thanen, nach seinem Belieben, und al- le öffentliche Handlungen lencket er vornehmlich auf seinen eigenen Nu- tzen, da er hingegen den Nutzen der Unterthanen nur als einen Neben- zweck ansiehet. Wenn nun aber dies al- les dem Vertrage, nach welchem ein Staat aufgerichtet ist, zuwiderläuft (§. 972.); so ist klar, daß das despotische Reich da- her seinen Ursprung nicht nehmen, und auch aus dem Endzweck eines Staates nicht hergeleitet werden könne. Un- terdessen da ein Volck einem andern die Herr- schaft über sich auftragen kann, wie es sol- ches gut befindet (§. 982.); so stehet es ihm auch frey einem Könige eine de- spotische Herrschaft über sich zu über- lassen (§. 977.). Und weil sich alle Unter- thanen in einem herrschaftlichen Rei- che in einer persönlichen Knechtschaft befinden, diese aber an sich nicht unerlaubt ist (§. 948.); so muß auch ein herrschaft- liches Reich an sich nicht unerlaubt, und wenn das Volck in solches willi- get, es nicht ungerecht seyn (§. 83.). Weil aber im übrigen ein Herr verbunden ist seinen Knecht zu lieben, und ihm alle diejeni- gen Liebespflichten zu erweisen, welche ein Mensch einem andern zu leisten schuldig ist (§. 952.); so erfordert es auch in einem herrschaftlichen Reiche die Schuldig- keit eines Königes und Beherrschers,
daß
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Von den verſchiedenen Arten der Republick.
thanen, nach ſeinem Belieben, und al- le oͤffentliche Handlungen lencket er vornehmlich auf ſeinen eigenen Nu- tzen, da er hingegen den Nutzen der Unterthanen nur als einen Neben- zweck anſiehet. Wenn nun aber dies al- les dem Vertrage, nach welchem ein Staat aufgerichtet iſt, zuwiderlaͤuft (§. 972.); ſo iſt klar, daß das deſpotiſche Reich da- her ſeinen Urſprung nicht nehmen, und auch aus dem Endzweck eines Staates nicht hergeleitet werden koͤnne. Un- terdeſſen da ein Volck einem andern die Herr- ſchaft uͤber ſich auftragen kann, wie es ſol- ches gut befindet (§. 982.); ſo ſtehet es ihm auch frey einem Koͤnige eine de- ſpotiſche Herrſchaft uͤber ſich zu uͤber- laſſen (§. 977.). Und weil ſich alle Unter- thanen in einem herrſchaftlichen Rei- che in einer perſoͤnlichen Knechtſchaft befinden, dieſe aber an ſich nicht unerlaubt iſt (§. 948.); ſo muß auch ein herrſchaft- liches Reich an ſich nicht unerlaubt, und wenn das Volck in ſolches willi- get, es nicht ungerecht ſeyn (§. 83.). Weil aber im uͤbrigen ein Herr verbunden iſt ſeinen Knecht zu lieben, und ihm alle diejeni- gen Liebespflichten zu erweiſen, welche ein Menſch einem andern zu leiſten ſchuldig iſt (§. 952.); ſo erfordert es auch in einem herrſchaftlichen Reiche die Schuldig- keit eines Koͤniges und Beherrſchers,
daß
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Von den verſchiedenen Arten der Republick.
thanen, nach ſeinem Belieben, und al-
le oͤffentliche Handlungen lencket er
vornehmlich auf ſeinen eigenen Nu-
tzen, da er hingegen den Nutzen der
Unterthanen nur als einen Neben-
zweck anſiehet. Wenn nun aber dies al-
les dem Vertrage, nach welchem ein Staat
aufgerichtet iſt, zuwiderlaͤuft (§. 972.); ſo
iſt klar, daß das deſpotiſche Reich da-
her ſeinen Urſprung nicht nehmen, und
auch aus dem Endzweck eines Staates
nicht hergeleitet werden koͤnne. Un-
terdeſſen da ein Volck einem andern die Herr-
ſchaft uͤber ſich auftragen kann, wie es ſol-
ches gut befindet (§. 982.); ſo ſtehet es
ihm auch frey einem Koͤnige eine de-
ſpotiſche Herrſchaft uͤber ſich zu uͤber-
laſſen (§. 977.). Und weil ſich alle Unter-
thanen in einem herrſchaftlichen Rei-
che in einer perſoͤnlichen Knechtſchaft
befinden, dieſe aber an ſich nicht unerlaubt
iſt (§. 948.); ſo muß auch ein herrſchaft-
liches Reich an ſich nicht unerlaubt,
und wenn das Volck in ſolches willi-
get, es nicht ungerecht ſeyn (§. 83.).
Weil aber im uͤbrigen ein Herr verbunden iſt
ſeinen Knecht zu lieben, und ihm alle diejeni-
gen Liebespflichten zu erweiſen, welche ein
Menſch einem andern zu leiſten ſchuldig iſt
(§. 952.); ſo erfordert es auch in einem
herrſchaftlichen Reiche die Schuldig-
keit eines Koͤniges und Beherrſchers,
daß
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/749>, abgerufen am 22.11.2024.
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