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Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656.

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Das Zwölfte Capitel.
lernest: Du wärest der Gesunde/ der gern
krank; und dn wärest der Freye/ der gern
gefangen wäre.

Ey bey Leib nicht/ sprichstu! Ich achte
mein geringes Ansehen/ meinen schlechten
Zustand/ mein weniges Auskommen für
eine Krankheit und für eine Gefängniß/
und begehre eben die Ehr/ die jener hat; das
Ansehen/ das bey ihm ist; den Aufnahm/
der ihm zufliegt/ daß es mir zuflöge; Als-
dann ich erst gesund und frey werden würde.

Diesen Gedanken kan ich leicht sehen;
aber ich kan ihn auch leicht beantworten.
Du betrübest dich/ daß du den Reichtum
nicht hast/ den du sihest daß jener hat in so
voller Unruh/ Wachen/ Sorgen/ Unbe-
dachtsamkeit in Beten/ und heimlich-bösen
Gewissen: So betrübstu dich ia nur/ daß
du disseits Sorgenfrey leben sollest; du be-
trübst dich/ daß du ruhig schlaffen kanst; du
betrübst dich/ daß du dich nicht ermüden
sollest; du betrübst dich/ daß du nicht auch
unandächtig beten sollest. Bist du dann
nun nicht der Gesunde/ der gern krank: und
der Freye/ der gern gefangen wäre?

Man gehe so weiter durch [d]ie jrrdische

Güter;

Das Zwoͤlfte Capitel.
lerneſt: Du waͤreſt der Geſunde/ der gern
krank; und dn waͤreſt der Freye/ der gern
gefangen waͤre.

Ey bey Leib nicht/ ſprichſtu! Ich achte
mein geringes Anſehen/ meinen ſchlechten
Zuſtand/ mein weniges Auskommen fuͤr
eine Krankheit und fuͤr eine Gefaͤngniß/
und begehre eben die Ehr/ die jener hat; das
Anſehen/ das bey ihm iſt; den Aufnahm/
der ihm zufliegt/ daß es mir zufloͤge; Als-
dann ich erſt geſund und frey werden wuͤrde.

Dieſen Gedanken kan ich leicht ſehen;
aber ich kan ihn auch leicht beantworten.
Du betrübeſt dich/ daß du den Reichtum
nicht haſt/ den du ſiheſt daß jener hat in ſo
voller Unruh/ Wachen/ Sorgen/ Unbe-
dachtſamkeit in Beten/ und heimlich-boͤſen
Gewiſſen: So betruͤbſtu dich ia nur/ daß
du diſſeits Sorgenfrey leben ſolleſt; du be-
truͤbſt dich/ daß du ruhig ſchlaffen kanſt; du
betruͤbſt dich/ daß du dich nicht ermuͤden
ſolleſt; du betruͤbſt dich/ daß du nicht auch
unandaͤchtig beten ſolleſt. Biſt du dann
nun nicht der Geſunde/ der gern krank: und
der Freye/ der gern gefangen waͤre?

Man gehe ſo weiter durch [d]ie jrꝛdiſche

Guͤter;
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[360/0440] Das Zwoͤlfte Capitel. lerneſt: Du waͤreſt der Geſunde/ der gern krank; und dn waͤreſt der Freye/ der gern gefangen waͤre. Ey bey Leib nicht/ ſprichſtu! Ich achte mein geringes Anſehen/ meinen ſchlechten Zuſtand/ mein weniges Auskommen fuͤr eine Krankheit und fuͤr eine Gefaͤngniß/ und begehre eben die Ehr/ die jener hat; das Anſehen/ das bey ihm iſt; den Aufnahm/ der ihm zufliegt/ daß es mir zufloͤge; Als- dann ich erſt geſund und frey werden wuͤrde. Dieſen Gedanken kan ich leicht ſehen; aber ich kan ihn auch leicht beantworten. Du betrübeſt dich/ daß du den Reichtum nicht haſt/ den du ſiheſt daß jener hat in ſo voller Unruh/ Wachen/ Sorgen/ Unbe- dachtſamkeit in Beten/ und heimlich-boͤſen Gewiſſen: So betruͤbſtu dich ia nur/ daß du diſſeits Sorgenfrey leben ſolleſt; du be- truͤbſt dich/ daß du ruhig ſchlaffen kanſt; du betruͤbſt dich/ daß du dich nicht ermuͤden ſolleſt; du betruͤbſt dich/ daß du nicht auch unandaͤchtig beten ſolleſt. Biſt du dann nun nicht der Geſunde/ der gern krank: und der Freye/ der gern gefangen waͤre? Man gehe ſo weiter durch die jrꝛdiſche Guͤter;

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Zitationshilfe: Wülfer, Daniel: Das vertheidigte Gottes-geschick/ und vernichtete Heyden-Glück. Nürnberg, 1656, S. 360. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wuelffer_gottesgeschick_1656/440>, abgerufen am 25.11.2024.