Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.Vorrede. wird aber am Ende vollständig erhellen,daß ich in dem weitläuftigen Wercke des Natur- und Völckerrechts keine unnütze Um- schweife gesucht, sondern auf keinem kür- tzern Wege zum Ziel kommen können. Jm übrigen damit ich es gleichsam auf einmahl vorstelle, wie alle Verbindlich- keiten und alle Rechte der Menschen aus der menschlichen Natur selbst, als aus ihrer Qvelle, fließen; so muß ich noch eines und das andere melden. Der Mensch besteht aus Seele und Leib; und wie dieser aus verschiedenen Werckzeugen zusammengesetzt ist, deren Verrichtungen zusammengenommen auf einen gemeinsa- men Endzweck losgehen, z. E. wie die Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch das Leben bestehet, auf die Erhaltung des gantzen Körpers, oder des Lebens und dessen Gesundheit abzwecken; so wohnen auch der Seele verschiedene Ver- mögen bey, durch deren vereinigten Ge- brauch der einer Vernunft theilhaftige Mensch, welche ihn eben von den übri- gen Thieren unterscheidet, geschickt ge- macht wird ein der Vernunft gemäßes Leben zu führen. Diese Geschicklichkeit der
Vorrede. wird aber am Ende vollſtaͤndig erhellen,daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des Natur- und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um- ſchweife geſucht, ſondern auf keinem kuͤr- tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen. Jm uͤbrigen damit ich es gleichſam auf einmahl vorſtelle, wie alle Verbindlich- keiten und alle Rechte der Menſchen aus der menſchlichen Natur ſelbſt, als aus ihrer Qvelle, fließen; ſo muß ich noch eines und das andere melden. Der Menſch beſteht aus Seele und Leib; und wie dieſer aus verſchiedenen Werckzeugen zuſammengeſetzt iſt, deren Verrichtungen zuſammengenommen auf einen gemeinſa- men Endzweck losgehen, z. E. wie die Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch das Leben beſtehet, auf die Erhaltung des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens und deſſen Geſundheit abzwecken; ſo wohnen auch der Seele verſchiedene Ver- moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge- brauch der einer Vernunft theilhaftige Menſch, welche ihn eben von den uͤbri- gen Thieren unterſcheidet, geſchickt ge- macht wird ein der Vernunft gemaͤßes Leben zu fuͤhren. Dieſe Geſchicklichkeit der
<TEI> <text> <front> <div type="preface"> <p><pb facs="#f0022"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Vorrede.</hi></fw><lb/> wird aber am Ende vollſtaͤndig erhellen,<lb/> daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des<lb/> Natur- und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um-<lb/> ſchweife geſucht, ſondern auf keinem kuͤr-<lb/> tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen.<lb/> Jm uͤbrigen damit ich es gleichſam auf<lb/> einmahl vorſtelle, wie alle Verbindlich-<lb/> keiten und alle Rechte der Menſchen aus<lb/> der menſchlichen Natur ſelbſt, als aus<lb/> ihrer Qvelle, fließen; ſo muß ich noch<lb/> eines und das andere melden. Der<lb/> Menſch beſteht aus Seele und Leib; und<lb/> wie dieſer aus verſchiedenen Werckzeugen<lb/> zuſammengeſetzt iſt, deren Verrichtungen<lb/> zuſammengenommen auf einen gemeinſa-<lb/> men Endzweck losgehen, z. E. wie die<lb/> Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch<lb/> das Leben beſtehet, auf die Erhaltung<lb/> des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens<lb/> und deſſen Geſundheit abzwecken; ſo<lb/> wohnen auch der Seele verſchiedene Ver-<lb/> moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge-<lb/> brauch der einer Vernunft theilhaftige<lb/> Menſch, welche ihn eben von den uͤbri-<lb/> gen Thieren unterſcheidet, geſchickt ge-<lb/> macht wird ein der Vernunft gemaͤßes<lb/> Leben zu fuͤhren. Dieſe Geſchicklichkeit<lb/> <fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0022]
Vorrede.
wird aber am Ende vollſtaͤndig erhellen,
daß ich in dem weitlaͤuftigen Wercke des
Natur- und Voͤlckerrechts keine unnuͤtze Um-
ſchweife geſucht, ſondern auf keinem kuͤr-
tzern Wege zum Ziel kommen koͤnnen.
Jm uͤbrigen damit ich es gleichſam auf
einmahl vorſtelle, wie alle Verbindlich-
keiten und alle Rechte der Menſchen aus
der menſchlichen Natur ſelbſt, als aus
ihrer Qvelle, fließen; ſo muß ich noch
eines und das andere melden. Der
Menſch beſteht aus Seele und Leib; und
wie dieſer aus verſchiedenen Werckzeugen
zuſammengeſetzt iſt, deren Verrichtungen
zuſammengenommen auf einen gemeinſa-
men Endzweck losgehen, z. E. wie die
Verrichtungen der Werckzeuge, wodurch
das Leben beſtehet, auf die Erhaltung
des gantzen Koͤrpers, oder des Lebens
und deſſen Geſundheit abzwecken; ſo
wohnen auch der Seele verſchiedene Ver-
moͤgen bey, durch deren vereinigten Ge-
brauch der einer Vernunft theilhaftige
Menſch, welche ihn eben von den uͤbri-
gen Thieren unterſcheidet, geſchickt ge-
macht wird ein der Vernunft gemaͤßes
Leben zu fuͤhren. Dieſe Geſchicklichkeit
der
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/22 |
Zitationshilfe: | Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/22>, abgerufen am 16.07.2024. |