Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

§ 9. Die intensiven Vorstellungen.
kommen die Differenztöne erster Art nur bei harmonischen,
die der zweiten Art kommen jedenfalls auch bei dissonanten
Zusammenklängen vor. Die Verschmelzung der Differenztöne
mit den Haupttönen des Zusammenklangs ist wieder eine
um so vollkommenere, je weniger intensiv sie sind, und je
mehr sie sich mit den ursprünglichen Klangelementen als har-
monische Töne in die einfache Tonreihe einfügen. In Folge
dieser Eigenschaften haben die Differenztöne eine ähnlich
charakteristische Bedeutung für die Zusammenklänge wie die
Obertöne für die Einzelklänge. Sie sind aber von der Klang-
färbung der Componenten des Zusammenklangs nahezu un-
abhängige, dagegen mit dem Verhältniss der Haupttöne des
letzteren äußerst variable Elemente, woraus sich die relative
Gleichförmigkeit in dem Charakter eines gegebenen Zusammen-
klangs bei wechselnder Klangfarbe der Einzelklänge erklärt.

7. Der Zusammenklang kann durch alle möglichen
Zwischenstufen in die dritte Form intensiver Schallvorstel-
lungen, in die des Geräusches übergehen. Wenn das Ver-
hältniss zweier Töne jenseits der Grenze der harmonischen
Tonreihe liegt, und wenn zugleich die Differenz ihrer
Schwingungszahlen eine gewisse Grenze, bei den höhern
Tönen etwa 60 Schwingungen, bei den tiefen 30 und
weniger, nicht überschreitet, so entstehen Störungen des
Zusammenklangs, die in ihrer Anzahl dem Unterschied der
Schwingungszahlen der primären Töne entsprechen, und die
in der abwechselnden Interferenz gleich und entgegengesetzt
gerichteter Schwingungsphasen ihren Grund haben. Diese
Störungen bestehen entweder in Unterbrechungen der Klang-
empfindung, Schwebungen, oder, namentlich bei tiefen
Tönen, in intermittirenden Empfindungen eines Differenztons,
Tonstößen. Ueberschreitet der Unterschied der Schwin-
gungszahlen die oben angegebenen Grenzen, so klingen
die Töne zunächst, indem die Intermissionen verschwinden,

§ 9. Die intensiven Vorstellungen.
kommen die Differenztöne erster Art nur bei harmonischen,
die der zweiten Art kommen jedenfalls auch bei dissonanten
Zusammenklängen vor. Die Verschmelzung der Differenztöne
mit den Haupttönen des Zusammenklangs ist wieder eine
um so vollkommenere, je weniger intensiv sie sind, und je
mehr sie sich mit den ursprünglichen Klangelementen als har-
monische Töne in die einfache Tonreihe einfügen. In Folge
dieser Eigenschaften haben die Differenztöne eine ähnlich
charakteristische Bedeutung für die Zusammenklänge wie die
Obertöne für die Einzelklänge. Sie sind aber von der Klang-
färbung der Componenten des Zusammenklangs nahezu un-
abhängige, dagegen mit dem Verhältniss der Haupttöne des
letzteren äußerst variable Elemente, woraus sich die relative
Gleichförmigkeit in dem Charakter eines gegebenen Zusammen-
klangs bei wechselnder Klangfarbe der Einzelklänge erklärt.

7. Der Zusammenklang kann durch alle möglichen
Zwischenstufen in die dritte Form intensiver Schallvorstel-
lungen, in die des Geräusches übergehen. Wenn das Ver-
hältniss zweier Töne jenseits der Grenze der harmonischen
Tonreihe liegt, und wenn zugleich die Differenz ihrer
Schwingungszahlen eine gewisse Grenze, bei den höhern
Tönen etwa 60 Schwingungen, bei den tiefen 30 und
weniger, nicht überschreitet, so entstehen Störungen des
Zusammenklangs, die in ihrer Anzahl dem Unterschied der
Schwingungszahlen der primären Töne entsprechen, und die
in der abwechselnden Interferenz gleich und entgegengesetzt
gerichteter Schwingungsphasen ihren Grund haben. Diese
Störungen bestehen entweder in Unterbrechungen der Klang-
empfindung, Schwebungen, oder, namentlich bei tiefen
Tönen, in intermittirenden Empfindungen eines Differenztons,
Tonstößen. Ueberschreitet der Unterschied der Schwin-
gungszahlen die oben angegebenen Grenzen, so klingen
die Töne zunächst, indem die Intermissionen verschwinden,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0133" n="117"/><fw place="top" type="header">§ 9. Die intensiven Vorstellungen.</fw><lb/>
kommen die Differenztöne erster Art nur bei harmonischen,<lb/>
die der zweiten Art kommen jedenfalls auch bei dissonanten<lb/>
Zusammenklängen vor. Die Verschmelzung der Differenztöne<lb/>
mit den Haupttönen des Zusammenklangs ist wieder eine<lb/>
um so vollkommenere, je weniger intensiv sie sind, und je<lb/>
mehr sie sich mit den ursprünglichen Klangelementen als har-<lb/>
monische Töne in die einfache Tonreihe einfügen. In Folge<lb/>
dieser Eigenschaften haben die Differenztöne eine ähnlich<lb/>
charakteristische Bedeutung für die Zusammenklänge wie die<lb/>
Obertöne für die Einzelklänge. Sie sind aber von der Klang-<lb/>
färbung der Componenten des Zusammenklangs nahezu un-<lb/>
abhängige, dagegen mit dem Verhältniss der Haupttöne des<lb/>
letzteren äußerst variable Elemente, woraus sich die relative<lb/>
Gleichförmigkeit in dem Charakter eines gegebenen Zusammen-<lb/>
klangs bei wechselnder Klangfarbe der Einzelklänge erklärt.</p><lb/>
          <p>7. Der Zusammenklang kann durch alle möglichen<lb/>
Zwischenstufen in die dritte Form intensiver Schallvorstel-<lb/>
lungen, in die des <hi rendition="#g">Geräusches</hi> übergehen. Wenn das Ver-<lb/>
hältniss zweier Töne jenseits der Grenze der harmonischen<lb/>
Tonreihe liegt, und wenn zugleich die Differenz ihrer<lb/>
Schwingungszahlen eine gewisse Grenze, bei den höhern<lb/>
Tönen etwa 60 Schwingungen, bei den tiefen 30 und<lb/>
weniger, nicht überschreitet, so entstehen Störungen des<lb/>
Zusammenklangs, die in ihrer Anzahl dem Unterschied der<lb/>
Schwingungszahlen der primären Töne entsprechen, und die<lb/>
in der abwechselnden Interferenz gleich und entgegengesetzt<lb/>
gerichteter Schwingungsphasen ihren Grund haben. Diese<lb/>
Störungen bestehen entweder in Unterbrechungen der Klang-<lb/>
empfindung, <hi rendition="#g">Schwebungen</hi>, oder, namentlich bei tiefen<lb/>
Tönen, in intermittirenden Empfindungen eines Differenztons,<lb/><hi rendition="#g">Tonstößen</hi>. Ueberschreitet der Unterschied der Schwin-<lb/>
gungszahlen die oben angegebenen Grenzen, so klingen<lb/>
die Töne zunächst, indem die Intermissionen verschwinden,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[117/0133] § 9. Die intensiven Vorstellungen. kommen die Differenztöne erster Art nur bei harmonischen, die der zweiten Art kommen jedenfalls auch bei dissonanten Zusammenklängen vor. Die Verschmelzung der Differenztöne mit den Haupttönen des Zusammenklangs ist wieder eine um so vollkommenere, je weniger intensiv sie sind, und je mehr sie sich mit den ursprünglichen Klangelementen als har- monische Töne in die einfache Tonreihe einfügen. In Folge dieser Eigenschaften haben die Differenztöne eine ähnlich charakteristische Bedeutung für die Zusammenklänge wie die Obertöne für die Einzelklänge. Sie sind aber von der Klang- färbung der Componenten des Zusammenklangs nahezu un- abhängige, dagegen mit dem Verhältniss der Haupttöne des letzteren äußerst variable Elemente, woraus sich die relative Gleichförmigkeit in dem Charakter eines gegebenen Zusammen- klangs bei wechselnder Klangfarbe der Einzelklänge erklärt. 7. Der Zusammenklang kann durch alle möglichen Zwischenstufen in die dritte Form intensiver Schallvorstel- lungen, in die des Geräusches übergehen. Wenn das Ver- hältniss zweier Töne jenseits der Grenze der harmonischen Tonreihe liegt, und wenn zugleich die Differenz ihrer Schwingungszahlen eine gewisse Grenze, bei den höhern Tönen etwa 60 Schwingungen, bei den tiefen 30 und weniger, nicht überschreitet, so entstehen Störungen des Zusammenklangs, die in ihrer Anzahl dem Unterschied der Schwingungszahlen der primären Töne entsprechen, und die in der abwechselnden Interferenz gleich und entgegengesetzt gerichteter Schwingungsphasen ihren Grund haben. Diese Störungen bestehen entweder in Unterbrechungen der Klang- empfindung, Schwebungen, oder, namentlich bei tiefen Tönen, in intermittirenden Empfindungen eines Differenztons, Tonstößen. Ueberschreitet der Unterschied der Schwin- gungszahlen die oben angegebenen Grenzen, so klingen die Töne zunächst, indem die Intermissionen verschwinden,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/133
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 117. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/133>, abgerufen am 21.11.2024.