ge Wonne und Lohn, aber in ewige Reue und Strafe verwandelt.
Wie steht es denn aber um die Aussicht in die Zukunft, an diesem heutigen Morgen; und wie wird sie sich mir dagegen an jenem Morgen der Ewigkeit darstellen? Die Zeit, die vor mir liegt, war heute beim Erwachen mein erster Gedanke; aber alles, was ich von ihr weiß, schränkt sich darauf ein: ihr Ziel ist unerforsch- lich; und ihre Schicksale sind ungewiß. Ob dies angefangne Jahr noch ganz mit in meine Pilger- zeit gerechnet ist? ob mir vielleicht noch über dasselbe hinaus, manches Jahres Morgen und Abend hienieden auf- und niedergehn wird? Ob meine äussern Umstände in jeder Hinsicht in die- sem Jahre sich verbessern oder verschlimmern wer- den? Ob ich die meisten Stunden desselben in Freuden oder Bekümmernißen; in kraftvoller Ge- sundheit und Munterkeit, oder auf dem Kran- kenbette; im Schooß meiner Angehörigen und liebsten Freunde, oder getrennt von ihnen; viel- leicht unter Sorgen und Thränen, an ihrem Grabe, hinbringen werde? -- Tausend, und noch tausend Fragen, die ich mir vorlege, ohne ei- ne einzige derselben auch nur wahrscheinlich beant-
wor-
ge Wonne und Lohn, aber in ewige Reue und Strafe verwandelt.
Wie ſteht es denn aber um die Ausſicht in die Zukunft, an dieſem heutigen Morgen; und wie wird ſie ſich mir dagegen an jenem Morgen der Ewigkeit darſtellen? Die Zeit, die vor mir liegt, war heute beim Erwachen mein erſter Gedanke; aber alles, was ich von ihr weiß, ſchränkt ſich darauf ein: ihr Ziel iſt unerforſch- lich; und ihre Schickſale ſind ungewiß. Ob dies angefangne Jahr noch ganz mit in meine Pilger- zeit gerechnet iſt? ob mir vielleicht noch über daſſelbe hinaus, manches Jahres Morgen und Abend hienieden auf- und niedergehn wird? Ob meine äuſſern Umſtände in jeder Hinſicht in die- ſem Jahre ſich verbeſſern oder verſchlimmern wer- den? Ob ich die meiſten Stunden deſſelben in Freuden oder Bekümmernißen; in kraftvoller Ge- ſundheit und Munterkeit, oder auf dem Kran- kenbette; im Schooß meiner Angehörigen und liebſten Freunde, oder getrennt von ihnen; viel- leicht unter Sorgen und Thränen, an ihrem Grabe, hinbringen werde? — Tauſend, und noch tauſend Fragen, die ich mir vorlege, ohne ei- ne einzige derſelben auch nur wahrſcheinlich beant-
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[352/0404]
ge Wonne und Lohn, aber in ewige Reue und
Strafe verwandelt.
Wie ſteht es denn aber um die Ausſicht in
die Zukunft, an dieſem heutigen Morgen; und
wie wird ſie ſich mir dagegen an jenem Morgen
der Ewigkeit darſtellen? Die Zeit, die vor mir
liegt, war heute beim Erwachen mein erſter
Gedanke; aber alles, was ich von ihr weiß,
ſchränkt ſich darauf ein: ihr Ziel iſt unerforſch-
lich; und ihre Schickſale ſind ungewiß. Ob dies
angefangne Jahr noch ganz mit in meine Pilger-
zeit gerechnet iſt? ob mir vielleicht noch über
daſſelbe hinaus, manches Jahres Morgen und
Abend hienieden auf- und niedergehn wird? Ob
meine äuſſern Umſtände in jeder Hinſicht in die-
ſem Jahre ſich verbeſſern oder verſchlimmern wer-
den? Ob ich die meiſten Stunden deſſelben in
Freuden oder Bekümmernißen; in kraftvoller Ge-
ſundheit und Munterkeit, oder auf dem Kran-
kenbette; im Schooß meiner Angehörigen und
liebſten Freunde, oder getrennt von ihnen; viel-
leicht unter Sorgen und Thränen, an ihrem
Grabe, hinbringen werde? — Tauſend, und
noch tauſend Fragen, die ich mir vorlege, ohne ei-
ne einzige derſelben auch nur wahrſcheinlich beant-
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Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 352. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/404>, abgerufen am 21.11.2024.
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