Man nennet es ein Wahlreich(regnum electivum), wenn das Volck in Ermanglung eines Königes entweder den Nachfolger selbst erwählet, oder wenigstens das Wahlrecht an- dern anvertrauet hat. Jst ein König ge- storben, so ist vor sich offenbar, daß die Herrschaft wieder auf das Volck zu- rücke falle, und es derowegen auf des- sen Willen ankomme, ob es einen neuen König erwählen, oder aber ei- ne andere Verfaßung der Republick einführen wolle. Der Zustand einer Re- publick, worin der königliche Thron ledig ist, heisset ein Zwischenreich(interregnum); und in diesem kann das Volck die Herr- schaft entweder selbst, oder durch ei- nen andern, oder durch mehrere ver- walten, folglich Reichsverweser(vica- rios regni)bestellen, deren Recht nach den Grundgesetzen abgemessen werden muß (§. 984.): Und dies alles hebet so gleich an, als das Recht des Königs erloschen ist.
§. 1006.
Von der Wahl ei- nes Kö- niges.
Ursprünglich hat das Volck das Recht die Herrschaft auf jemand zu bringen (§. 982.): Folglich kann sich entweder das gantze Volck das Recht einen König zu er- wählen vorbehalten, oder es kann sol- ches schlechthin andern übergeben, oder endlich kann es gewisse Wahlgesetz
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III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck.
§. 1005.
Vom Wahl- reiche und Zwi- ſchenrei- che.
Man nennet es ein Wahlreich(regnum electivum), wenn das Volck in Ermanglung eines Koͤniges entweder den Nachfolger ſelbſt erwaͤhlet, oder wenigſtens das Wahlrecht an- dern anvertrauet hat. Jſt ein Koͤnig ge- ſtorben, ſo iſt vor ſich offenbar, daß die Herrſchaft wieder auf das Volck zu- ruͤcke falle, und es derowegen auf deſ- ſen Willen ankomme, ob es einen neuen Koͤnig erwaͤhlen, oder aber ei- ne andere Verfaßung der Republick einfuͤhren wolle. Der Zuſtand einer Re- publick, worin der koͤnigliche Thron ledig iſt, heiſſet ein Zwiſchenreich(interregnum); und in dieſem kann das Volck die Herr- ſchaft entweder ſelbſt, oder durch ei- nen andern, oder durch mehrere ver- walten, folglich Reichsverweſer(vica- rios regni)beſtellen, deren Recht nach den Grundgeſetzen abgemeſſen werden muß (§. 984.): Und dies alles hebet ſo gleich an, als das Recht des Koͤnigs erloſchen iſt.
§. 1006.
Von der Wahl ei- nes Koͤ- niges.
Urſpruͤnglich hat das Volck das Recht die Herrſchaft auf jemand zu bringen (§. 982.): Folglich kann ſich entweder das gantze Volck das Recht einen Koͤnig zu er- waͤhlen vorbehalten, oder es kann ſol- ches ſchlechthin andern uͤbergeben, oder endlich kann es gewiſſe Wahlgeſetz
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III. Theil 2. Abth. 2. Hauptſtuͤck.
§. 1005.
Man nennet es ein Wahlreich (regnum
electivum), wenn das Volck in Ermanglung
eines Koͤniges entweder den Nachfolger ſelbſt
erwaͤhlet, oder wenigſtens das Wahlrecht an-
dern anvertrauet hat. Jſt ein Koͤnig ge-
ſtorben, ſo iſt vor ſich offenbar, daß die
Herrſchaft wieder auf das Volck zu-
ruͤcke falle, und es derowegen auf deſ-
ſen Willen ankomme, ob es einen
neuen Koͤnig erwaͤhlen, oder aber ei-
ne andere Verfaßung der Republick
einfuͤhren wolle. Der Zuſtand einer Re-
publick, worin der koͤnigliche Thron ledig iſt,
heiſſet ein Zwiſchenreich (interregnum);
und in dieſem kann das Volck die Herr-
ſchaft entweder ſelbſt, oder durch ei-
nen andern, oder durch mehrere ver-
walten, folglich Reichsverweſer (vica-
rios regni) beſtellen, deren Recht nach
den Grundgeſetzen abgemeſſen werden
muß (§. 984.): Und dies alles hebet ſo
gleich an, als das Recht des Koͤnigs
erloſchen iſt.
§. 1006.
Urſpruͤnglich hat das Volck das Recht die
Herrſchaft auf jemand zu bringen (§. 982.):
Folglich kann ſich entweder das gantze
Volck das Recht einen Koͤnig zu er-
waͤhlen vorbehalten, oder es kann ſol-
ches ſchlechthin andern uͤbergeben, oder
endlich kann es gewiſſe Wahlgeſetz
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 720. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/756>, abgerufen am 22.11.2024.
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