Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



wir sind der Ewigkeit wieder um eine beträchtli-
che Zahl von Tagen, die uns niemals zurücke-
gegeben werden, näher gerückt: so endigt einst
jener Abend, der unser Leben beschließt, alle un-
sere irdischen Geschäffte auf ewig, und versetzt
uns vor den Thron unsers Richters, wo wir
von unserer Haushaltung auf Erden die Rech-
nung ablegen müßen; er erregt in uns die wich-
tigsten angelegentlichsten Erwartungen, über das
zukünftige Schicksal unsers neuen Lebens jenseit
dem Grabe; seine lezte Stunde übereilt uns,
unvermerkt und unerwartet, und dringt uns an
die Pforten der Ewigkeit, von wannen wir ewig
nicht ins irdische Leben wiederkehren.

Der Bürger dieses Lebens, der aus einem
Jahre ins andre tritt, ist von dem Sterbenden,
der aus dieser Pilgrimschaft in sein Vaterland
abgerufen wird, unterschieden wie der Abschied-
nehmende, welcher sich blos zu einer kleinen
Lustreise von seinen Freunden entfernt, von dem,
der vielleicht seinen Geliebten das lezte Lebewohl
zuruft, weil ihn sein Beruf in weit entlegne Län-
der von ihnen trennt. Aber beide nehmen doch
Abschied, beide mit der Hoffnung des Wieder-
sehns, es sey nun früher oder später, es sey noch
diesseit des Grabes, oder erst am großen Tage

der
X 5



wir ſind der Ewigkeit wieder um eine beträchtli-
che Zahl von Tagen, die uns niemals zurücke-
gegeben werden, näher gerückt: ſo endigt einſt
jener Abend, der unſer Leben beſchließt, alle un-
ſere irdiſchen Geſchäffte auf ewig, und verſetzt
uns vor den Thron unſers Richters, wo wir
von unſerer Haushaltung auf Erden die Rech-
nung ablegen müßen; er erregt in uns die wich-
tigſten angelegentlichſten Erwartungen, über das
zukünftige Schickſal unſers neuen Lebens jenſeit
dem Grabe; ſeine lezte Stunde übereilt uns,
unvermerkt und unerwartet, und dringt uns an
die Pforten der Ewigkeit, von wannen wir ewig
nicht ins irdiſche Leben wiederkehren.

Der Bürger dieſes Lebens, der aus einem
Jahre ins andre tritt, iſt von dem Sterbenden,
der aus dieſer Pilgrimſchaft in ſein Vaterland
abgerufen wird, unterſchieden wie der Abſchied-
nehmende, welcher ſich blos zu einer kleinen
Luſtreiſe von ſeinen Freunden entfernt, von dem,
der vielleicht ſeinen Geliebten das lezte Lebewohl
zuruft, weil ihn ſein Beruf in weit entlegne Län-
der von ihnen trennt. Aber beide nehmen doch
Abſchied, beide mit der Hoffnung des Wieder-
ſehns, es ſey nun früher oder ſpäter, es ſey noch
diesſeit des Grabes, oder erſt am großen Tage

der
X 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0381" n="329"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
wir &#x017F;ind der Ewigkeit wieder um eine beträchtli-<lb/>
che Zahl von Tagen, die uns niemals zurücke-<lb/>
gegeben werden, näher gerückt: &#x017F;o endigt ein&#x017F;t<lb/>
jener Abend, der un&#x017F;er Leben be&#x017F;chließt, alle un-<lb/>
&#x017F;ere irdi&#x017F;chen Ge&#x017F;chäffte auf ewig, und ver&#x017F;etzt<lb/>
uns vor den Thron un&#x017F;ers Richters, wo wir<lb/>
von un&#x017F;erer Haushaltung auf Erden die Rech-<lb/>
nung ablegen müßen; er erregt in uns die wich-<lb/>
tig&#x017F;ten angelegentlich&#x017F;ten Erwartungen, über das<lb/>
zukünftige Schick&#x017F;al un&#x017F;ers neuen Lebens jen&#x017F;eit<lb/>
dem Grabe; &#x017F;eine lezte Stunde übereilt uns,<lb/>
unvermerkt und unerwartet, und dringt uns an<lb/>
die Pforten der Ewigkeit, von wannen wir ewig<lb/>
nicht ins irdi&#x017F;che Leben wiederkehren.</p><lb/>
        <p>Der Bürger die&#x017F;es Lebens, der aus einem<lb/>
Jahre ins andre tritt, i&#x017F;t von dem Sterbenden,<lb/>
der aus die&#x017F;er Pilgrim&#x017F;chaft in &#x017F;ein Vaterland<lb/>
abgerufen wird, unter&#x017F;chieden wie der Ab&#x017F;chied-<lb/>
nehmende, welcher &#x017F;ich blos zu einer kleinen<lb/>
Lu&#x017F;trei&#x017F;e von &#x017F;einen Freunden entfernt, von dem,<lb/>
der vielleicht &#x017F;einen Geliebten das lezte Lebewohl<lb/>
zuruft, weil ihn &#x017F;ein Beruf in weit entlegne Län-<lb/>
der von ihnen trennt. Aber beide nehmen doch<lb/>
Ab&#x017F;chied, beide mit der Hoffnung des Wieder-<lb/>
&#x017F;ehns, es &#x017F;ey nun früher oder &#x017F;päter, es &#x017F;ey noch<lb/>
dies&#x017F;eit des Grabes, oder er&#x017F;t am großen Tage<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">X 5</fw><fw place="bottom" type="catch">der</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[329/0381] wir ſind der Ewigkeit wieder um eine beträchtli- che Zahl von Tagen, die uns niemals zurücke- gegeben werden, näher gerückt: ſo endigt einſt jener Abend, der unſer Leben beſchließt, alle un- ſere irdiſchen Geſchäffte auf ewig, und verſetzt uns vor den Thron unſers Richters, wo wir von unſerer Haushaltung auf Erden die Rech- nung ablegen müßen; er erregt in uns die wich- tigſten angelegentlichſten Erwartungen, über das zukünftige Schickſal unſers neuen Lebens jenſeit dem Grabe; ſeine lezte Stunde übereilt uns, unvermerkt und unerwartet, und dringt uns an die Pforten der Ewigkeit, von wannen wir ewig nicht ins irdiſche Leben wiederkehren. Der Bürger dieſes Lebens, der aus einem Jahre ins andre tritt, iſt von dem Sterbenden, der aus dieſer Pilgrimſchaft in ſein Vaterland abgerufen wird, unterſchieden wie der Abſchied- nehmende, welcher ſich blos zu einer kleinen Luſtreiſe von ſeinen Freunden entfernt, von dem, der vielleicht ſeinen Geliebten das lezte Lebewohl zuruft, weil ihn ſein Beruf in weit entlegne Län- der von ihnen trennt. Aber beide nehmen doch Abſchied, beide mit der Hoffnung des Wieder- ſehns, es ſey nun früher oder ſpäter, es ſey noch diesſeit des Grabes, oder erſt am großen Tage der X 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/381
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 329. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/381>, abgerufen am 24.11.2024.