Woyt, Johann Jacob: Gazophylacium Medico-Physicum, Oder Schatz-Kammer Medicinisch- und Natürlicher Dinge. 9. Aufl. Leipzig, 1737.SP die Bildung der Frucht im Mutter-Leib und auch die Nahrung von derMutter in sich schliesset, und solche endiget sich nach der Geburt, und dann ist die Generation vollendet. Das (4) giebet die Unterhaltung der Le- bens-Geister. Die Spiritus werden vornemlich durch den Schlaf haupt- sächlich erquicket; denn der Schlaf ist so nöthig, daß, wenn man auch die beste Speise und Tranck hätte, und auf alle Art und Weife die Spiritus und Kräffte zu unterhalten suchte, so könte man doch nicht das Wachen auf et- liche Tage continuiren und den Schlaf entbehren. Nach dem Schlaf ist auch Speise und Tranck, und die Respiration. Das (5) zeiget die Fun- ctiones oder Verrichtungen der Geister an. Aller Verrichtungen, welche nur in unserm Leibe vorgehen, erkläret sich der Spiritus für einen Ur- heber; ja er ist ein Praeses des Lebens selbsten. Alle Functiones geschehen durch ihn, die erste Bildung in dem Utero, die Nutrition vor und nach der Geburt, welche bis ans Ende des Lebens continuiret wird, die Chylifica- tion, Blutmachung, das Vermögen zu generiren, das Sehen, Hören, Fühlen, Riechen, Schmecken, das Gedächtniß, der Hunger, der Durst, Zorn, Furcht, Gram, Krafft und Bewegung der Theile, die Respiration, die Sprache etc. Nun ist noch (6) der Untergang der Lebens-Geister zu erwegen. Es ist unser Spiritus im gantzen Leibe also zerstreuet, daß er nicht nur die Poros der harten Theile, sondern auch das Blut, die Lympham. ja die Excrementa selbsten durchwandert und besitzet. Was denn nun aus unserm Leibe heraus gehet, das verschwendet allemal etwas von un- serm Lebens-Geist. Hieher gehöret nun natürlicher Weise die unempfind- liche Transpiration, der Schweiß, Mißbrauch des Venus-Spiels, die star- cken Gemüths-Bewegungen etc. Ja alle Stunden und Augenblick gehet ein Theil der Geister weg und exhaliret, bis daß ein Sterbender den Uber- rest exspiriret: denn der Untergang unserer Geister und Kräffte wird in diesem Leben nach und nach angefangen, gäntzlich und letzlich aber begiebt er sich im Tode. Und das ist die kurtze Betrachtung der Lebens-Geister im natürlichen Stande. Wie nun die andern Theile des Leibes gewissen Kranckheiten unterworffen sind, also finden sich auch besondere Kranck- heiten, welche vornemlich die Spiritus angreiffen; und unter solchen ist vor- nemlich der Mangel der Lebens-Geister, Spirituum defectus, zu mercken. Solcher hat viel Ursachen, welche ger, T t t t t 2
SP die Bildung der Frucht im Mutter-Leib und auch die Nahrung von derMutter in ſich ſchlieſſet, und ſolche endiget ſich nach der Geburt, und dann iſt die Generation vollendet. Das (4) giebet die Unterhaltung der Le- bens-Geiſter. Die Spiritus werden vornemlich durch den Schlaf haupt- ſaͤchlich erquicket; denn der Schlaf iſt ſo noͤthig, daß, wenn man auch die beſte Speiſe und Tranck haͤtte, und auf alle Art und Weife die Spiritus und Kraͤffte zu unterhalten ſuchte, ſo koͤnte man doch nicht das Wachen auf et- liche Tage continuiren und den Schlaf entbehren. Nach dem Schlaf iſt auch Speiſe und Tranck, und die Reſpiration. Das (5) zeiget die Fun- ctiones oder Verrichtungen der Geiſter an. Aller Verrichtungen, welche nur in unſerm Leibe vorgehen, erklaͤret ſich der Spiritus fuͤr einen Ur- heber; ja er iſt ein Præſes des Lebens ſelbſten. Alle Functiones geſchehen durch ihn, die erſte Bildung in dem Utero, die Nutrition vor und nach der Geburt, welche bis ans Ende des Lebens continuiret wird, die Chylifica- tion, Blutmachung, das Vermoͤgen zu generiren, das Sehen, Hoͤren, Fuͤhlen, Riechen, Schmecken, das Gedaͤchtniß, der Hunger, der Durſt, Zorn, Furcht, Gram, Krafft und Bewegung der Theile, die Reſpiration, die Sprache ꝛc. Nun iſt noch (6) der Untergang der Lebens-Geiſter zu erwegen. Es iſt unſer Spiritus im gantzen Leibe alſo zerſtreuet, daß er nicht nur die Poros der harten Theile, ſondern auch das Blut, die Lympham. ja die Excrementa ſelbſten durchwandert und beſitzet. Was denn nun aus unſerm Leibe heraus gehet, das verſchwendet allemal etwas von un- ſerm Lebens-Geiſt. Hieher gehoͤret nun natuͤrlicher Weiſe die unempfind- liche Tranſpiration, der Schweiß, Mißbrauch des Venus-Spiels, die ſtar- cken Gemuͤths-Bewegungen ꝛc. Ja alle Stunden und Augenblick gehet ein Theil der Geiſter weg und exhaliret, bis daß ein Sterbender den Uber- reſt exſpiriret: denn der Untergang unſerer Geiſter und Kraͤffte wird in dieſem Leben nach und nach angefangen, gaͤntzlich und letzlich aber begiebt er ſich im Tode. Und das iſt die kurtze Betrachtung der Lebens-Geiſter im natuͤrlichen Stande. Wie nun die andern Theile des Leibes gewiſſen Kranckheiten unterworffen ſind, alſo finden ſich auch beſondere Kranck- heiten, welche vornemlich die Spiritus angreiffen; und unter ſolchen iſt vor- nemlich der Mangel der Lebens-Geiſter, Spirituum defectus, zu mercken. Solcher hat viel Urſachen, welche ger, T t t t t 2
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iſt die Generation vollendet. Das (4) giebet die Unterhaltung der Le-
bens-Geiſter. Die Spiritus werden vornemlich durch den Schlaf haupt-
ſaͤchlich erquicket; denn der Schlaf iſt ſo noͤthig, daß, wenn man auch die
beſte Speiſe und Tranck haͤtte, und auf alle Art und Weife die Spiritus und
Kraͤffte zu unterhalten ſuchte, ſo koͤnte man doch nicht das Wachen auf et-
liche Tage continuiren und den Schlaf entbehren. Nach dem Schlaf iſt
auch Speiſe und Tranck, und die Reſpiration. Das (5) zeiget die Fun-
ctiones oder Verrichtungen der Geiſter an. Aller Verrichtungen,
welche nur in unſerm Leibe vorgehen, erklaͤret ſich der Spiritus fuͤr einen Ur-
heber; ja er iſt ein Præſes des Lebens ſelbſten. Alle Functiones geſchehen
durch ihn, die erſte Bildung in dem Utero, die Nutrition vor und nach der
Geburt, welche bis ans Ende des Lebens continuiret wird, die Chylifica-
tion, Blutmachung, das Vermoͤgen zu generiren, das Sehen, Hoͤren,
Fuͤhlen, Riechen, Schmecken, das Gedaͤchtniß, der Hunger, der Durſt,
Zorn, Furcht, Gram, Krafft und Bewegung der Theile, die Reſpiration, die
Sprache ꝛc. Nun iſt noch (6) der Untergang der Lebens-Geiſter zu
erwegen. Es iſt unſer Spiritus im gantzen Leibe alſo zerſtreuet, daß er
nicht nur die Poros der harten Theile, ſondern auch das Blut, die Lympham.
ja die Excrementa ſelbſten durchwandert und beſitzet. Was denn nun
aus unſerm Leibe heraus gehet, das verſchwendet allemal etwas von un-
ſerm Lebens-Geiſt. Hieher gehoͤret nun natuͤrlicher Weiſe die unempfind-
liche Tranſpiration, der Schweiß, Mißbrauch des Venus-Spiels, die ſtar-
cken Gemuͤths-Bewegungen ꝛc. Ja alle Stunden und Augenblick gehet
ein Theil der Geiſter weg und exhaliret, bis daß ein Sterbender den Uber-
reſt exſpiriret: denn der Untergang unſerer Geiſter und Kraͤffte wird
in dieſem Leben nach und nach angefangen, gaͤntzlich und letzlich aber begiebt
er ſich im Tode. Und das iſt die kurtze Betrachtung der Lebens-Geiſter im
natuͤrlichen Stande. Wie nun die andern Theile des Leibes gewiſſen
Kranckheiten unterworffen ſind, alſo finden ſich auch beſondere Kranck-
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nemlich der Mangel der Lebens-Geiſter,
Spirituum defectus, zu mercken. Solcher hat viel Urſachen, welche
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