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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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II. Die psychischen Gebilde.
Empfindungen, sein kann, sondern dass sie erst eine Folge
des Zusammenseins der Empfindungen ist, die aus irgend
welchen durch dieses Zusammensein neu entstehenden psy-
chischen Bedingungen entspringt. Denn wollte man diese
Forderung nicht zugestehen, so würde man genöthigt sein,
nicht etwa bloß jeder einzelnen Empfindung eine räumliche
Qualität beizulegen, sondern man müsste in jede räumlich
noch so beschränkte Empfindung sogleich die Vorstellung
des ganzen dreidimensionalen Raumes in seiner Orientirung
zum vorstellenden Subjecte mit aufnehmen. Dies würde
aber zu der Annahme einer a priori allen einzelnen Empfin-
dungen vorausgehenden Raumanschauung führen, einer An-
nahme die nicht bloß mit allen unsern Erfahrungen über
die Entstehungsbedingungen und die Entwicklung psychischer
Gebilde überhaupt, sondern speciell auch mit allen Er-
fahrungen über die Einflüsse, denen die räumlichen Vor-
stellungsgebilde selbst unterworfen sind, im Widerspruch
stünde.

3. Alle räumlichen Vorstellungen bieten sich uns als
Formen der Ordnung zweier Sinnesqualitäten dar, der
Tastempfindungen und der Lichtempfindungen, von
denen aus dann erst secundär, durch die Verbindung der
entsprechenden Empfindungen mit Tast- oder Gesichtsvor-
stellungen, die Beziehung auf den Raum auch auf andere
Empfindungen übertragen werden kann. Bei dem Tast-
und Gesichtssinn aber sind offenbar schon durch die flächen-
förmige Ausbreitung der peripheren Sinnesorgane und durch
die Ausstattung dieser mit Bewegungsapparaten, die eine
wechselnde Orientirung der Eindrücke zum vorstellenden
Subjecte möglich machen, günstige Bedingungen zu einer
extensiven räumlichen Ordnung der Empfindungen gegeben.
Von beiden Sinnesgebieten ist das des Tastsinns wieder
das ursprünglichere, da es in der Entwicklungsreihe der

II. Die psychischen Gebilde.
Empfindungen, sein kann, sondern dass sie erst eine Folge
des Zusammenseins der Empfindungen ist, die aus irgend
welchen durch dieses Zusammensein neu entstehenden psy-
chischen Bedingungen entspringt. Denn wollte man diese
Forderung nicht zugestehen, so würde man genöthigt sein,
nicht etwa bloß jeder einzelnen Empfindung eine räumliche
Qualität beizulegen, sondern man müsste in jede räumlich
noch so beschränkte Empfindung sogleich die Vorstellung
des ganzen dreidimensionalen Raumes in seiner Orientirung
zum vorstellenden Subjecte mit aufnehmen. Dies würde
aber zu der Annahme einer a priori allen einzelnen Empfin-
dungen vorausgehenden Raumanschauung führen, einer An-
nahme die nicht bloß mit allen unsern Erfahrungen über
die Entstehungsbedingungen und die Entwicklung psychischer
Gebilde überhaupt, sondern speciell auch mit allen Er-
fahrungen über die Einflüsse, denen die räumlichen Vor-
stellungsgebilde selbst unterworfen sind, im Widerspruch
stünde.

3. Alle räumlichen Vorstellungen bieten sich uns als
Formen der Ordnung zweier Sinnesqualitäten dar, der
Tastempfindungen und der Lichtempfindungen, von
denen aus dann erst secundär, durch die Verbindung der
entsprechenden Empfindungen mit Tast- oder Gesichtsvor-
stellungen, die Beziehung auf den Raum auch auf andere
Empfindungen übertragen werden kann. Bei dem Tast-
und Gesichtssinn aber sind offenbar schon durch die flächen-
förmige Ausbreitung der peripheren Sinnesorgane und durch
die Ausstattung dieser mit Bewegungsapparaten, die eine
wechselnde Orientirung der Eindrücke zum vorstellenden
Subjecte möglich machen, günstige Bedingungen zu einer
extensiven räumlichen Ordnung der Empfindungen gegeben.
Von beiden Sinnesgebieten ist das des Tastsinns wieder
das ursprünglichere, da es in der Entwicklungsreihe der

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[122/0138] II. Die psychischen Gebilde. Empfindungen, sein kann, sondern dass sie erst eine Folge des Zusammenseins der Empfindungen ist, die aus irgend welchen durch dieses Zusammensein neu entstehenden psy- chischen Bedingungen entspringt. Denn wollte man diese Forderung nicht zugestehen, so würde man genöthigt sein, nicht etwa bloß jeder einzelnen Empfindung eine räumliche Qualität beizulegen, sondern man müsste in jede räumlich noch so beschränkte Empfindung sogleich die Vorstellung des ganzen dreidimensionalen Raumes in seiner Orientirung zum vorstellenden Subjecte mit aufnehmen. Dies würde aber zu der Annahme einer a priori allen einzelnen Empfin- dungen vorausgehenden Raumanschauung führen, einer An- nahme die nicht bloß mit allen unsern Erfahrungen über die Entstehungsbedingungen und die Entwicklung psychischer Gebilde überhaupt, sondern speciell auch mit allen Er- fahrungen über die Einflüsse, denen die räumlichen Vor- stellungsgebilde selbst unterworfen sind, im Widerspruch stünde. 3. Alle räumlichen Vorstellungen bieten sich uns als Formen der Ordnung zweier Sinnesqualitäten dar, der Tastempfindungen und der Lichtempfindungen, von denen aus dann erst secundär, durch die Verbindung der entsprechenden Empfindungen mit Tast- oder Gesichtsvor- stellungen, die Beziehung auf den Raum auch auf andere Empfindungen übertragen werden kann. Bei dem Tast- und Gesichtssinn aber sind offenbar schon durch die flächen- förmige Ausbreitung der peripheren Sinnesorgane und durch die Ausstattung dieser mit Bewegungsapparaten, die eine wechselnde Orientirung der Eindrücke zum vorstellenden Subjecte möglich machen, günstige Bedingungen zu einer extensiven räumlichen Ordnung der Empfindungen gegeben. Von beiden Sinnesgebieten ist das des Tastsinns wieder das ursprünglichere, da es in der Entwicklungsreihe der

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 122. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/138>, abgerufen am 21.11.2024.