Wrangel, Carl Gustav: Das Luxus-Fuhrwerk. Stuttgart, 1898.Historisches. General Fleury nicht die geringste Verlegenheit bereitet gleichein halbes Dutzend Kaiser und Könige zu empfangen. In Wien dürfte die Kongresszeit (1814--1815) als der Anfang Dieser Rückschritt in der Beschaffenheit und den Zahlen- Historisches. General Fleury nicht die geringste Verlegenheit bereitet gleichein halbes Dutzend Kaiser und Könige zu empfangen. In Wien dürfte die Kongresszeit (1814—1815) als der Anfang Dieser Rückschritt in der Beschaffenheit und den Zahlen- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0028" n="14"/><fw place="top" type="header">Historisches.</fw><lb/> General Fleury nicht die geringste Verlegenheit bereitet gleich<lb/> ein halbes Dutzend Kaiser und Könige zu empfangen.</p><lb/> <p>In Wien dürfte die Kongresszeit (1814—1815) als der Anfang<lb/> einer glänzenderen Aera für das Luxusfuhrwerk zu bezeichnen<lb/> sein. So vielen gekrönten „Häuptern“ wie damals, haben die<lb/> herrlichen Alleen und Auen des Praters wohl nie mehr Schatten<lb/> und Erquickung gespendet, doch sorgten später die zahlreichen<lb/> Mitglieder des Kaiserhauses, sowie die Angehörigen der reich-<lb/> begüterten österreichischen, ungarischen und böhmischen Aris-<lb/> tokratie dafür, dass die Praterfahrten nichts von ihrem Glanz<lb/> einbüssten. Zu jener Zeit hatte eben das bekannte „Es giebt<lb/> nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien“ noch seine volle Be-<lb/> rechtigung. Heute aber residiert der ungarische Adel in Budapest,<lb/> der böhmische in Prag und dank der wüsten Hetzereien der sich<lb/> gegenseitig in die Hände arbeitenden Antisemiten und Sozial-<lb/> demokraten, wagt in Wien kaum jemand mehr durch Equipagen-<lb/> luxus Aufsehen zu erregen. Wäre nicht die Fürstin Metternich,<lb/> die nach dem Zusammenbruch des zweiten Kaiserreiches den<lb/> Schauplatz ihrer rastlosen Thätigkeit auf dem Gebiete der Fashion<lb/> von Paris nach Wien verlegt hat — die seit Urgrossvaters Zeiten<lb/> traditionelle Praterfahrt am 1. Mai hätte wohl schon lange wegen<lb/> Mangel an Teilnehmern eingestellt werden müssen. So fest ge-<lb/> wurzelt aber ist in den Ländern der österreichisch-ungarischen<lb/> Monarchie der Sinn für vornehmes Fuhrwerk und schneidiges<lb/> Fahren, dass Wiener Wagen, Wiener Geschirre und Wiener<lb/> Jucker noch immer das Auge des Kenners erfreuen. Nur die-<lb/> jenigen Wagentypen, die zu ihrer Bespannung des Karrossiers<lb/> bedürfen, werden von Jahr zu Jahr seltener und dürften wohl<lb/> bald, bis auf einige vom kaiserlichen Hofe und von den fremden<lb/> Botschaftern benützte Exemplare, gänzlich von der Bildfläche<lb/> verschwinden.</p><lb/> <p>Dieser Rückschritt in der Beschaffenheit und den Zahlen-<lb/> verhältnissen des Wiener Luxusfuhrwerks ist, wie wir soeben<lb/> bemerkt haben, hauptsächlich auf die Trübung der sozialen und<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [14/0028]
Historisches.
General Fleury nicht die geringste Verlegenheit bereitet gleich
ein halbes Dutzend Kaiser und Könige zu empfangen.
In Wien dürfte die Kongresszeit (1814—1815) als der Anfang
einer glänzenderen Aera für das Luxusfuhrwerk zu bezeichnen
sein. So vielen gekrönten „Häuptern“ wie damals, haben die
herrlichen Alleen und Auen des Praters wohl nie mehr Schatten
und Erquickung gespendet, doch sorgten später die zahlreichen
Mitglieder des Kaiserhauses, sowie die Angehörigen der reich-
begüterten österreichischen, ungarischen und böhmischen Aris-
tokratie dafür, dass die Praterfahrten nichts von ihrem Glanz
einbüssten. Zu jener Zeit hatte eben das bekannte „Es giebt
nur a Kaiserstadt, es giebt nur a Wien“ noch seine volle Be-
rechtigung. Heute aber residiert der ungarische Adel in Budapest,
der böhmische in Prag und dank der wüsten Hetzereien der sich
gegenseitig in die Hände arbeitenden Antisemiten und Sozial-
demokraten, wagt in Wien kaum jemand mehr durch Equipagen-
luxus Aufsehen zu erregen. Wäre nicht die Fürstin Metternich,
die nach dem Zusammenbruch des zweiten Kaiserreiches den
Schauplatz ihrer rastlosen Thätigkeit auf dem Gebiete der Fashion
von Paris nach Wien verlegt hat — die seit Urgrossvaters Zeiten
traditionelle Praterfahrt am 1. Mai hätte wohl schon lange wegen
Mangel an Teilnehmern eingestellt werden müssen. So fest ge-
wurzelt aber ist in den Ländern der österreichisch-ungarischen
Monarchie der Sinn für vornehmes Fuhrwerk und schneidiges
Fahren, dass Wiener Wagen, Wiener Geschirre und Wiener
Jucker noch immer das Auge des Kenners erfreuen. Nur die-
jenigen Wagentypen, die zu ihrer Bespannung des Karrossiers
bedürfen, werden von Jahr zu Jahr seltener und dürften wohl
bald, bis auf einige vom kaiserlichen Hofe und von den fremden
Botschaftern benützte Exemplare, gänzlich von der Bildfläche
verschwinden.
Dieser Rückschritt in der Beschaffenheit und den Zahlen-
verhältnissen des Wiener Luxusfuhrwerks ist, wie wir soeben
bemerkt haben, hauptsächlich auf die Trübung der sozialen und
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