher erhellet,
daß derjenige, welcher eine Sache ver-
laͤßt, aufhoͤrt der Eigenthumsherr zu
ſeyn
(§. 195. 198.); und daß folglich die
verlaſſene Sache keinem zugehoͤre
(§.
191.); ſo lange aber als der Eigen-
thumsherr nicht den Entſchluß hat,
ſeine Sache zu verlaſſen, verbleibt er
der Eigenthumsherr.

§. 204.
Vom
Wegweꝛ-
fen einer
Sache.

Man ſagt hingegen, es werfe einer et-
was weg
(rem ſuam jactare), wenn er, oh-
ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit
von ihm erfordert, und ohne daß er einigen
Nutzen davon hat, nicht will, daß es ſeine
ſeyn ſoll. Weil es gewiß iſt, daß ein Menſch,
wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft
verlohren hat, das Seine liebet, und nicht
ohne dringende Urſache will, es ſolle, was
ſeine iſt, eines andern ſeyn; ſo kann man
in zweifelhaften Faͤllen nicht vermu-
then, daß einer das Seinige wegge-
worfen habe.

§. 205.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0166" n="130"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#aq">II.</hi> Th. 1. H. Von der er&#x017F;ten Gemein&#x017F;ch.</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">darf niemand den&#x017F;elben hindern; &#x017F;on-<lb/>
dern man muß ihn dem andern ver-<lb/>
&#x017F;tatten, &#x017F;o lange er nichts unternim-<lb/>
met, was un&#x017F;erem Rechte zuwieder<lb/>
i&#x017F;t</hi> (§. 78.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 203.</head><lb/>
              <note place="left">Von der<lb/>
Verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ung ei-<lb/>
ner Sa-<lb/>
che.</note>
              <p>Man &#x017F;agt, <hi rendition="#fr">es werde eine Sache ver-<lb/>
la&#x017F;&#x017F;en</hi> <hi rendition="#aq">(res derelinqui),</hi> wenn der Eigen-<lb/>
thumsherr weiter nichts will, als daß &#x017F;ie<lb/>
nicht mehr &#x017F;eine &#x017F;eyn &#x017F;oll. Daher erhellet,<lb/><hi rendition="#fr">daß derjenige, welcher eine Sache ver-<lb/>
la&#x0364;ßt, aufho&#x0364;rt der Eigenthumsherr zu<lb/>
&#x017F;eyn</hi> (§. 195. 198.); und <hi rendition="#fr">daß</hi> folglich <hi rendition="#fr">die<lb/>
verla&#x017F;&#x017F;ene Sache keinem zugeho&#x0364;re</hi> (§.<lb/>
191.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o lange</hi> aber <hi rendition="#fr">als der Eigen-<lb/>
thumsherr nicht den Ent&#x017F;chluß hat,<lb/>
&#x017F;eine Sache zu verla&#x017F;&#x017F;en, verbleibt er<lb/>
der Eigenthumsherr.</hi></p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 204.</head><lb/>
              <note place="left">Vom<lb/>
Wegwe&#xA75B;-<lb/>
fen einer<lb/>
Sache.</note>
              <p>Man &#x017F;agt hingegen, <hi rendition="#fr">es werfe einer et-<lb/>
was weg</hi> <hi rendition="#aq">(rem &#x017F;uam jactare),</hi> wenn er, oh-<lb/>
ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit<lb/>
von ihm erfordert, und ohne daß er einigen<lb/>
Nutzen davon hat, nicht will, daß es &#x017F;eine<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll. Weil es gewiß i&#x017F;t, daß ein Men&#x017F;ch,<lb/>
wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft<lb/>
verlohren hat, das Seine liebet, und nicht<lb/>
ohne dringende Ur&#x017F;ache will, es &#x017F;olle, was<lb/>
&#x017F;eine i&#x017F;t, eines andern &#x017F;eyn; &#x017F;o <hi rendition="#fr">kann man<lb/>
in zweifelhaften Fa&#x0364;llen nicht vermu-<lb/>
then, daß einer das Seinige wegge-<lb/>
worfen habe.</hi></p>
            </div><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch">§. 205.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[130/0166] II. Th. 1. H. Von der erſten Gemeinſch. darf niemand denſelben hindern; ſon- dern man muß ihn dem andern ver- ſtatten, ſo lange er nichts unternim- met, was unſerem Rechte zuwieder iſt (§. 78.). §. 203. Man ſagt, es werde eine Sache ver- laſſen (res derelinqui), wenn der Eigen- thumsherr weiter nichts will, als daß ſie nicht mehr ſeine ſeyn ſoll. Daher erhellet, daß derjenige, welcher eine Sache ver- laͤßt, aufhoͤrt der Eigenthumsherr zu ſeyn (§. 195. 198.); und daß folglich die verlaſſene Sache keinem zugehoͤre (§. 191.); ſo lange aber als der Eigen- thumsherr nicht den Entſchluß hat, ſeine Sache zu verlaſſen, verbleibt er der Eigenthumsherr. §. 204. Man ſagt hingegen, es werfe einer et- was weg (rem ſuam jactare), wenn er, oh- ne daß es eine Pflicht, oder Nothwendigkeit von ihm erfordert, und ohne daß er einigen Nutzen davon hat, nicht will, daß es ſeine ſeyn ſoll. Weil es gewiß iſt, daß ein Menſch, wenn er nicht den Gebrauch der Vernunft verlohren hat, das Seine liebet, und nicht ohne dringende Urſache will, es ſolle, was ſeine iſt, eines andern ſeyn; ſo kann man in zweifelhaften Faͤllen nicht vermu- then, daß einer das Seinige wegge- worfen habe. §. 205.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/166
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 130. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/166>, abgerufen am 24.11.2024.