muß auch, so lange unerlaubt ist, dem Be- sitzer den Besitz zu nehmen, ihm der Ge- brauch des Eigenthums verstattet werden. Das gewaltsame Verfahren, wo- durch einer aus dem Besitze geworfen, oder des Besitzes beraubet wird, heißt im canoni- schen Recht spolium, oder eine eigene Be- mächtigung. Und daher folgt, daß, was eigenmächtig weggenommen ist, wie- der gegeben, oder eingeräumet werden müsse.
§. 289.
Von der Verthei- digung und Wie- dererhal- tung des Besitzes.
Weil der Besitzer nicht schuldig ist zu leiden, daß er von dem, der nicht Eigenthumsherr ist, oder auch sein Eigenthum noch nicht bewiesen hat, aus dem Besitze mit Gewalt herausge- worfen werde (§. 288. 46.); so kommt ihm auch das Recht zu, seinen Besitz zu vertheidigen (§. 90.), wie auch das Recht zu demjenigen, ohne welches er den verlohrnen Besitz nicht wieder er- halten kann. Nämlich der Besitzer führet sich so lange, als er in dem Besitz ist, als Eigenthumsherr auf, und das muß man ihm auch verstatten (§. 288.).
§. 290.
Vom ge- waltsa- men und heimli- chen Be- sitz.
Durch Gewalt (gewaltsam, vi possidet) besitzet derjenige etwas, der dadurch den Besitz erhalten, weil er den vorigen Besitzer mit einer unrechtmäßigen Gewalt aus seinem Besitze geworfen hat; heimlich aber, oder
ver-
II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.
muß auch, ſo lange unerlaubt iſt, dem Be- ſitzer den Beſitz zu nehmen, ihm der Ge- brauch des Eigenthums verſtattet werden. Das gewaltſame Verfahren, wo- durch einer aus dem Beſitze geworfen, oder des Beſitzes beraubet wird, heißt im canoni- ſchen Recht ſpolium, oder eine eigene Be- maͤchtigung. Und daher folgt, daß, was eigenmaͤchtig weggenommen iſt, wie- der gegeben, oder eingeraͤumet werden muͤſſe.
§. 289.
Von der Verthei- digung und Wie- dererhal- tung des Beſitzes.
Weil der Beſitzer nicht ſchuldig iſt zu leiden, daß er von dem, der nicht Eigenthumsherr iſt, oder auch ſein Eigenthum noch nicht bewieſen hat, aus dem Beſitze mit Gewalt herausge- worfen werde (§. 288. 46.); ſo kommt ihm auch das Recht zu, ſeinen Beſitz zu vertheidigen (§. 90.), wie auch das Recht zu demjenigen, ohne welches er den verlohrnen Beſitz nicht wieder er- halten kann. Naͤmlich der Beſitzer fuͤhret ſich ſo lange, als er in dem Beſitz iſt, als Eigenthumsherr auf, und das muß man ihm auch verſtatten (§. 288.).
§. 290.
Vom ge- waltſa- men und heimli- chen Be- ſitz.
Durch Gewalt (gewaltſam, vi poſſidet) beſitzet derjenige etwas, der dadurch den Beſitz erhalten, weil er den vorigen Beſitzer mit einer unrechtmaͤßigen Gewalt aus ſeinem Beſitze geworfen hat; heimlich aber, oder
ver-
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II. Th. 3. H. Von Recht und Verbindl.
muß auch, ſo lange unerlaubt iſt, dem Be-
ſitzer den Beſitz zu nehmen, ihm der Ge-
brauch des Eigenthums verſtattet
werden. Das gewaltſame Verfahren, wo-
durch einer aus dem Beſitze geworfen, oder
des Beſitzes beraubet wird, heißt im canoni-
ſchen Recht ſpolium, oder eine eigene Be-
maͤchtigung. Und daher folgt, daß, was
eigenmaͤchtig weggenommen iſt, wie-
der gegeben, oder eingeraͤumet werden
muͤſſe.
§. 289.
Weil der Beſitzer nicht ſchuldig iſt
zu leiden, daß er von dem, der nicht
Eigenthumsherr iſt, oder auch ſein
Eigenthum noch nicht bewieſen hat,
aus dem Beſitze mit Gewalt herausge-
worfen werde (§. 288. 46.); ſo kommt
ihm auch das Recht zu, ſeinen Beſitz
zu vertheidigen (§. 90.), wie auch das
Recht zu demjenigen, ohne welches er
den verlohrnen Beſitz nicht wieder er-
halten kann. Naͤmlich der Beſitzer fuͤhret
ſich ſo lange, als er in dem Beſitz iſt, als
Eigenthumsherr auf, und das muß man ihm
auch verſtatten (§. 288.).
§. 290.
Durch Gewalt (gewaltſam, vi poſſidet)
beſitzet derjenige etwas, der dadurch den
Beſitz erhalten, weil er den vorigen Beſitzer
mit einer unrechtmaͤßigen Gewalt aus ſeinem
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/216>, abgerufen am 25.11.2024.
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