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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
cular fixiren, so entwirft nur der fixirte Punkt samt den mit
ihm in gleicher Entfernung gelegenen und ihm im Sehfelde
benachbarten Punkten in beiden Augen Bilder von überein-
stimmender Lage. Alle nicht in gleicher Entfernung gelegenen
Theile des Objectes dagegen entwerfen in beiden Augen Bilder
von abweichender Lage und Größe. Diese Unterschiede der
Bilder aber sind es gerade, die, wenn die zugehörigen Fixations-
linien gegeben sind, die Vorstellung der körperlichen Beschaffen-
heit des Objectes hervorbringen, indem in der oben angegebenen
Weise der parallaktische Verschiebungswinkel, der den binocularen
Bildpunkten irgend eines vor oder hinter dem fixirten Punkte
gelegenen und mit ihm durch eine Fixationslinie verbundenen
Objectpunktes entspricht, seiner Richtung und Größe nach durch
die an ihn gebundenen complexen Localzeichen ein Maß für die
relative Tiefendistanz dieses Objectpunktes ist. Da der parallak-
tische Verschiebungswinkel für eine gegebene objective Tiefen-
distanz proportional der Entfernung des körperlichen Gegenstandes
abnimmt, so vermindert sich aber mit dieser Entfernung der
Eindruck der Körperlichkeit der Objecte; und sobald die Ent-
fernung eines Körpers so groß geworden ist, dass die sämmt-
lichen parallaktischen Verschiebungswinkel verschwinden, so wird
der Körper nur noch flächenhaft gesehen, falls nicht die später
(in § 16, 9) zu erörternden Associationen dennoch eine Tiefenvor-
stellung erzeugen.

33. Der Einfluss des binocularen Sehens auf die Tiefen-
vorstellungen lässt sich experimentell mit Hülfe des Stereo-
skops
studiren. Die Wirkung dieses Instrumentes beruht
darauf, dass es mit Hülfe von zwei Prismen, die, mit den
brechenden Winkeln einander zugekehrt, vor beide Augen
gebracht werden, eine binoculare Vereinigung zweier ebener
Zeichnungen ermöglicht, die den von einem körperlichen Ge-
genstand herrührenden Netzhautbildern entsprechen. Dabei
lässt sich dann der Einfluss der verschiedenen Bedingungen
auf die Tiefenvorstellung, weil sie willkürlich variirt werden
können, weit vollkommener erforschen als mittelst der Be-
trachtung wirklicher körperlicher Gegenstände.

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§ 10. Die räumlichen Vorstellungen.
cular fixiren, so entwirft nur der fixirte Punkt samt den mit
ihm in gleicher Entfernung gelegenen und ihm im Sehfelde
benachbarten Punkten in beiden Augen Bilder von überein-
stimmender Lage. Alle nicht in gleicher Entfernung gelegenen
Theile des Objectes dagegen entwerfen in beiden Augen Bilder
von abweichender Lage und Größe. Diese Unterschiede der
Bilder aber sind es gerade, die, wenn die zugehörigen Fixations-
linien gegeben sind, die Vorstellung der körperlichen Beschaffen-
heit des Objectes hervorbringen, indem in der oben angegebenen
Weise der parallaktische Verschiebungswinkel, der den binocularen
Bildpunkten irgend eines vor oder hinter dem fixirten Punkte
gelegenen und mit ihm durch eine Fixationslinie verbundenen
Objectpunktes entspricht, seiner Richtung und Größe nach durch
die an ihn gebundenen complexen Localzeichen ein Maß für die
relative Tiefendistanz dieses Objectpunktes ist. Da der parallak-
tische Verschiebungswinkel für eine gegebene objective Tiefen-
distanz proportional der Entfernung des körperlichen Gegenstandes
abnimmt, so vermindert sich aber mit dieser Entfernung der
Eindruck der Körperlichkeit der Objecte; und sobald die Ent-
fernung eines Körpers so groß geworden ist, dass die sämmt-
lichen parallaktischen Verschiebungswinkel verschwinden, so wird
der Körper nur noch flächenhaft gesehen, falls nicht die später
(in § 16, 9) zu erörternden Associationen dennoch eine Tiefenvor-
stellung erzeugen.

33. Der Einfluss des binocularen Sehens auf die Tiefen-
vorstellungen lässt sich experimentell mit Hülfe des Stereo-
skops
studiren. Die Wirkung dieses Instrumentes beruht
darauf, dass es mit Hülfe von zwei Prismen, die, mit den
brechenden Winkeln einander zugekehrt, vor beide Augen
gebracht werden, eine binoculare Vereinigung zweier ebener
Zeichnungen ermöglicht, die den von einem körperlichen Ge-
genstand herrührenden Netzhautbildern entsprechen. Dabei
lässt sich dann der Einfluss der verschiedenen Bedingungen
auf die Tiefenvorstellung, weil sie willkürlich variirt werden
können, weit vollkommener erforschen als mittelst der Be-
trachtung wirklicher körperlicher Gegenstände.

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[163/0179] § 10. Die räumlichen Vorstellungen. cular fixiren, so entwirft nur der fixirte Punkt samt den mit ihm in gleicher Entfernung gelegenen und ihm im Sehfelde benachbarten Punkten in beiden Augen Bilder von überein- stimmender Lage. Alle nicht in gleicher Entfernung gelegenen Theile des Objectes dagegen entwerfen in beiden Augen Bilder von abweichender Lage und Größe. Diese Unterschiede der Bilder aber sind es gerade, die, wenn die zugehörigen Fixations- linien gegeben sind, die Vorstellung der körperlichen Beschaffen- heit des Objectes hervorbringen, indem in der oben angegebenen Weise der parallaktische Verschiebungswinkel, der den binocularen Bildpunkten irgend eines vor oder hinter dem fixirten Punkte gelegenen und mit ihm durch eine Fixationslinie verbundenen Objectpunktes entspricht, seiner Richtung und Größe nach durch die an ihn gebundenen complexen Localzeichen ein Maß für die relative Tiefendistanz dieses Objectpunktes ist. Da der parallak- tische Verschiebungswinkel für eine gegebene objective Tiefen- distanz proportional der Entfernung des körperlichen Gegenstandes abnimmt, so vermindert sich aber mit dieser Entfernung der Eindruck der Körperlichkeit der Objecte; und sobald die Ent- fernung eines Körpers so groß geworden ist, dass die sämmt- lichen parallaktischen Verschiebungswinkel verschwinden, so wird der Körper nur noch flächenhaft gesehen, falls nicht die später (in § 16, 9) zu erörternden Associationen dennoch eine Tiefenvor- stellung erzeugen. 33. Der Einfluss des binocularen Sehens auf die Tiefen- vorstellungen lässt sich experimentell mit Hülfe des Stereo- skops studiren. Die Wirkung dieses Instrumentes beruht darauf, dass es mit Hülfe von zwei Prismen, die, mit den brechenden Winkeln einander zugekehrt, vor beide Augen gebracht werden, eine binoculare Vereinigung zweier ebener Zeichnungen ermöglicht, die den von einem körperlichen Ge- genstand herrührenden Netzhautbildern entsprechen. Dabei lässt sich dann der Einfluss der verschiedenen Bedingungen auf die Tiefenvorstellung, weil sie willkürlich variirt werden können, weit vollkommener erforschen als mittelst der Be- trachtung wirklicher körperlicher Gegenstände. 11*

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 163. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/179>, abgerufen am 09.11.2024.