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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
Organismen früher entsteht, und da uns überdies hier die
beim Gesichtssinn in weit feinerer Ausbildung gegebenen
Organisationsverhältnisse noch roher, darum aber auch in
mancher Beziehung deutlicher entgegentreten. Doch kommt
dabei in Betracht, dass beim sehenden Menschen die räum-
lichen Vorstellungen des Tastsinns in hohem Grade durch
die des Gesichtssinns beeinflusst sind.

A. Die räumlichen Tastvorstellungen.

4. Die einfachste für den Tastsinn mögliche räum-
liche Vorstellung, ist die eines einzelnen nahezu punkt-
förmigen Eindrucks auf die Haut
. Auch wenn ein
solcher Eindruck bei abgewandtem Gesichtsorgan einwirkt,
bildet sich eine bestimmte Vorstellung von dem Ort der
Berührung
. Diese Vorstellung, die man die Localisa-
tion des Reizes
nennt, ist, wie die Selbstbeobachtung zeigt,
beim sehenden Menschen in der Regel keine unmittelbare,
was man erwarten müsste, wenn das Räumliche eine der
Empfindung ursprünglich eigenthümliche Eigenschaft wäre,
sondern sie ist von einer hinzutretenden, wenn auch meist
sehr dunkeln Gesichtsvorstellung der berührten Körper-
stelle abhängig. Die Localisation ist daher in der Nähe der
Begrenzungslinien der Tastorgane, die sich im Gesichtsbild
deutlicher ausprägen, genauer als inmitten gleichförmig be-
schaffener Flächen. Die Erweckung einer Gesichtsvorstellung
durch den Tasteindruck wird aber auch bei abgewandtem
Sehorgan dadurch möglich, dass jedem Punkt des Tastorgans
eine eigenthümliche qualitative Färbung der Tastempfindung
zukommt, die unabhängig von der Qualität des äußeren
Eindrucks ist und wahrscheinlich von den von Punkt zu
Punkt wechselnden und an zwei entfernten Stellen niemals
völlig übereinstimmenden Structureigenthümlichkeiten der
Haut herrührt.

§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
Organismen früher entsteht, und da uns überdies hier die
beim Gesichtssinn in weit feinerer Ausbildung gegebenen
Organisationsverhältnisse noch roher, darum aber auch in
mancher Beziehung deutlicher entgegentreten. Doch kommt
dabei in Betracht, dass beim sehenden Menschen die räum-
lichen Vorstellungen des Tastsinns in hohem Grade durch
die des Gesichtssinns beeinflusst sind.

A. Die räumlichen Tastvorstellungen.

4. Die einfachste für den Tastsinn mögliche räum-
liche Vorstellung, ist die eines einzelnen nahezu punkt-
förmigen Eindrucks auf die Haut
. Auch wenn ein
solcher Eindruck bei abgewandtem Gesichtsorgan einwirkt,
bildet sich eine bestimmte Vorstellung von dem Ort der
Berührung
. Diese Vorstellung, die man die Localisa-
tion des Reizes
nennt, ist, wie die Selbstbeobachtung zeigt,
beim sehenden Menschen in der Regel keine unmittelbare,
was man erwarten müsste, wenn das Räumliche eine der
Empfindung ursprünglich eigenthümliche Eigenschaft wäre,
sondern sie ist von einer hinzutretenden, wenn auch meist
sehr dunkeln Gesichtsvorstellung der berührten Körper-
stelle abhängig. Die Localisation ist daher in der Nähe der
Begrenzungslinien der Tastorgane, die sich im Gesichtsbild
deutlicher ausprägen, genauer als inmitten gleichförmig be-
schaffener Flächen. Die Erweckung einer Gesichtsvorstellung
durch den Tasteindruck wird aber auch bei abgewandtem
Sehorgan dadurch möglich, dass jedem Punkt des Tastorgans
eine eigenthümliche qualitative Färbung der Tastempfindung
zukommt, die unabhängig von der Qualität des äußeren
Eindrucks ist und wahrscheinlich von den von Punkt zu
Punkt wechselnden und an zwei entfernten Stellen niemals
völlig übereinstimmenden Structureigenthümlichkeiten der
Haut herrührt.

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[123/0139] § 10. Die räumlichen Vorstellungen. Organismen früher entsteht, und da uns überdies hier die beim Gesichtssinn in weit feinerer Ausbildung gegebenen Organisationsverhältnisse noch roher, darum aber auch in mancher Beziehung deutlicher entgegentreten. Doch kommt dabei in Betracht, dass beim sehenden Menschen die räum- lichen Vorstellungen des Tastsinns in hohem Grade durch die des Gesichtssinns beeinflusst sind. A. Die räumlichen Tastvorstellungen. 4. Die einfachste für den Tastsinn mögliche räum- liche Vorstellung, ist die eines einzelnen nahezu punkt- förmigen Eindrucks auf die Haut. Auch wenn ein solcher Eindruck bei abgewandtem Gesichtsorgan einwirkt, bildet sich eine bestimmte Vorstellung von dem Ort der Berührung. Diese Vorstellung, die man die Localisa- tion des Reizes nennt, ist, wie die Selbstbeobachtung zeigt, beim sehenden Menschen in der Regel keine unmittelbare, was man erwarten müsste, wenn das Räumliche eine der Empfindung ursprünglich eigenthümliche Eigenschaft wäre, sondern sie ist von einer hinzutretenden, wenn auch meist sehr dunkeln Gesichtsvorstellung der berührten Körper- stelle abhängig. Die Localisation ist daher in der Nähe der Begrenzungslinien der Tastorgane, die sich im Gesichtsbild deutlicher ausprägen, genauer als inmitten gleichförmig be- schaffener Flächen. Die Erweckung einer Gesichtsvorstellung durch den Tasteindruck wird aber auch bei abgewandtem Sehorgan dadurch möglich, dass jedem Punkt des Tastorgans eine eigenthümliche qualitative Färbung der Tastempfindung zukommt, die unabhängig von der Qualität des äußeren Eindrucks ist und wahrscheinlich von den von Punkt zu Punkt wechselnden und an zwei entfernten Stellen niemals völlig übereinstimmenden Structureigenthümlichkeiten der Haut herrührt.

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/139>, abgerufen am 24.11.2024.