Die Verheerung feindlicher SachenVon der Verhee- rung der Sachen. (vastatio rerum hostilium) ist diejenige Hand- lung, vermöge welcher man, da man jene verdirbt, dem Feinde schadet, sich aber da- durch keinen Gewinn stiftet. Diese nun ist nicht erlaubt, ausser in so ferne wir oh- ne dieselbe unser Recht nicht erhalten können, oder die Kräfte des Feindes geschwächet, und die unsrigen ver- mehret werden, oder wenn es geschieht zur rechtmäßigen Strafe (§. 1170. 1193.). Daher ist es erlaubt die feind- lichen Aecker zu verderben, Früchte und Saat auf denselben zu zertreten, Gebäude niederzureissen, Gärten und Weinberge auszurotten, wenn es die Aufschlagung des Lagers, die Bela- gerung der Städte und die Schlach- ten erfordern: hingegen ist es uner- laubt, Städte, Flecken, Dörfer aus- zurotten, oder zu verwüsten, nachdem sie in unsre Bothmäßigkeit gekommen sind, es sey denn, daß ein Verbrechen begangen worden, das eine solche Strafe verdienet. Auf eben diese Art verstehet sich, daß die Schleifung der Festungen, nachdem sie erobert wor- den, erlaubt sey, wenn wir für gut be- finden dieselben zu verlassen; hingegen aber ist die Verwüstung der Gräber, der Grabmähler, und der heiligen Sa-
chen
Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege.
§. 1195.
Die Verheerung feindlicher SachenVon der Verhee- rung der Sachen. (vaſtatio rerum hoſtilium) iſt diejenige Hand- lung, vermoͤge welcher man, da man jene verdirbt, dem Feinde ſchadet, ſich aber da- durch keinen Gewinn ſtiftet. Dieſe nun iſt nicht erlaubt, auſſer in ſo ferne wir oh- ne dieſelbe unſer Recht nicht erhalten koͤnnen, oder die Kraͤfte des Feindes geſchwaͤchet, und die unſrigen ver- mehret werden, oder wenn es geſchieht zur rechtmaͤßigen Strafe (§. 1170. 1193.). Daher iſt es erlaubt die feind- lichen Aecker zu verderben, Fruͤchte und Saat auf denſelben zu zertreten, Gebaͤude niederzureiſſen, Gaͤrten und Weinberge auszurotten, wenn es die Aufſchlagung des Lagers, die Bela- gerung der Staͤdte und die Schlach- ten erfordern: hingegen iſt es uner- laubt, Staͤdte, Flecken, Doͤrfer aus- zurotten, oder zu verwuͤſten, nachdem ſie in unſre Bothmaͤßigkeit gekommen ſind, es ſey denn, daß ein Verbrechen begangen worden, das eine ſolche Strafe verdienet. Auf eben dieſe Art verſtehet ſich, daß die Schleifung der Feſtungen, nachdem ſie erobert wor- den, erlaubt ſey, wenn wir fuͤr gut be- finden dieſelben zu verlaſſen; hingegen aber iſt die Verwuͤſtung der Graͤber, der Grabmaͤhler, und der heiligen Sa-
chen
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Von dem Rechte der Voͤlcker im Kriege.
§. 1195.
Die Verheerung feindlicher Sachen
(vaſtatio rerum hoſtilium) iſt diejenige Hand-
lung, vermoͤge welcher man, da man jene
verdirbt, dem Feinde ſchadet, ſich aber da-
durch keinen Gewinn ſtiftet. Dieſe nun iſt
nicht erlaubt, auſſer in ſo ferne wir oh-
ne dieſelbe unſer Recht nicht erhalten
koͤnnen, oder die Kraͤfte des Feindes
geſchwaͤchet, und die unſrigen ver-
mehret werden, oder wenn es geſchieht
zur rechtmaͤßigen Strafe (§. 1170.
1193.). Daher iſt es erlaubt die feind-
lichen Aecker zu verderben, Fruͤchte
und Saat auf denſelben zu zertreten,
Gebaͤude niederzureiſſen, Gaͤrten und
Weinberge auszurotten, wenn es die
Aufſchlagung des Lagers, die Bela-
gerung der Staͤdte und die Schlach-
ten erfordern: hingegen iſt es uner-
laubt, Staͤdte, Flecken, Doͤrfer aus-
zurotten, oder zu verwuͤſten, nachdem
ſie in unſre Bothmaͤßigkeit gekommen
ſind, es ſey denn, daß ein Verbrechen
begangen worden, das eine ſolche
Strafe verdienet. Auf eben dieſe Art
verſtehet ſich, daß die Schleifung der
Feſtungen, nachdem ſie erobert wor-
den, erlaubt ſey, wenn wir fuͤr gut be-
finden dieſelben zu verlaſſen; hingegen
aber iſt die Verwuͤſtung der Graͤber,
der Grabmaͤhler, und der heiligen Sa-
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Von der
Verhee-
rung der
Sachen.
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Wolff, Christian von: Grundsätze des Natur- und Völckerrechts. Halle (Saale), 1754, S. 879. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolff_voelckerrecht_1754/915>, abgerufen am 22.11.2024.
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