Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784.

Bild:
<< vorherige Seite



außer ihm, hat einmal seinen Anfang genommen,
ist durch seinen Willen hervorgebracht: Er al-
lein ist der Ewige, und Unerschaffene; der Erste,
und Lezte; der Anfang, und das Ende. Alle
seine Geschöpfe sind der Zerstörung, oder der
Veränderung unterworfen; Menschen werden
dem Leibe nach zu Staub, und dem Geiste nach
verklärt; Welten veralten, zertrümmen, ver-
wandeln sich, wie ein Gewand; Engel steigen
höher an Vollkommenheit und Seligkeit. Er
allein, der Unveränderliche, bleibet ewig wie er
ist. Jede Macht der gewaltigsten Naturkräfte,
jede Fähigkeit vernünftiger Geister, hat ihre
Gränzen. Er allein ist der Unendliche, der
keine Schranken kennt. Wir tragen das Bild
seiner Weisheit und seiner Unsterblichkeit an
uns; und schweben dennoch in einem unendlich
weitern Abstande von ihm, als der unmündige
Säugling vom tiefsinnigsten Weisen. Durch
unsere Sinne dringt, wie durch so viel verschie-
dene Thore, jede Vorstellung äußrer Dinge zu
unsrer Seele; Gott, der das Auge und das
Ohr erschuf, sieht und hört alles, was sich in
den Tausenden seiner Welten zuträgt, ohne durch
diese dürftigen Sinne geleitet zu werden, darum
aber durchschauet er auch, was kein Auge sehn,

kein



außer ihm, hat einmal ſeinen Anfang genommen,
iſt durch ſeinen Willen hervorgebracht: Er al-
lein iſt der Ewige, und Unerſchaffene; der Erſte,
und Lezte; der Anfang, und das Ende. Alle
ſeine Geſchöpfe ſind der Zerſtörung, oder der
Veränderung unterworfen; Menſchen werden
dem Leibe nach zu Staub, und dem Geiſte nach
verklärt; Welten veralten, zertrümmen, ver-
wandeln ſich, wie ein Gewand; Engel ſteigen
höher an Vollkommenheit und Seligkeit. Er
allein, der Unveränderliche, bleibet ewig wie er
iſt. Jede Macht der gewaltigſten Naturkräfte,
jede Fähigkeit vernünftiger Geiſter, hat ihre
Gränzen. Er allein iſt der Unendliche, der
keine Schranken kennt. Wir tragen das Bild
ſeiner Weisheit und ſeiner Unſterblichkeit an
uns; und ſchweben dennoch in einem unendlich
weitern Abſtande von ihm, als der unmündige
Säugling vom tiefſinnigſten Weiſen. Durch
unſere Sinne dringt, wie durch ſo viel verſchie-
dene Thore, jede Vorſtellung äußrer Dinge zu
unſrer Seele; Gott, der das Auge und das
Ohr erſchuf, ſieht und hört alles, was ſich in
den Tauſenden ſeiner Welten zuträgt, ohne durch
dieſe dürftigen Sinne geleitet zu werden, darum
aber durchſchauet er auch, was kein Auge ſehn,

kein
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="11"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
außer <hi rendition="#fr">ihm,</hi> hat einmal &#x017F;einen Anfang genommen,<lb/>
i&#x017F;t durch &#x017F;einen Willen hervorgebracht: Er al-<lb/>
lein i&#x017F;t der Ewige, und Uner&#x017F;chaffene; der Er&#x017F;te,<lb/>
und Lezte; der Anfang, und das Ende. Alle<lb/>
&#x017F;eine Ge&#x017F;chöpfe &#x017F;ind der Zer&#x017F;törung, oder der<lb/>
Veränderung unterworfen; Men&#x017F;chen werden<lb/>
dem Leibe nach zu Staub, und dem Gei&#x017F;te nach<lb/>
verklärt; Welten veralten, zertrümmen, ver-<lb/>
wandeln &#x017F;ich, wie ein Gewand; Engel &#x017F;teigen<lb/>
höher an Vollkommenheit und Seligkeit. Er<lb/>
allein, der Unveränderliche, bleibet ewig wie er<lb/>
i&#x017F;t. Jede Macht der gewaltig&#x017F;ten Naturkräfte,<lb/>
jede Fähigkeit vernünftiger Gei&#x017F;ter, hat ihre<lb/>
Gränzen. Er allein i&#x017F;t der Unendliche, der<lb/>
keine Schranken kennt. Wir tragen das Bild<lb/><hi rendition="#fr">&#x017F;einer</hi> Weisheit und &#x017F;einer Un&#x017F;terblichkeit an<lb/>
uns; und &#x017F;chweben dennoch in einem unendlich<lb/>
weitern Ab&#x017F;tande von <hi rendition="#fr">ihm,</hi> als der unmündige<lb/>
Säugling vom tief&#x017F;innig&#x017F;ten Wei&#x017F;en. Durch<lb/>
un&#x017F;ere Sinne dringt, wie durch &#x017F;o viel ver&#x017F;chie-<lb/>
dene Thore, jede Vor&#x017F;tellung äußrer Dinge zu<lb/>
un&#x017F;rer Seele; Gott, der das Auge und das<lb/>
Ohr er&#x017F;chuf, &#x017F;ieht und hört alles, was &#x017F;ich in<lb/>
den Tau&#x017F;enden &#x017F;einer Welten zuträgt, ohne durch<lb/>
die&#x017F;e dürftigen Sinne geleitet zu werden, darum<lb/>
aber durch&#x017F;chauet er auch, was kein Auge &#x017F;ehn,<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">kein</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[11/0063] außer ihm, hat einmal ſeinen Anfang genommen, iſt durch ſeinen Willen hervorgebracht: Er al- lein iſt der Ewige, und Unerſchaffene; der Erſte, und Lezte; der Anfang, und das Ende. Alle ſeine Geſchöpfe ſind der Zerſtörung, oder der Veränderung unterworfen; Menſchen werden dem Leibe nach zu Staub, und dem Geiſte nach verklärt; Welten veralten, zertrümmen, ver- wandeln ſich, wie ein Gewand; Engel ſteigen höher an Vollkommenheit und Seligkeit. Er allein, der Unveränderliche, bleibet ewig wie er iſt. Jede Macht der gewaltigſten Naturkräfte, jede Fähigkeit vernünftiger Geiſter, hat ihre Gränzen. Er allein iſt der Unendliche, der keine Schranken kennt. Wir tragen das Bild ſeiner Weisheit und ſeiner Unſterblichkeit an uns; und ſchweben dennoch in einem unendlich weitern Abſtande von ihm, als der unmündige Säugling vom tiefſinnigſten Weiſen. Durch unſere Sinne dringt, wie durch ſo viel verſchie- dene Thore, jede Vorſtellung äußrer Dinge zu unſrer Seele; Gott, der das Auge und das Ohr erſchuf, ſieht und hört alles, was ſich in den Tauſenden ſeiner Welten zuträgt, ohne durch dieſe dürftigen Sinne geleitet zu werden, darum aber durchſchauet er auch, was kein Auge ſehn, kein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Yannic Bracke, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Linda Kirsten, Xi Zhang: Arbeitsschritte im Digitalisierungsworkflow: Vorbereitung der Bildvorlagen für die Textdigitalisierung; Bearbeitung, Konvertierung und ggf. Nachstrukturierung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Linda Kirsten, Frauke Thielert, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Erbauungsschriften zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften (BBAW): Langfristige Bereitstellung der DTA-Ausgabe



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/63
Zitationshilfe: Wolfrath, Friedrich Wilhelm: Freuden der einsamen Andacht für denkende Christen. Hamburg/Kiel, 1784, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wolfrath_freuden_1784/63>, abgerufen am 04.12.2024.