Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754.

Bild:
<< vorherige Seite

III. Th. 2. A. 5. H. Von der natürl. Lehre
chen. Derowegen müssen die Streitig-
keiten einer ieden geringen Beleidi-
gung halber in Gerichten keinen Platz
haben,
dieweil auch die Klugheit, oder die
Liebe im natürlichen Zustande befiehlet, daß
man sich geringer Beleidigungen wegen des
Krieges enthalten, und man öfters um sei-
nes Versehens willen büssen müsse, damit
man ins künftige behutsamer zu verfahren
lerne; und wenn auch einem natürli-
chen Gesetze solche Bestimmungen an-
gehänget sind, welche schwehr, oder
gar unmöglich zu beweisen sind, so
müssen an deren Stelle andere, die sich
leicht erhärten lassen, welche wahr-
scheinlich, oder mehrentheils jenen
gleich sind, gesetzet werden.
Daher
folget, daß die Beleidigungen, derent-
wegen man richterliche Hülfe zu hof-
fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn
ehr nach Verschiedenheit der Händel
iemand vor das versehene haften solle,
durch ein bürgerliches Gesetze ausge-
machet werden müssen.

§. 1073.
Woher
der
Grund
zu neh-
men sey,
daß aus
den na-
türlichen
Gesetzen

Weil die bürgerlichen Gesetze die Mittel
vorschreiben sollen, wodurch die gemeinsame
Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§.
1068.); so muß der Grund von dem,
was entweder zu einem natürlichen
Gesetze hinzugethan, oder davon ge-
nommen werden soll, daß ein bürger-

liches

III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre
chen. Derowegen muͤſſen die Streitig-
keiten einer ieden geringen Beleidi-
gung halber in Gerichten keinen Platz
haben,
dieweil auch die Klugheit, oder die
Liebe im natuͤrlichen Zuſtande befiehlet, daß
man ſich geringer Beleidigungen wegen des
Krieges enthalten, und man oͤfters um ſei-
nes Verſehens willen buͤſſen muͤſſe, damit
man ins kuͤnftige behutſamer zu verfahren
lerne; und wenn auch einem natuͤrli-
chen Geſetze ſolche Beſtimmungen an-
gehaͤnget ſind, welche ſchwehr, oder
gar unmoͤglich zu beweiſen ſind, ſo
muͤſſen an deren Stelle andere, die ſich
leicht erhaͤrten laſſen, welche wahr-
ſcheinlich, oder mehrentheils jenen
gleich ſind, geſetzet werden.
Daher
folget, daß die Beleidigungen, derent-
wegen man richterliche Huͤlfe zu hof-
fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn
ehr nach Verſchiedenheit der Haͤndel
iemand vor das verſehene haften ſolle,
durch ein buͤrgerliches Geſetze ausge-
machet werden muͤſſen.

§. 1073.
Woher
der
Grund
zu neh-
men ſey,
daß aus
den na-
tuͤrlichen
Geſetzen

Weil die buͤrgerlichen Geſetze die Mittel
vorſchreiben ſollen, wodurch die gemeinſame
Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§.
1068.); ſo muß der Grund von dem,
was entweder zu einem natuͤrlichen
Geſetze hinzugethan, oder davon ge-
nommen werden ſoll, daß ein buͤrger-

liches
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0818" n="782"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">III.</hi><hi rendition="#b">Th. 2. A. 5. H. Von der natu&#x0364;rl. Lehre</hi></fw><lb/><hi rendition="#fr">chen.</hi> Derowegen <hi rendition="#fr">mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en die Streitig-<lb/>
keiten einer ieden geringen Beleidi-<lb/>
gung halber in Gerichten keinen Platz<lb/>
haben,</hi> dieweil auch die Klugheit, oder die<lb/>
Liebe im natu&#x0364;rlichen Zu&#x017F;tande befiehlet, daß<lb/>
man &#x017F;ich geringer Beleidigungen wegen des<lb/>
Krieges enthalten, und man o&#x0364;fters um &#x017F;ei-<lb/>
nes Ver&#x017F;ehens willen bu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, damit<lb/>
man ins ku&#x0364;nftige behut&#x017F;amer zu verfahren<lb/>
lerne; und <hi rendition="#fr">wenn auch einem natu&#x0364;rli-<lb/>
chen Ge&#x017F;etze &#x017F;olche Be&#x017F;timmungen an-<lb/>
geha&#x0364;nget &#x017F;ind, welche &#x017F;chwehr, oder<lb/>
gar unmo&#x0364;glich zu bewei&#x017F;en &#x017F;ind, &#x017F;o<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en an deren Stelle andere, die &#x017F;ich<lb/>
leicht erha&#x0364;rten la&#x017F;&#x017F;en, welche wahr-<lb/>
&#x017F;cheinlich, oder mehrentheils jenen<lb/>
gleich &#x017F;ind, ge&#x017F;etzet werden.</hi> Daher<lb/>
folget, <hi rendition="#fr">daß die Beleidigungen, derent-<lb/>
wegen man richterliche Hu&#x0364;lfe zu hof-<lb/>
fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn<lb/>
ehr nach Ver&#x017F;chiedenheit der Ha&#x0364;ndel<lb/>
iemand vor das ver&#x017F;ehene haften &#x017F;olle,<lb/>
durch ein bu&#x0364;rgerliches Ge&#x017F;etze ausge-<lb/>
machet werden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</hi></p>
              </div><lb/>
              <div n="5">
                <head>§. 1073.</head><lb/>
                <note place="left">Woher<lb/>
der<lb/>
Grund<lb/>
zu neh-<lb/>
men &#x017F;ey,<lb/>
daß aus<lb/>
den na-<lb/>
tu&#x0364;rlichen<lb/>
Ge&#x017F;etzen</note>
                <p>Weil die bu&#x0364;rgerlichen Ge&#x017F;etze die Mittel<lb/>
vor&#x017F;chreiben &#x017F;ollen, wodurch die gemein&#x017F;ame<lb/>
Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§.<lb/>
1068.); <hi rendition="#fr">&#x017F;o muß der Grund von dem,<lb/>
was entweder zu einem natu&#x0364;rlichen<lb/>
Ge&#x017F;etze hinzugethan, oder davon ge-<lb/>
nommen werden &#x017F;oll, daß ein bu&#x0364;rger-</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">liches</hi></fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[782/0818] III. Th. 2. A. 5. H. Von der natuͤrl. Lehre chen. Derowegen muͤſſen die Streitig- keiten einer ieden geringen Beleidi- gung halber in Gerichten keinen Platz haben, dieweil auch die Klugheit, oder die Liebe im natuͤrlichen Zuſtande befiehlet, daß man ſich geringer Beleidigungen wegen des Krieges enthalten, und man oͤfters um ſei- nes Verſehens willen buͤſſen muͤſſe, damit man ins kuͤnftige behutſamer zu verfahren lerne; und wenn auch einem natuͤrli- chen Geſetze ſolche Beſtimmungen an- gehaͤnget ſind, welche ſchwehr, oder gar unmoͤglich zu beweiſen ſind, ſo muͤſſen an deren Stelle andere, die ſich leicht erhaͤrten laſſen, welche wahr- ſcheinlich, oder mehrentheils jenen gleich ſind, geſetzet werden. Daher folget, daß die Beleidigungen, derent- wegen man richterliche Huͤlfe zu hof- fen, oder nicht zu hoffen hat, und wenn ehr nach Verſchiedenheit der Haͤndel iemand vor das verſehene haften ſolle, durch ein buͤrgerliches Geſetze ausge- machet werden muͤſſen. §. 1073. Weil die buͤrgerlichen Geſetze die Mittel vorſchreiben ſollen, wodurch die gemeinſame Wohlfahrt des Staats erhalten wird (§. 1068.); ſo muß der Grund von dem, was entweder zu einem natuͤrlichen Geſetze hinzugethan, oder davon ge- nommen werden ſoll, daß ein buͤrger- liches

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/818
Zitationshilfe: Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 782. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/818>, abgerufen am 22.11.2024.