Die Ge- walt der Noth- wendig- keit in Sachen, die man sich von andern anschaf- fen muß.
Daher erhellet leicht ferner, daß die äus- serste Noth einem das Recht gebe ei- nen andern zu zwingen, daß er für ei- nen billigen Preis, oder für eine Sa- che, die eben so viel werth ist, uns eine Sache überlasse. Also können z. E. bey einer Theuerung diejenigen, welche Ge- treyde im Ueberfluß haben, zum Verkaufen gezwungen werden; und wer Theuerung ver- ursacht, kann gezwungen werden, das Ge- treyde um einen billigen Preis zu verkaufen.
§. 308.
Das Recht der Noth- wendig- keit.
Das Recht, welches allein die Nothwen- digkeit zu gewissen Handlungen, die sonst nicht erlaubt sind, uns giebt, weil ohne die- selben einer Verbindlichkeit, von welcher man sich nicht befreyen kann, kein Genügen ge- schehen könnte, wird das Recht der Noth- wendigkeit(jus necessitatis) genannt. Und daher erhellet, daß diejenige Handlung, zu welcher uns die Nothwendigkeit das Recht giebt, das einige Mittel seyn müsse einer Verbindlichkeit, von welcher man sich nicht befreyen kann, ein Genügen zu leisten; und es ist nicht weniger klar, daß das Recht der Noth- wendigkeit selbst durch das Gesetz der Natur uns gegeben werde (§. 46.). Es kann daher gar nicht wiedersprechend scheinen, daß noch ein Recht der Nothwendigkeit, in Ansehung des nothwendigen Gebrauchs der
Sachen,
II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht
§. 307.
Die Ge- walt der Noth- wendig- keit in Sachen, die man ſich von andern anſchaf- fen muß.
Daher erhellet leicht ferner, daß die aͤuſ- ſerſte Noth einem das Recht gebe ei- nen andern zu zwingen, daß er fuͤr ei- nen billigen Preis, oder fuͤr eine Sa- che, die eben ſo viel werth iſt, uns eine Sache uͤberlaſſe. Alſo koͤnnen z. E. bey einer Theuerung diejenigen, welche Ge- treyde im Ueberfluß haben, zum Verkaufen gezwungen werden; und wer Theuerung ver- urſacht, kann gezwungen werden, das Ge- treyde um einen billigen Preis zu verkaufen.
§. 308.
Das Recht der Noth- wendig- keit.
Das Recht, welches allein die Nothwen- digkeit zu gewiſſen Handlungen, die ſonſt nicht erlaubt ſind, uns giebt, weil ohne die- ſelben einer Verbindlichkeit, von welcher man ſich nicht befreyen kann, kein Genuͤgen ge- ſchehen koͤnnte, wird das Recht der Noth- wendigkeit(jus neceſſitatis) genannt. Und daher erhellet, daß diejenige Handlung, zu welcher uns die Nothwendigkeit das Recht giebt, das einige Mittel ſeyn muͤſſe einer Verbindlichkeit, von welcher man ſich nicht befreyen kann, ein Genuͤgen zu leiſten; und es iſt nicht weniger klar, daß das Recht der Noth- wendigkeit ſelbſt durch das Geſetz der Natur uns gegeben werde (§. 46.). Es kann daher gar nicht wiederſprechend ſcheinen, daß noch ein Recht der Nothwendigkeit, in Anſehung des nothwendigen Gebrauchs der
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II. Th. 4. H. Vom uͤberbliebenen Recht
§. 307.
Daher erhellet leicht ferner, daß die aͤuſ-
ſerſte Noth einem das Recht gebe ei-
nen andern zu zwingen, daß er fuͤr ei-
nen billigen Preis, oder fuͤr eine Sa-
che, die eben ſo viel werth iſt, uns
eine Sache uͤberlaſſe. Alſo koͤnnen z. E.
bey einer Theuerung diejenigen, welche Ge-
treyde im Ueberfluß haben, zum Verkaufen
gezwungen werden; und wer Theuerung ver-
urſacht, kann gezwungen werden, das Ge-
treyde um einen billigen Preis zu verkaufen.
§. 308.
Das Recht, welches allein die Nothwen-
digkeit zu gewiſſen Handlungen, die ſonſt
nicht erlaubt ſind, uns giebt, weil ohne die-
ſelben einer Verbindlichkeit, von welcher man
ſich nicht befreyen kann, kein Genuͤgen ge-
ſchehen koͤnnte, wird das Recht der Noth-
wendigkeit (jus neceſſitatis) genannt. Und
daher erhellet, daß diejenige Handlung,
zu welcher uns die Nothwendigkeit
das Recht giebt, das einige Mittel
ſeyn muͤſſe einer Verbindlichkeit, von
welcher man ſich nicht befreyen kann,
ein Genuͤgen zu leiſten; und es iſt nicht
weniger klar, daß das Recht der Noth-
wendigkeit ſelbſt durch das Geſetz der
Natur uns gegeben werde (§. 46.). Es
kann daher gar nicht wiederſprechend ſcheinen,
daß noch ein Recht der Nothwendigkeit, in
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/226>, abgerufen am 26.11.2024.
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