Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

dem Rechte und Gesetze etc.
so erstreckt sich keine Verbindlichkeit
über unser Vermögen
(§. 37.).

§. 61.

Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei-Liebes-
Dienste
und der-
selben
Versa-
gung.

stung ein Mensch dem andern natürlicher
Weise verbunden ist, werden gemeiniglich
Liebes-Dienste (officia humanitatis), Höf-
lichkeits-Pflichten genennt. Dieselben ver-
sagt man andern also mit Recht, wenn
es nicht in unserm Vermögen ist, sie
zu erweisen, oder der andere unsere
Hülffe nicht braucht
(§. 59.). Folglich
wenn die Person, von der etwas be-
gehret wird, es nicht thun kan, oder
darf
(§. 60.); oder wenn dasjenige,
was geschehen soll, an sich, oder ver-
möge des Gesetzes unmöglich ist;
2)
oder die Person, welcher der Dienst ge-
leistet werden soll, nicht so bedürftig
ist, daß sie sich selbst nicht zu helffen
weiß
(§. 17.).

§. 62.

Uebrigens ist diejenige Verbindlichkeit eineEine ur-
sprüngli-
che und
eine her-
geleitete
Verbind-
lichkeit.

ursprüngliche (obligatio primitiva), die
ihren nächsten Grund in dem Wesen und in
der Natur des Menschen hat; hingegen eine
hergeleitete (obligatio derivativa), welche
ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit,
oder in andern Verbindlichkeiten und Rech-
ten zugleich hat. Eben dieses gilt von den
Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver-
bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46),

auch
C 4

dem Rechte und Geſetze ꝛc.
ſo erſtreckt ſich keine Verbindlichkeit
uͤber unſer Vermoͤgen
(§. 37.).

§. 61.

Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei-Liebes-
Dienſte
und der-
ſelben
Verſa-
gung.

ſtung ein Menſch dem andern natuͤrlicher
Weiſe verbunden iſt, werden gemeiniglich
Liebes-Dienſte (officia humanitatis), Hoͤf-
lichkeits-Pflichten genennt. Dieſelben ver-
ſagt man andern alſo mit Recht, wenn
es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt, ſie
zu erweiſen, oder der andere unſere
Huͤlffe nicht braucht
(§. 59.). Folglich
wenn die Perſon, von der etwas be-
gehret wird, es nicht thun kan, oder
darf
(§. 60.); oder wenn dasjenige,
was geſchehen ſoll, an ſich, oder ver-
moͤge des Geſetzes unmoͤglich iſt;
2)
oder die Perſon, welcher der Dienſt ge-
leiſtet werden ſoll, nicht ſo beduͤrftig
iſt, daß ſie ſich ſelbſt nicht zu helffen
weiß
(§. 17.).

§. 62.

Uebrigens iſt diejenige Verbindlichkeit eineEine ur-
ſpruͤngli-
che und
eine her-
geleitete
Verbind-
lichkeit.

urſpruͤngliche (obligatio primitiva), die
ihren naͤchſten Grund in dem Weſen und in
der Natur des Menſchen hat; hingegen eine
hergeleitete (obligatio derivativa), welche
ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit,
oder in andern Verbindlichkeiten und Rech-
ten zugleich hat. Eben dieſes gilt von den
Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver-
bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46),

auch
C 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0075" n="39"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">dem Rechte und Ge&#x017F;etze &#xA75B;c.</hi></fw><lb/>
&#x017F;o <hi rendition="#fr">er&#x017F;treckt &#x017F;ich keine Verbindlichkeit<lb/>
u&#x0364;ber un&#x017F;er Vermo&#x0364;gen</hi> (§. 37.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 61.</head><lb/>
              <p>Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei-<note place="right">Liebes-<lb/>
Dien&#x017F;te<lb/>
und der-<lb/>
&#x017F;elben<lb/>
Ver&#x017F;a-<lb/>
gung.</note><lb/>
&#x017F;tung ein Men&#x017F;ch dem andern natu&#x0364;rlicher<lb/>
Wei&#x017F;e verbunden i&#x017F;t, werden gemeiniglich<lb/><hi rendition="#fr">Liebes-Dien&#x017F;te</hi> <hi rendition="#aq">(officia humanitatis),</hi> Ho&#x0364;f-<lb/>
lichkeits-Pflichten genennt. Die&#x017F;elben <hi rendition="#fr">ver-<lb/>
&#x017F;agt man andern al&#x017F;o mit Recht, wenn<lb/>
es nicht in un&#x017F;erm Vermo&#x0364;gen i&#x017F;t, &#x017F;ie<lb/>
zu erwei&#x017F;en, oder der andere un&#x017F;ere<lb/>
Hu&#x0364;lffe nicht braucht</hi> (§. 59.). Folglich<lb/><hi rendition="#fr">wenn die Per&#x017F;on, von der etwas be-<lb/>
gehret wird, es nicht thun kan, oder<lb/>
darf</hi> (§. 60.); <hi rendition="#fr">oder wenn dasjenige,<lb/>
was ge&#x017F;chehen &#x017F;oll, an &#x017F;ich, oder ver-<lb/>
mo&#x0364;ge des Ge&#x017F;etzes unmo&#x0364;glich i&#x017F;t;</hi> 2)<lb/>
oder <hi rendition="#fr">die Per&#x017F;on, welcher der Dien&#x017F;t ge-<lb/>
lei&#x017F;tet werden &#x017F;oll, nicht &#x017F;o bedu&#x0364;rftig<lb/>
i&#x017F;t, daß &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t nicht zu helffen<lb/>
weiß</hi> (§. 17.).</p>
            </div><lb/>
            <div n="4">
              <head>§. 62.</head><lb/>
              <p>Uebrigens i&#x017F;t diejenige Verbindlichkeit eine<note place="right">Eine ur-<lb/>
&#x017F;pru&#x0364;ngli-<lb/>
che und<lb/>
eine her-<lb/>
geleitete<lb/>
Verbind-<lb/>
lichkeit.</note><lb/><hi rendition="#fr">ur&#x017F;pru&#x0364;ngliche</hi> <hi rendition="#aq">(obligatio primitiva),</hi> die<lb/>
ihren na&#x0364;ch&#x017F;ten Grund in dem We&#x017F;en und in<lb/>
der Natur des Men&#x017F;chen hat; hingegen eine<lb/><hi rendition="#fr">hergeleitete</hi> <hi rendition="#aq">(obligatio derivativa),</hi> welche<lb/>
ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit,<lb/>
oder in andern Verbindlichkeiten und Rech-<lb/>
ten zugleich hat. Eben die&#x017F;es gilt von den<lb/>
Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver-<lb/>
bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46),<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">C 4</fw><fw place="bottom" type="catch">auch</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[39/0075] dem Rechte und Geſetze ꝛc. ſo erſtreckt ſich keine Verbindlichkeit uͤber unſer Vermoͤgen (§. 37.). §. 61. Die Pflichten gegen andere, zu deren Lei- ſtung ein Menſch dem andern natuͤrlicher Weiſe verbunden iſt, werden gemeiniglich Liebes-Dienſte (officia humanitatis), Hoͤf- lichkeits-Pflichten genennt. Dieſelben ver- ſagt man andern alſo mit Recht, wenn es nicht in unſerm Vermoͤgen iſt, ſie zu erweiſen, oder der andere unſere Huͤlffe nicht braucht (§. 59.). Folglich wenn die Perſon, von der etwas be- gehret wird, es nicht thun kan, oder darf (§. 60.); oder wenn dasjenige, was geſchehen ſoll, an ſich, oder ver- moͤge des Geſetzes unmoͤglich iſt; 2) oder die Perſon, welcher der Dienſt ge- leiſtet werden ſoll, nicht ſo beduͤrftig iſt, daß ſie ſich ſelbſt nicht zu helffen weiß (§. 17.). Liebes- Dienſte und der- ſelben Verſa- gung. §. 62. Uebrigens iſt diejenige Verbindlichkeit eine urſpruͤngliche (obligatio primitiva), die ihren naͤchſten Grund in dem Weſen und in der Natur des Menſchen hat; hingegen eine hergeleitete (obligatio derivativa), welche ihren Grund in einer andern Verbindlichkeit, oder in andern Verbindlichkeiten und Rech- ten zugleich hat. Eben dieſes gilt von den Pflichten (§. 57.); und weil aus den Ver- bindlichkeiten die Rechte herkommen (§. 46), auch Eine ur- ſpruͤngli- che und eine her- geleitete Verbind- lichkeit. C 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/75
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/75>, abgerufen am 24.11.2024.