(§. 778.). Ein Beschuldigter(inculpa- tus) heisset derjenige, welcher eines Verbre- chens oder einer Missethat halber angeklagt wird. Solte nun ein Beschuldigter, oder auch wohl ein schuldiger, als welchem man ebenfalls die Vertheidigung nicht versa- gen kann (§. 1031.), aus Furcht vor dem Gefängniß entwichen seyn, und dem Richter abwesend versprechen, daß er sich auf geschehene Vorladung ieder- zeit vor Gerichte stellen, und seine Sa- che ausführen wolle, wenn man ihn nur versichere, daß er nicht solle ein- gestecket werden, welches man ein sicher Geleite(salvum conductum) nennet; so muß der Richter ihm dieses geben, doch, damit er hernach das Gericht nicht teuschen könne, dergestalt, daß er darü- ber vorher die gehörige Versicherung leiste, daß er allezeit vor Gericht er- scheinen wolle. Unterdessen wenn er durch das Urtheil des Richters sollte zur Lebens- oder harter Leibesstrafe verdammet, oder auf die Tortur ge- bracht werden, und es fiele alsdenn der Verdacht, daß er flüchtig worden würde, auf ihn, so höret das sichere Geleite auf; ja, sollte er währender Untersuchung eine Missethat begehen, welcherwe- gen man ihn gefangen nehmen könnte, so muß man ihn, ohnerachtet des
sichern
Von der Einrichtung einer Republick.
(§. 778.). Ein Beſchuldigter(inculpa- tus) heiſſet derjenige, welcher eines Verbre- chens oder einer Miſſethat halber angeklagt wird. Solte nun ein Beſchuldigter, oder auch wohl ein ſchuldiger, als welchem man ebenfalls die Vertheidigung nicht verſa- gen kann (§. 1031.), aus Furcht vor dem Gefaͤngniß entwichen ſeyn, und dem Richter abweſend verſprechen, daß er ſich auf geſchehene Vorladung ieder- zeit vor Gerichte ſtellen, und ſeine Sa- che ausfuͤhren wolle, wenn man ihn nur verſichere, daß er nicht ſolle ein- geſtecket werden, welches man ein ſicher Geleite(ſalvum conductum) nennet; ſo muß der Richter ihm dieſes geben, doch, damit er hernach das Gericht nicht teuſchen koͤnne, dergeſtalt, daß er daruͤ- ber vorher die gehoͤrige Verſicherung leiſte, daß er allezeit vor Gericht er- ſcheinen wolle. Unterdeſſen wenn er durch das Urtheil des Richters ſollte zur Lebens- oder harter Leibesſtrafe verdammet, oder auf die Tortur ge- bracht werden, und es fiele alsdenn der Verdacht, daß er fluͤchtig worden wuͤrde, auf ihn, ſo hoͤret das ſichere Geleite auf; ja, ſollte er waͤhrender Unterſuchung eine Miſſethat begehen, welcherwe- gen man ihn gefangen nehmen koͤnnte, ſo muß man ihn, ohnerachtet des
ſichern
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Von der Einrichtung einer Republick.
(§. 778.). Ein Beſchuldigter (inculpa-
tus) heiſſet derjenige, welcher eines Verbre-
chens oder einer Miſſethat halber angeklagt
wird. Solte nun ein Beſchuldigter, oder
auch wohl ein ſchuldiger, als welchem
man ebenfalls die Vertheidigung nicht verſa-
gen kann (§. 1031.), aus Furcht vor dem
Gefaͤngniß entwichen ſeyn, und dem
Richter abweſend verſprechen, daß er
ſich auf geſchehene Vorladung ieder-
zeit vor Gerichte ſtellen, und ſeine Sa-
che ausfuͤhren wolle, wenn man ihn
nur verſichere, daß er nicht ſolle ein-
geſtecket werden, welches man ein ſicher
Geleite (ſalvum conductum) nennet; ſo
muß der Richter ihm dieſes geben,
doch, damit er hernach das Gericht nicht
teuſchen koͤnne, dergeſtalt, daß er daruͤ-
ber vorher die gehoͤrige Verſicherung
leiſte, daß er allezeit vor Gericht er-
ſcheinen wolle. Unterdeſſen wenn er
durch das Urtheil des Richters ſollte
zur Lebens- oder harter Leibesſtrafe
verdammet, oder auf die Tortur ge-
bracht werden, und es fiele alsdenn der
Verdacht, daß er fluͤchtig worden wuͤrde, auf
ihn, ſo hoͤret das ſichere Geleite auf;
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 747. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/783>, abgerufen am 22.11.2024.
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