Personen, die gleich sind, kein Rang statt fin- det (§. 70.), so kömmt auch keinen Men- schen von Natur ein Rang zu.
§. 76.
Von Natur haben alle Menschen einerleyVon dem Recht über die Hand- lungen eines an- dern. Rechte (§. 69.). Wenn wir also ein Recht über die Handlungen des andern haben solten, so, daß er seine Handlungen nach unserm Wil- len einrichten müste, und das nicht thun kön- te, was ihm gefiele; so würde er wieder ein Recht über unsere Handlungen haben: da nun dieses offenbahr wiedersprechend ist, in- dem es ohne Unterschied, von allen Menschen gelten müste; so hat niemand von Natur ein Recht über die Handlungen(in actiones)eines andern. Jn dem Wesen und in der Natur des Menschen, worinn das Gesetz der Natur, und also eine jede Ver- bindlichkeit und jedes Recht, das aus derselben entstehet, seinen hinreichenden Grund hat, ist kein Grund enthalten, warum diesem oder jenem Menschen ein Recht über dieses oder eines andern Menschen Handlungen zukommen sollte.
§. 77.
Es sind also von Natur die Hand-Von der natür- lichen Freyheit lungen des Menschen gar nicht dem Willen eines andern, er sey wer er wolle, unterworffen; und er darf in sei- nen Handlungen niemanden als sich selbst folgen. Und diese Unabhänglichkeit bey den Handlungen von dem Willen eines andern, oder die Einrichtung (dependen-
tia)
und dem allgem. Recht der Menſchen.
Perſonen, die gleich ſind, kein Rang ſtatt fin- det (§. 70.), ſo koͤmmt auch keinen Men- ſchen von Natur ein Rang zu.
§. 76.
Von Natur haben alle Menſchen einerleyVon dem Recht uͤber die Hand- lungen eines an- dern. Rechte (§. 69.). Wenn wir alſo ein Recht uͤber die Handlungen des andern haben ſolten, ſo, daß er ſeine Handlungen nach unſerm Wil- len einrichten muͤſte, und das nicht thun koͤn- te, was ihm gefiele; ſo wuͤrde er wieder ein Recht uͤber unſere Handlungen haben: da nun dieſes offenbahr wiederſprechend iſt, in- dem es ohne Unterſchied, von allen Menſchen gelten muͤſte; ſo hat niemand von Natur ein Recht uͤber die Handlungen(in actiones)eines andern. Jn dem Weſen und in der Natur des Menſchen, worinn das Geſetz der Natur, und alſo eine jede Ver- bindlichkeit und jedes Recht, das aus derſelben entſtehet, ſeinen hinreichenden Grund hat, iſt kein Grund enthalten, warum dieſem oder jenem Menſchen ein Recht uͤber dieſes oder eines andeꝛn Menſchen Handlungen zukommen ſollte.
§. 77.
Es ſind alſo von Natur die Hand-Von der natuͤr- lichen Freyheit lungen des Menſchen gar nicht dem Willen eines andern, er ſey wer er wolle, unterworffen; und er darf in ſei- nen Handlungen niemanden als ſich ſelbſt folgen. Und dieſe Unabhaͤnglichkeit bey den Handlungen von dem Willen eines andern, oder die Einrichtung (dependen-
tia)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0083"n="47"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b">und dem allgem. Recht der Menſchen.</hi></fw><lb/>
Perſonen, die gleich ſind, kein Rang ſtatt fin-<lb/>
det (§. 70.), ſo koͤmmt auch <hirendition="#fr">keinen Men-<lb/>ſchen von Natur ein Rang zu.</hi></p></div><lb/><divn="4"><head>§. 76.</head><lb/><p>Von Natur haben alle Menſchen einerley<noteplace="right">Von dem<lb/>
Recht<lb/>
uͤber die<lb/>
Hand-<lb/>
lungen<lb/>
eines an-<lb/>
dern.</note><lb/>
Rechte (§. 69.). Wenn wir alſo ein Recht<lb/>
uͤber die Handlungen des andern haben ſolten,<lb/>ſo, daß er ſeine Handlungen nach unſerm Wil-<lb/>
len einrichten muͤſte, und das nicht thun koͤn-<lb/>
te, was ihm gefiele; ſo wuͤrde er wieder ein<lb/>
Recht uͤber unſere Handlungen haben: da<lb/>
nun dieſes offenbahr wiederſprechend iſt, in-<lb/>
dem es ohne Unterſchied, von allen Menſchen<lb/>
gelten muͤſte; <hirendition="#fr">ſo hat niemand von Natur<lb/>
ein Recht uͤber die Handlungen</hi><hirendition="#aq">(in<lb/>
actiones)</hi><hirendition="#fr">eines andern.</hi> Jn dem Weſen<lb/>
und in der Natur des Menſchen, worinn<lb/>
das Geſetz der Natur, und alſo eine jede Ver-<lb/>
bindlichkeit und jedes Recht, das aus derſelben<lb/>
entſtehet, ſeinen hinreichenden Grund hat, iſt<lb/>
kein Grund enthalten, warum dieſem oder jenem<lb/>
Menſchen ein Recht uͤber dieſes oder eines andeꝛn<lb/>
Menſchen Handlungen zukommen ſollte.</p></div><lb/><divn="4"><head>§. 77.</head><lb/><p><hirendition="#fr">Es ſind</hi> alſo <hirendition="#fr">von Natur die Hand-</hi><noteplace="right">Von der<lb/>
natuͤr-<lb/>
lichen<lb/>
Freyheit</note><lb/><hirendition="#fr">lungen des Menſchen gar nicht dem<lb/>
Willen eines andern, er ſey wer er<lb/>
wolle, unterworffen;</hi> und <hirendition="#fr">er darf in ſei-<lb/>
nen Handlungen</hi> niemanden <hirendition="#fr">als ſich<lb/>ſelbſt folgen.</hi> Und dieſe Unabhaͤnglichkeit<lb/>
bey den Handlungen von dem Willen eines<lb/>
andern, oder die Einrichtung <hirendition="#aq">(dependen-</hi><lb/><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#aq">tia)</hi></fw><lb/></p></div></div></div></div></body></text></TEI>
[47/0083]
und dem allgem. Recht der Menſchen.
Perſonen, die gleich ſind, kein Rang ſtatt fin-
det (§. 70.), ſo koͤmmt auch keinen Men-
ſchen von Natur ein Rang zu.
§. 76.
Von Natur haben alle Menſchen einerley
Rechte (§. 69.). Wenn wir alſo ein Recht
uͤber die Handlungen des andern haben ſolten,
ſo, daß er ſeine Handlungen nach unſerm Wil-
len einrichten muͤſte, und das nicht thun koͤn-
te, was ihm gefiele; ſo wuͤrde er wieder ein
Recht uͤber unſere Handlungen haben: da
nun dieſes offenbahr wiederſprechend iſt, in-
dem es ohne Unterſchied, von allen Menſchen
gelten muͤſte; ſo hat niemand von Natur
ein Recht uͤber die Handlungen (in
actiones) eines andern. Jn dem Weſen
und in der Natur des Menſchen, worinn
das Geſetz der Natur, und alſo eine jede Ver-
bindlichkeit und jedes Recht, das aus derſelben
entſtehet, ſeinen hinreichenden Grund hat, iſt
kein Grund enthalten, warum dieſem oder jenem
Menſchen ein Recht uͤber dieſes oder eines andeꝛn
Menſchen Handlungen zukommen ſollte.
Von dem
Recht
uͤber die
Hand-
lungen
eines an-
dern.
§. 77.
Es ſind alſo von Natur die Hand-
lungen des Menſchen gar nicht dem
Willen eines andern, er ſey wer er
wolle, unterworffen; und er darf in ſei-
nen Handlungen niemanden als ſich
ſelbſt folgen. Und dieſe Unabhaͤnglichkeit
bey den Handlungen von dem Willen eines
andern, oder die Einrichtung (dependen-
tia)
Von der
natuͤr-
lichen
Freyheit
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 47. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/83>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.