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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

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Von den Servituten.
Boden, oder Abtritt leitet; die Servitur aber
die Traufe nicht wegzunehmen (servi-
tus stillicidii non avertendi)
wenn er seine
Traufe nicht anders, als in unser Haus, oder
in unsern Garten leiten darf. Die Servi-
tut eine Gosse durch des andern Haus
zu führen
(servitus cloacae immittendae),
wenn er leiden muß, daß der Nachbar den
Unflat, welcher sich auf dem Grund und Bo-
den des andern gesammlet hat, durch seinen
Grund und Boden abführet; die Servi-
tut einen Abtritt zu leiden
(servitus
cloacae habendae),
wenn der Nachbar leiden
muß, daß wir einen Abtritt an seiner Wand ha-
ben. Daher versteht man auch, was die Ser-
vitut eine Mistgrube zu leiden
(servitus
sterquilinii habendi)
sey. Der Durchgang
(Fußsteig, iter) ist die Servitut, da wir zu leiden
gehalten sind, daß jemand durch unser Gut zu
seinem Gute um dieses Guts willen gehen darf:
Gehen (ire) aber sagt man im Rechte auch
von dem, der mit fremden Füssen gehet, z. E.
wenn einer reitet, oder in der Sänfte getra-
gen wird. Der Trieb (actus) ist die Ser-
vitut, da man leiden muß, daß der Eigenthü-
mer eines andern Guts Lastvieh, oder einen
Wagen durch das dienstbahre Gut führen darf;
und dieser ist entweder der völlige (plenus)
wenn man auch mit angespannten Pferden,
oder Ochsen durchfahren darf; oder der nicht
völlige (minus plenus), wenn man bloß das
Vieh durchtreiben, aber nicht mit einem ange-

spann-

Von den Servituten.
Boden, oder Abtritt leitet; die Servitur aber
die Traufe nicht wegzunehmen (ſervi-
tus ſtillicidii non avertendi)
wenn er ſeine
Traufe nicht anders, als in unſer Haus, oder
in unſern Garten leiten darf. Die Servi-
tut eine Goſſe durch des andern Haus
zu fuͤhren
(ſervitus cloacæ immittendæ),
wenn er leiden muß, daß der Nachbar den
Unflat, welcher ſich auf dem Grund und Bo-
den des andern geſammlet hat, durch ſeinen
Grund und Boden abfuͤhret; die Servi-
tut einen Abtritt zu leiden
(ſervitus
cloacæ habendæ),
wenn der Nachbar leiden
muß, daß wir einen Abtritt an ſeiner Wand ha-
ben. Daher verſteht man auch, was die Ser-
vitut eine Miſtgrube zu leiden
(ſervitus
ſterquilinii habendi)
ſey. Der Durchgang
(Fußſteig, iter) iſt die Servitut, da wir zu leiden
gehalten ſind, daß jemand durch unſer Gut zu
ſeinem Gute um dieſes Guts willen gehen darf:
Gehen (ire) aber ſagt man im Rechte auch
von dem, der mit fremden Fuͤſſen gehet, z. E.
wenn einer reitet, oder in der Saͤnfte getra-
gen wird. Der Trieb (actus) iſt die Ser-
vitut, da man leiden muß, daß der Eigenthuͤ-
mer eines andern Guts Laſtvieh, oder einen
Wagen durch das dienſtbahre Gut fuͤhren darf;
und dieſer iſt entweder der voͤllige (plenus)
wenn man auch mit angeſpannten Pferden,
oder Ochſen durchfahren darf; oder der nicht
voͤllige (minus plenus), wenn man bloß das
Vieh durchtreiben, aber nicht mit einem ange-

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[495/0531] Von den Servituten. Boden, oder Abtritt leitet; die Servitur aber die Traufe nicht wegzunehmen (ſervi- tus ſtillicidii non avertendi) wenn er ſeine Traufe nicht anders, als in unſer Haus, oder in unſern Garten leiten darf. Die Servi- tut eine Goſſe durch des andern Haus zu fuͤhren (ſervitus cloacæ immittendæ), wenn er leiden muß, daß der Nachbar den Unflat, welcher ſich auf dem Grund und Bo- den des andern geſammlet hat, durch ſeinen Grund und Boden abfuͤhret; die Servi- tut einen Abtritt zu leiden (ſervitus cloacæ habendæ), wenn der Nachbar leiden muß, daß wir einen Abtritt an ſeiner Wand ha- ben. Daher verſteht man auch, was die Ser- vitut eine Miſtgrube zu leiden (ſervitus ſterquilinii habendi) ſey. Der Durchgang (Fußſteig, iter) iſt die Servitut, da wir zu leiden gehalten ſind, daß jemand durch unſer Gut zu ſeinem Gute um dieſes Guts willen gehen darf: Gehen (ire) aber ſagt man im Rechte auch von dem, der mit fremden Fuͤſſen gehet, z. E. wenn einer reitet, oder in der Saͤnfte getra- gen wird. Der Trieb (actus) iſt die Ser- vitut, da man leiden muß, daß der Eigenthuͤ- mer eines andern Guts Laſtvieh, oder einen Wagen durch das dienſtbahre Gut fuͤhren darf; und dieſer iſt entweder der voͤllige (plenus) wenn man auch mit angeſpannten Pferden, oder Ochſen durchfahren darf; oder der nicht voͤllige (minus plenus), wenn man bloß das Vieh durchtreiben, aber nicht mit einem ange- ſpann-

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Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/531>, abgerufen am 22.11.2024.