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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 7. Die einfachen Gefühle.

10. Man hat sich die Frage vorgelegt, ob den ein-
fachen Gefühlen in ähnlicher Weise wie den Empfindungen
bestimmte physiologische Processe entsprächen. Wäh-
rend die ältere Psychologie geneigt war, diese Frage zu ver-
neinen und das Gefühl als einen innerlichen, rein psychischen
Zustand den von außen angeregten Empfindungen gegen-
überzustellen, hat man sie in neuerer Zeit in der Regel be-
jahend beantwortet, ohne sich dabei freilich meist auf zu-
reichende empirische Beweise stützen zu können.

Selbstverständlich müssen nun unsere Annahmen über
die physiologischen Begleiterscheinungen der Gefühle genau
so von den wirklich nachweisbaren physiologischen Vor-
gängen geleitet werden, wie die Annahmen über die physio-
logischen Grundlagen der Empfindungen von den Aufschlüssen
über die Structur und Function der Sinnesorgane. Bei der
Aufsuchung solcher Vorgänge wird man aber dieselben in
Anbetracht der subjectiven Natur der Gefühle von vorn-
herein nicht, wie bei den Empfindungen, in Processen zu
suchen haben, die direct durch äußere Einwirkungen in
dem Organismus hervorgerufen werden, sondern vielmehr in
solchen, die als Rückwirkungen der direct angeregten
Processe entstehen. Auch weist uns die Beobachtung der
aus Gefühlselementen zusammengesetzten Gebilde, der Affecte
und Willensvorgänge, als deren deutlich wahrnehmbare phy-
siologische Begleiterscheinungen uns stets äußere Körper-
bewegungen oder Veränderungen im Zustand der äußeren
Bewegungsorgane entgegentreten, auf diesen Weg hin.

Während die Analyse der Empfindungen und der aus
ihnen hervorgehenden psychischen Gebilde auf die directe
Anwendung der Eindrucksmethode angewiesen ist, kann
sich daher die Untersuchung der einfachen Gefühle und der
aus ihnen zusammengesetzten Vorgänge nur in indirecter
Weise dieser Methode bedienen. Dagegen eignet sich die

§ 7. Die einfachen Gefühle.

10. Man hat sich die Frage vorgelegt, ob den ein-
fachen Gefühlen in ähnlicher Weise wie den Empfindungen
bestimmte physiologische Processe entsprächen. Wäh-
rend die ältere Psychologie geneigt war, diese Frage zu ver-
neinen und das Gefühl als einen innerlichen, rein psychischen
Zustand den von außen angeregten Empfindungen gegen-
überzustellen, hat man sie in neuerer Zeit in der Regel be-
jahend beantwortet, ohne sich dabei freilich meist auf zu-
reichende empirische Beweise stützen zu können.

Selbstverständlich müssen nun unsere Annahmen über
die physiologischen Begleiterscheinungen der Gefühle genau
so von den wirklich nachweisbaren physiologischen Vor-
gängen geleitet werden, wie die Annahmen über die physio-
logischen Grundlagen der Empfindungen von den Aufschlüssen
über die Structur und Function der Sinnesorgane. Bei der
Aufsuchung solcher Vorgänge wird man aber dieselben in
Anbetracht der subjectiven Natur der Gefühle von vorn-
herein nicht, wie bei den Empfindungen, in Processen zu
suchen haben, die direct durch äußere Einwirkungen in
dem Organismus hervorgerufen werden, sondern vielmehr in
solchen, die als Rückwirkungen der direct angeregten
Processe entstehen. Auch weist uns die Beobachtung der
aus Gefühlselementen zusammengesetzten Gebilde, der Affecte
und Willensvorgänge, als deren deutlich wahrnehmbare phy-
siologische Begleiterscheinungen uns stets äußere Körper-
bewegungen oder Veränderungen im Zustand der äußeren
Bewegungsorgane entgegentreten, auf diesen Weg hin.

Während die Analyse der Empfindungen und der aus
ihnen hervorgehenden psychischen Gebilde auf die directe
Anwendung der Eindrucksmethode angewiesen ist, kann
sich daher die Untersuchung der einfachen Gefühle und der
aus ihnen zusammengesetzten Vorgänge nur in indirecter
Weise dieser Methode bedienen. Dagegen eignet sich die

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[101/0117] § 7. Die einfachen Gefühle. 10. Man hat sich die Frage vorgelegt, ob den ein- fachen Gefühlen in ähnlicher Weise wie den Empfindungen bestimmte physiologische Processe entsprächen. Wäh- rend die ältere Psychologie geneigt war, diese Frage zu ver- neinen und das Gefühl als einen innerlichen, rein psychischen Zustand den von außen angeregten Empfindungen gegen- überzustellen, hat man sie in neuerer Zeit in der Regel be- jahend beantwortet, ohne sich dabei freilich meist auf zu- reichende empirische Beweise stützen zu können. Selbstverständlich müssen nun unsere Annahmen über die physiologischen Begleiterscheinungen der Gefühle genau so von den wirklich nachweisbaren physiologischen Vor- gängen geleitet werden, wie die Annahmen über die physio- logischen Grundlagen der Empfindungen von den Aufschlüssen über die Structur und Function der Sinnesorgane. Bei der Aufsuchung solcher Vorgänge wird man aber dieselben in Anbetracht der subjectiven Natur der Gefühle von vorn- herein nicht, wie bei den Empfindungen, in Processen zu suchen haben, die direct durch äußere Einwirkungen in dem Organismus hervorgerufen werden, sondern vielmehr in solchen, die als Rückwirkungen der direct angeregten Processe entstehen. Auch weist uns die Beobachtung der aus Gefühlselementen zusammengesetzten Gebilde, der Affecte und Willensvorgänge, als deren deutlich wahrnehmbare phy- siologische Begleiterscheinungen uns stets äußere Körper- bewegungen oder Veränderungen im Zustand der äußeren Bewegungsorgane entgegentreten, auf diesen Weg hin. Während die Analyse der Empfindungen und der aus ihnen hervorgehenden psychischen Gebilde auf die directe Anwendung der Eindrucksmethode angewiesen ist, kann sich daher die Untersuchung der einfachen Gefühle und der aus ihnen zusammengesetzten Vorgänge nur in indirecter Weise dieser Methode bedienen. Dagegen eignet sich die

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 101. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/117>, abgerufen am 09.11.2024.