tur gemäß ist, führen will, so und nicht an-leidende Verbind- lichkeit. ders seine Handlungen bestimme. Daher nennet man das sittlich unmöglich(mo- raliter impossibile), was der Natur des Menschen, als eines vernünftig handelnden Wesens, wiederspricht; sittlich mög- lich(moraliter possibile) aber ist, was derselben nicht wiederspricht, oder mit derselben übereinkömt, das ist, wel- ches einen hinreichenden Grund in der- selben hat. Und sittlich nothwen- dig(moraliter necessarium) ist dasjenige, dessen Gegentheil (moralisch) sittlich unmög- lich ist. Die sittliche Nothwendigkeit zu handeln selbst ist die Verbindlichkeit (obligatio), welche wir die leidende (obligationem passivam), in Gegensatze ge- gen die thätige (§. 36.), nennen. Gemei- niglich nennt man sie schlechtweg die Ver- bindlichkeit (die Obligation), und giebt auf die thätige Verbindlichkeit nicht Achtung. Daß niemand dazu verbunden wer- den könne, was entweder an und vor sich selbst, oder ihm unmöglich ist; darf nicht bewiesen werden.
§. 38.Wie die natürli- che Ver- bindlich- keit be- schaf- fen sey.
Diese Verbindlichkeit aber so wohl die thätige, als leidende: welche selbst aus der Natur kömt, wird die natürliche(natu- ralis) genant. Daß also die natürli-
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dem Rechte und Geſetze ꝛc.
tur gemaͤß iſt, fuͤhren will, ſo und nicht an-leidende Verbind- lichkeit. ders ſeine Handlungen beſtimme. Daher nennet man das ſittlich unmoͤglich(mo- raliter impoſſibile), was der Natur des Menſchen, als eines vernuͤnftig handelnden Weſens, wiederſpricht; ſittlich moͤg- lich(moraliter poſſibile) aber iſt, was derſelben nicht wiederſpricht, oder mit derſelben uͤbereinkoͤmt, das iſt, wel- ches einen hinreichenden Grund in der- ſelben hat. Und ſittlich nothwen- dig(moraliter neceſſarium) iſt dasjenige, deſſen Gegentheil (moraliſch) ſittlich unmoͤg- lich iſt. Die ſittliche Nothwendigkeit zu handeln ſelbſt iſt die Verbindlichkeit (obligatio), welche wir die leidende (obligationem paſſivam), in Gegenſatze ge- gen die thaͤtige (§. 36.), nennen. Gemei- niglich nennt man ſie ſchlechtweg die Ver- bindlichkeit (die Obligation), und giebt auf die thaͤtige Verbindlichkeit nicht Achtung. Daß niemand dazu verbunden wer- den koͤnne, was entweder an und vor ſich ſelbſt, oder ihm unmoͤglich iſt; darf nicht bewieſen werden.
§. 38.Wie die natuͤrli- che Ver- bindlich- keit be- ſchaf- fen ſey.
Dieſe Verbindlichkeit aber ſo wohl die thaͤtige, als leidende: welche ſelbſt aus der Natur koͤmt, wird die natuͤrliche(natu- ralis) genant. Daß alſo die natuͤrli-
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dem Rechte und Geſetze ꝛc.
tur gemaͤß iſt, fuͤhren will, ſo und nicht an-
ders ſeine Handlungen beſtimme. Daher
nennet man das ſittlich unmoͤglich (mo-
raliter impoſſibile), was der Natur des
Menſchen, als eines vernuͤnftig handelnden
Weſens, wiederſpricht; ſittlich moͤg-
lich (moraliter poſſibile) aber iſt,
was derſelben nicht wiederſpricht, oder
mit derſelben uͤbereinkoͤmt, das iſt, wel-
ches einen hinreichenden Grund in der-
ſelben hat. Und ſittlich nothwen-
dig (moraliter neceſſarium) iſt dasjenige,
deſſen Gegentheil (moraliſch) ſittlich unmoͤg-
lich iſt. Die ſittliche Nothwendigkeit zu
handeln ſelbſt iſt die Verbindlichkeit
(obligatio), welche wir die leidende
(obligationem paſſivam), in Gegenſatze ge-
gen die thaͤtige (§. 36.), nennen. Gemei-
niglich nennt man ſie ſchlechtweg die Ver-
bindlichkeit (die Obligation), und giebt auf
die thaͤtige Verbindlichkeit nicht Achtung.
Daß niemand dazu verbunden wer-
den koͤnne, was entweder an und
vor ſich ſelbſt, oder ihm unmoͤglich
iſt; darf nicht bewieſen werden.
leidende
Verbind-
lichkeit.
§. 38.
Dieſe Verbindlichkeit aber ſo wohl die
thaͤtige, als leidende: welche ſelbſt aus der
Natur koͤmt, wird die natuͤrliche (natu-
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/61>, abgerufen am 21.11.2024.
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