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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 7. Die einfachen Gefühle.
bei den Klanggefühlen. Diese Armuth der Sprache an spe-
cifischen Gefühlsbezeichnungen ist eine psychologische Folge
der subjectiven Natur der Gefühle, vermöge deren hier alle
jene Motive der praktischen Lebenserfahrung, aus denen die
Benennungen der Objecte und ihrer Eigenschaften entstan-
den sind, hinwegfallen. Hieraus auf eine entsprechende
Armuth der einfachen Gefühlsqualitäten selber zu schließen,
ist aber ein grobes psychologisches Missverständniss, das
überdies dadurch verhängnissvoll wird, dass es eine zu-
reichende Untersuchung der zusammengesetzten Gemüths-
vorgänge von vornherein unmöglich macht.

7. In Folge der angedeuteten Schwierigkeiten kann
natürlich an eine vollständige Aufzählung aller möglichen
einfachen Gefühlsqualitäten noch weniger als an eine solche
der Empfindungen gedacht werden. Eine derartige Auf-
zählung würde aber auch deshalb unausführbar sein, weil
die Gefühle gemäß den oben erörterten Eigenschaften nicht,
wie die Ton-, die Licht-, die Geschmacksempfindungen,
in sich abgeschlossene Systeme, sondern eine überall zu-
sammenhängende Mannigfaltigkeit bilden (S. 42), und weil
aus einer Verbindung von Gefühlen wiederum Gefühle her-
vorgehen, die nicht nur einen einheitlichen, sondern einen
einfachen Charakter besitzen (S. 88). An der so aus einer
Fülle verschiedener und auf das feinste abgestufter Quali-
täten bestehenden Mannigfaltigkeit der Gefühle sind jedoch
verschiedene Hauptrichtungen zu unterscheiden, die
sich zwischen gewissen Gefühlsgegensätze von dominirendem
Charakter erstrecken. Solche Hauptrichtungen des Gefühls
können daher immer durch je zwei Bezeichnungen aus-
gedrückt werden, die Gegensätze andeuten. Dabei ist aber
jede Bezeichnung wieder als ein Collectivausdruck anzu-
sehen, der eine unendliche Menge individuell variirender
Gefühle umfasst.

Wundt, Psychologie. 7

§ 7. Die einfachen Gefühle.
bei den Klanggefühlen. Diese Armuth der Sprache an spe-
cifischen Gefühlsbezeichnungen ist eine psychologische Folge
der subjectiven Natur der Gefühle, vermöge deren hier alle
jene Motive der praktischen Lebenserfahrung, aus denen die
Benennungen der Objecte und ihrer Eigenschaften entstan-
den sind, hinwegfallen. Hieraus auf eine entsprechende
Armuth der einfachen Gefühlsqualitäten selber zu schließen,
ist aber ein grobes psychologisches Missverständniss, das
überdies dadurch verhängnissvoll wird, dass es eine zu-
reichende Untersuchung der zusammengesetzten Gemüths-
vorgänge von vornherein unmöglich macht.

7. In Folge der angedeuteten Schwierigkeiten kann
natürlich an eine vollständige Aufzählung aller möglichen
einfachen Gefühlsqualitäten noch weniger als an eine solche
der Empfindungen gedacht werden. Eine derartige Auf-
zählung würde aber auch deshalb unausführbar sein, weil
die Gefühle gemäß den oben erörterten Eigenschaften nicht,
wie die Ton-, die Licht-, die Geschmacksempfindungen,
in sich abgeschlossene Systeme, sondern eine überall zu-
sammenhängende Mannigfaltigkeit bilden (S. 42), und weil
aus einer Verbindung von Gefühlen wiederum Gefühle her-
vorgehen, die nicht nur einen einheitlichen, sondern einen
einfachen Charakter besitzen (S. 88). An der so aus einer
Fülle verschiedener und auf das feinste abgestufter Quali-
täten bestehenden Mannigfaltigkeit der Gefühle sind jedoch
verschiedene Hauptrichtungen zu unterscheiden, die
sich zwischen gewissen Gefühlsgegensätze von dominirendem
Charakter erstrecken. Solche Hauptrichtungen des Gefühls
können daher immer durch je zwei Bezeichnungen aus-
gedrückt werden, die Gegensätze andeuten. Dabei ist aber
jede Bezeichnung wieder als ein Collectivausdruck anzu-
sehen, der eine unendliche Menge individuell variirender
Gefühle umfasst.

Wundt, Psychologie. 7
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[97/0113] § 7. Die einfachen Gefühle. bei den Klanggefühlen. Diese Armuth der Sprache an spe- cifischen Gefühlsbezeichnungen ist eine psychologische Folge der subjectiven Natur der Gefühle, vermöge deren hier alle jene Motive der praktischen Lebenserfahrung, aus denen die Benennungen der Objecte und ihrer Eigenschaften entstan- den sind, hinwegfallen. Hieraus auf eine entsprechende Armuth der einfachen Gefühlsqualitäten selber zu schließen, ist aber ein grobes psychologisches Missverständniss, das überdies dadurch verhängnissvoll wird, dass es eine zu- reichende Untersuchung der zusammengesetzten Gemüths- vorgänge von vornherein unmöglich macht. 7. In Folge der angedeuteten Schwierigkeiten kann natürlich an eine vollständige Aufzählung aller möglichen einfachen Gefühlsqualitäten noch weniger als an eine solche der Empfindungen gedacht werden. Eine derartige Auf- zählung würde aber auch deshalb unausführbar sein, weil die Gefühle gemäß den oben erörterten Eigenschaften nicht, wie die Ton-, die Licht-, die Geschmacksempfindungen, in sich abgeschlossene Systeme, sondern eine überall zu- sammenhängende Mannigfaltigkeit bilden (S. 42), und weil aus einer Verbindung von Gefühlen wiederum Gefühle her- vorgehen, die nicht nur einen einheitlichen, sondern einen einfachen Charakter besitzen (S. 88). An der so aus einer Fülle verschiedener und auf das feinste abgestufter Quali- täten bestehenden Mannigfaltigkeit der Gefühle sind jedoch verschiedene Hauptrichtungen zu unterscheiden, die sich zwischen gewissen Gefühlsgegensätze von dominirendem Charakter erstrecken. Solche Hauptrichtungen des Gefühls können daher immer durch je zwei Bezeichnungen aus- gedrückt werden, die Gegensätze andeuten. Dabei ist aber jede Bezeichnung wieder als ein Collectivausdruck anzu- sehen, der eine unendliche Menge individuell variirender Gefühle umfasst. Wundt, Psychologie. 7

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/113>, abgerufen am 21.11.2024.