serdem noch, so viel verborgne Tieffen deines Her- zens, die dir deine Eigenliebe verhüllt; -- ach, die alle sind vor den untrüglichen Augen des All- wißenden aufgedeckt! -- o, denn spricht unser Glaube uns tröstend zu: Gott weiß alle Din- ge. Er weiß, wer du, ganz nach seinem Eben- bilde erneuert, seyn könntest und solltest: aber er bedenkt auch, mit der gütigsten Nachsicht, welch ein schwaches, leicht erschüttertes, hinfäl- liges Geschöpfe, du noch im Leben des Stau- bes und der Sünde bleibst: Er weiß deinen Fall; aber er wiegt auch dagegen, auf der Wa- ge seiner Allwißenheit, die Heftigkeit der Ver- suchung ab, die dich stürzte: Er weiß den Leicht- sinn, die Unvorsichtigkeit, die dich verführte; aber er sieht und zählt auch deine Thränen der Reue: Er weiß deinen Mangel der Liebe; aber er vergißt auch nicht die inbrünstige Sehnsucht, mit der du ganz an ihm zu hangen wünschest, ver- gißt nicht manches schwere Opfer, manche red- liche uneigennützige edle That deiner Liebe. -- Der Glaube zeigt uns Gott den Allerheiligsten und Allgerechten: furchtbar nur, Jesu Chri- sto unserm Mittler, in Gethsemane, wo er den bittern Kelch der Todesangst trank, und auf Golgatha, wo er für unsre Sünde sich zum Op-
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ſerdem noch, ſo viel verborgne Tieffen deines Her- zens, die dir deine Eigenliebe verhüllt; — ach, die alle ſind vor den untrüglichen Augen des All- wißenden aufgedeckt! — o, denn ſpricht unſer Glaube uns tröſtend zu: Gott weiß alle Din- ge. Er weiß, wer du, ganz nach ſeinem Eben- bilde erneuert, ſeyn könnteſt und ſollteſt: aber er bedenkt auch, mit der gütigſten Nachſicht, welch ein ſchwaches, leicht erſchüttertes, hinfäl- liges Geſchöpfe, du noch im Leben des Stau- bes und der Sünde bleibſt: Er weiß deinen Fall; aber er wiegt auch dagegen, auf der Wa- ge ſeiner Allwißenheit, die Heftigkeit der Ver- ſuchung ab, die dich ſtürzte: Er weiß den Leicht- ſinn, die Unvorſichtigkeit, die dich verführte; aber er ſieht und zählt auch deine Thränen der Reue: Er weiß deinen Mangel der Liebe; aber er vergißt auch nicht die inbrünſtige Sehnſucht, mit der du ganz an ihm zu hangen wünſcheſt, ver- gißt nicht manches ſchwere Opfer, manche red- liche uneigennützige edle That deiner Liebe. — Der Glaube zeigt uns Gott den Allerheiligſten und Allgerechten: furchtbar nur, Jeſu Chri- ſto unſerm Mittler, in Gethſemane, wo er den bittern Kelch der Todesangſt trank, und auf Golgatha, wo er für unſre Sünde ſich zum Op-
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ſerdem noch, ſo viel verborgne Tieffen deines Her-
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die alle ſind vor den untrüglichen Augen des All-
wißenden aufgedeckt! — o, denn ſpricht unſer
Glaube uns tröſtend zu: Gott weiß alle Din-
ge. Er weiß, wer du, ganz nach ſeinem Eben-
bilde erneuert, ſeyn könnteſt und ſollteſt: aber
er bedenkt auch, mit der gütigſten Nachſicht,
welch ein ſchwaches, leicht erſchüttertes, hinfäl-
liges Geſchöpfe, du noch im Leben des Stau-
bes und der Sünde bleibſt: Er weiß deinen
Fall; aber er wiegt auch dagegen, auf der Wa-
ge ſeiner Allwißenheit, die Heftigkeit der Ver-
ſuchung ab, die dich ſtürzte: Er weiß den Leicht-
ſinn, die Unvorſichtigkeit, die dich verführte;
aber er ſieht und zählt auch deine Thränen der
Reue: Er weiß deinen Mangel der Liebe; aber
er vergißt auch nicht die inbrünſtige Sehnſucht,
mit der du ganz an ihm zu hangen wünſcheſt, ver-
gißt nicht manches ſchwere Opfer, manche red-
liche uneigennützige edle That deiner Liebe. —
Der Glaube zeigt uns Gott den Allerheiligſten
und Allgerechten: furchtbar nur, Jeſu Chri-
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 102. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/154>, abgerufen am 21.02.2025.
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