Sache nach nur die Eindrucksmethode verwenden. Die Aus- drucksmethode kann immer nur Ergebnisse liefern, die die physi- ologischen Begleiterscheinungen der Gefühle, nicht aber deren psychologische Natur aufzuklären im Stande sind.
Speciell die beobachteten Veränderungen des Pulses müssen als Wirkungen einer veränderten Innervation des Herzens be- trachtet werden, die von dessen Centren ausgeht. Nun weist die Physiologie nach, dass das Herz mit den Centralorganen durch ein doppeltes System in Verbindung steht: durch ein System von Erregungsnerven, die im sympathischen Nerven verlaufen und indirect aus dem verlängerten Mark stammen, und durch ein System von Hemmungsnerven, die im 10. Hirn- nerven (Vagus) verlaufen und ebenfalls im verlängerten Mark ihren Ursprung nehmen. Die normale Regelmäßigkeit des Pulsschlags beruht auf einem gewissen Gleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Nerveneinflüssen, für die außer im Gehirn auch im Herzen selbst in den Ganglien desselben Centren vorhanden sind. Jede Zunahme und jede Abnahme der Herzenergie lässt daher im allgemeinen eine doppelte Deutung zu: jene kann von Zunahme der Erregungs- oder Abnahme der Hemmungs- innervation, diese von Abnahme der Erregungs- oder Zunahme der Hemmungsinnervation herrühren, und in beiden Fällen können sich überdies beide Einflüsse verbinden. Ein überall anwendbares Hülfsmittel zur Unterscheidung dieser Möglichkeiten besitzen wir nicht; doch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Reizung der Hemmungsnerven einen rascheren Erfolg hat als die der Er- regungsnerven, in vielen Fällen eine größere Wahrscheinlichkeit für die eine oder die andere Vermuthung. Nun folgen die Ge- fühlssymptome des Pulses durchweg sehr schnell den verursachen- den Empfindungen. Daraus kann man mit Wahrscheinlichkeit schließen, dass es vorzugsweise die Veränderungen der vom Ge- hirn ausgehenden, im Vagus geleiteten Hemmungsinnervation sind, die wir bei den Gefühlen und Affecten beobachten. Hier- nach ist wohl anzunehmen, dass der Gefühlsbetonung einer Em- pfindung physiologisch eine Ausbreitung der Reizungsvorgänge von dem Sinnescentrum auf andere Centralgebiete entspricht, die mit den Ursprüngen der Hemmungsnerven des Herzens in Verbin- dung stehen. Welche Centralgebiete dies sind, wissen wir nicht. Aber der Umstand, dass für alle Elemente unserer psychologischen
I. Die psychischen Elemente.
Sache nach nur die Eindrucksmethode verwenden. Die Aus- drucksmethode kann immer nur Ergebnisse liefern, die die physi- ologischen Begleiterscheinungen der Gefühle, nicht aber deren psychologische Natur aufzuklären im Stande sind.
Speciell die beobachteten Veränderungen des Pulses müssen als Wirkungen einer veränderten Innervation des Herzens be- trachtet werden, die von dessen Centren ausgeht. Nun weist die Physiologie nach, dass das Herz mit den Centralorganen durch ein doppeltes System in Verbindung steht: durch ein System von Erregungsnerven, die im sympathischen Nerven verlaufen und indirect aus dem verlängerten Mark stammen, und durch ein System von Hemmungsnerven, die im 10. Hirn- nerven (Vagus) verlaufen und ebenfalls im verlängerten Mark ihren Ursprung nehmen. Die normale Regelmäßigkeit des Pulsschlags beruht auf einem gewissen Gleichgewicht zwischen erregenden und hemmenden Nerveneinflüssen, für die außer im Gehirn auch im Herzen selbst in den Ganglien desselben Centren vorhanden sind. Jede Zunahme und jede Abnahme der Herzenergie lässt daher im allgemeinen eine doppelte Deutung zu: jene kann von Zunahme der Erregungs- oder Abnahme der Hemmungs- innervation, diese von Abnahme der Erregungs- oder Zunahme der Hemmungsinnervation herrühren, und in beiden Fällen können sich überdies beide Einflüsse verbinden. Ein überall anwendbares Hülfsmittel zur Unterscheidung dieser Möglichkeiten besitzen wir nicht; doch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Reizung der Hemmungsnerven einen rascheren Erfolg hat als die der Er- regungsnerven, in vielen Fällen eine größere Wahrscheinlichkeit für die eine oder die andere Vermuthung. Nun folgen die Ge- fühlssymptome des Pulses durchweg sehr schnell den verursachen- den Empfindungen. Daraus kann man mit Wahrscheinlichkeit schließen, dass es vorzugsweise die Veränderungen der vom Ge- hirn ausgehenden, im Vagus geleiteten Hemmungsinnervation sind, die wir bei den Gefühlen und Affecten beobachten. Hier- nach ist wohl anzunehmen, dass der Gefühlsbetonung einer Em- pfindung physiologisch eine Ausbreitung der Reizungsvorgänge von dem Sinnescentrum auf andere Centralgebiete entspricht, die mit den Ursprüngen der Hemmungsnerven des Herzens in Verbin- dung stehen. Welche Centralgebiete dies sind, wissen wir nicht. Aber der Umstand, dass für alle Elemente unserer psychologischen
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I. Die psychischen Elemente.
Sache nach nur die Eindrucksmethode verwenden. Die Aus-
drucksmethode kann immer nur Ergebnisse liefern, die die physi-
ologischen Begleiterscheinungen der Gefühle, nicht aber deren
psychologische Natur aufzuklären im Stande sind.
Speciell die beobachteten Veränderungen des Pulses müssen
als Wirkungen einer veränderten Innervation des Herzens be-
trachtet werden, die von dessen Centren ausgeht. Nun weist
die Physiologie nach, dass das Herz mit den Centralorganen
durch ein doppeltes System in Verbindung steht: durch ein
System von Erregungsnerven, die im sympathischen Nerven
verlaufen und indirect aus dem verlängerten Mark stammen, und
durch ein System von Hemmungsnerven, die im 10. Hirn-
nerven (Vagus) verlaufen und ebenfalls im verlängerten Mark ihren
Ursprung nehmen. Die normale Regelmäßigkeit des Pulsschlags
beruht auf einem gewissen Gleichgewicht zwischen erregenden
und hemmenden Nerveneinflüssen, für die außer im Gehirn auch
im Herzen selbst in den Ganglien desselben Centren vorhanden
sind. Jede Zunahme und jede Abnahme der Herzenergie lässt
daher im allgemeinen eine doppelte Deutung zu: jene kann
von Zunahme der Erregungs- oder Abnahme der Hemmungs-
innervation, diese von Abnahme der Erregungs- oder Zunahme
der Hemmungsinnervation herrühren, und in beiden Fällen können
sich überdies beide Einflüsse verbinden. Ein überall anwendbares
Hülfsmittel zur Unterscheidung dieser Möglichkeiten besitzen wir
nicht; doch ergibt sich aus dem Umstand, dass die Reizung der
Hemmungsnerven einen rascheren Erfolg hat als die der Er-
regungsnerven, in vielen Fällen eine größere Wahrscheinlichkeit
für die eine oder die andere Vermuthung. Nun folgen die Ge-
fühlssymptome des Pulses durchweg sehr schnell den verursachen-
den Empfindungen. Daraus kann man mit Wahrscheinlichkeit
schließen, dass es vorzugsweise die Veränderungen der vom Ge-
hirn ausgehenden, im Vagus geleiteten Hemmungsinnervation
sind, die wir bei den Gefühlen und Affecten beobachten. Hier-
nach ist wohl anzunehmen, dass der Gefühlsbetonung einer Em-
pfindung physiologisch eine Ausbreitung der Reizungsvorgänge
von dem Sinnescentrum auf andere Centralgebiete entspricht, die
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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 104. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/120>, abgerufen am 24.11.2024.
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