Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

II. Die psychischen Gebilde.
beim gewöhnlichen Gehen in Folge der physiologischen
Bevorzugung der rechtsseitigen Gehwerkzeuge, vor allem
aber sehr regelmäßig beim gemeinsamen Gehen, beim
Marsche, ein. Im letzteren Falle können dann sogar mehr
als zwei Bewegungsperioden zu einem rhythmischen Ganzen
verbunden werden. Ebenso geschieht dies bei den ver-
wickelteren rhythmischen Bewegungen des Tanzes. Doch
sind auf solche zusammengesetztere Rhythmenbildungen des
Tastsinns bereits die zeitlichen Gehörsvorstellungen von
entscheidendem Einflusse.

B. Die zeitlichen Gehörsvorstellungen.

6. Der Gehörssinn ist vor allem dadurch zur genaueren
Auffassung der zeitlichen Verhältnisse äußerer Vorgänge
geeignet, weil bei ihm die Empfindung nur während einer
verschwindend kurzen Zeit den äußeren Eindruck überdauert,
so dass irgend eine zeitliche Folge von Schalleindrücken
fast vollkommen treu durch eine entsprechende Folge von
Empfindungen wiedergegeben wird. Hiermit stehen zugleich
die psychologischen Eigenschaften der zeitlichen Gehörs-
vorstellungen in engem Zusammenhang. Vor allem unter-
scheiden sie sich von den zeitlichen Tastvorstellungen da-
durch, dass bei ihnen häufig nur die Begrenzungspunkte der
einzelnen ein Vorstellungsganzes zusammensetzenden Zeit-
strecken direct durch Empfindungen markirt sind, so dass in
diesem Falle die Verhältnisse solcher Strecken zu einander
wesentlich nur an den zwischen den begrenzenden Ein-
drücken gelegenen scheinbar leeren oder von einem ab-
weichenden Inhalt ausgefüllten Strecken geschätzt werden.

Dies macht sich namentlich bei den rhythmischen
Gehörsvorstellungen bemerklich. Sie sind im allgemeinen
in zwei Formen möglich: als continuirliche oder nur
wenig durch Pausen unterbrochene Aufeinanderfolgen relativ

II. Die psychischen Gebilde.
beim gewöhnlichen Gehen in Folge der physiologischen
Bevorzugung der rechtsseitigen Gehwerkzeuge, vor allem
aber sehr regelmäßig beim gemeinsamen Gehen, beim
Marsche, ein. Im letzteren Falle können dann sogar mehr
als zwei Bewegungsperioden zu einem rhythmischen Ganzen
verbunden werden. Ebenso geschieht dies bei den ver-
wickelteren rhythmischen Bewegungen des Tanzes. Doch
sind auf solche zusammengesetztere Rhythmenbildungen des
Tastsinns bereits die zeitlichen Gehörsvorstellungen von
entscheidendem Einflusse.

B. Die zeitlichen Gehörsvorstellungen.

6. Der Gehörssinn ist vor allem dadurch zur genaueren
Auffassung der zeitlichen Verhältnisse äußerer Vorgänge
geeignet, weil bei ihm die Empfindung nur während einer
verschwindend kurzen Zeit den äußeren Eindruck überdauert,
so dass irgend eine zeitliche Folge von Schalleindrücken
fast vollkommen treu durch eine entsprechende Folge von
Empfindungen wiedergegeben wird. Hiermit stehen zugleich
die psychologischen Eigenschaften der zeitlichen Gehörs-
vorstellungen in engem Zusammenhang. Vor allem unter-
scheiden sie sich von den zeitlichen Tastvorstellungen da-
durch, dass bei ihnen häufig nur die Begrenzungspunkte der
einzelnen ein Vorstellungsganzes zusammensetzenden Zeit-
strecken direct durch Empfindungen markirt sind, so dass in
diesem Falle die Verhältnisse solcher Strecken zu einander
wesentlich nur an den zwischen den begrenzenden Ein-
drücken gelegenen scheinbar leeren oder von einem ab-
weichenden Inhalt ausgefüllten Strecken geschätzt werden.

Dies macht sich namentlich bei den rhythmischen
Gehörsvorstellungen bemerklich. Sie sind im allgemeinen
in zwei Formen möglich: als continuirliche oder nur
wenig durch Pausen unterbrochene Aufeinanderfolgen relativ

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0190" n="174"/><fw place="top" type="header">II. Die psychischen Gebilde.</fw><lb/>
beim gewöhnlichen Gehen in Folge der physiologischen<lb/>
Bevorzugung der rechtsseitigen Gehwerkzeuge, vor allem<lb/>
aber sehr regelmäßig beim <hi rendition="#g">gemeinsamen</hi> Gehen, beim<lb/><hi rendition="#g">Marsche</hi>, ein. Im letzteren Falle können dann sogar mehr<lb/>
als zwei Bewegungsperioden zu einem rhythmischen Ganzen<lb/>
verbunden werden. Ebenso geschieht dies bei den ver-<lb/>
wickelteren rhythmischen Bewegungen des <hi rendition="#g">Tanzes</hi>. Doch<lb/>
sind auf solche zusammengesetztere Rhythmenbildungen des<lb/>
Tastsinns bereits die zeitlichen Gehörsvorstellungen von<lb/>
entscheidendem Einflusse.</p>
          </div><lb/>
          <div n="3">
            <head> <hi rendition="#b">B. Die zeitlichen Gehörsvorstellungen.</hi> </head><lb/>
            <p>6. Der Gehörssinn ist vor allem dadurch zur genaueren<lb/>
Auffassung der zeitlichen Verhältnisse äußerer Vorgänge<lb/>
geeignet, weil bei ihm die Empfindung nur während einer<lb/>
verschwindend kurzen Zeit den äußeren Eindruck überdauert,<lb/>
so dass irgend eine zeitliche Folge von Schalleindrücken<lb/>
fast vollkommen treu durch eine entsprechende Folge von<lb/>
Empfindungen wiedergegeben wird. Hiermit stehen zugleich<lb/>
die psychologischen Eigenschaften der zeitlichen Gehörs-<lb/>
vorstellungen in engem Zusammenhang. Vor allem unter-<lb/>
scheiden sie sich von den zeitlichen Tastvorstellungen da-<lb/>
durch, dass bei ihnen häufig nur die Begrenzungspunkte der<lb/>
einzelnen ein Vorstellungsganzes zusammensetzenden Zeit-<lb/>
strecken direct durch Empfindungen markirt sind, so dass in<lb/>
diesem Falle die Verhältnisse solcher Strecken zu einander<lb/>
wesentlich nur an den zwischen den begrenzenden Ein-<lb/>
drücken gelegenen scheinbar leeren oder von einem ab-<lb/>
weichenden Inhalt ausgefüllten Strecken geschätzt werden.</p><lb/>
            <p>Dies macht sich namentlich bei den <hi rendition="#g">rhythmischen</hi><lb/>
Gehörsvorstellungen bemerklich. Sie sind im allgemeinen<lb/>
in <hi rendition="#g">zwei</hi> Formen möglich: als <hi rendition="#g">continuirliche</hi> oder nur<lb/>
wenig durch Pausen unterbrochene Aufeinanderfolgen relativ<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[174/0190] II. Die psychischen Gebilde. beim gewöhnlichen Gehen in Folge der physiologischen Bevorzugung der rechtsseitigen Gehwerkzeuge, vor allem aber sehr regelmäßig beim gemeinsamen Gehen, beim Marsche, ein. Im letzteren Falle können dann sogar mehr als zwei Bewegungsperioden zu einem rhythmischen Ganzen verbunden werden. Ebenso geschieht dies bei den ver- wickelteren rhythmischen Bewegungen des Tanzes. Doch sind auf solche zusammengesetztere Rhythmenbildungen des Tastsinns bereits die zeitlichen Gehörsvorstellungen von entscheidendem Einflusse. B. Die zeitlichen Gehörsvorstellungen. 6. Der Gehörssinn ist vor allem dadurch zur genaueren Auffassung der zeitlichen Verhältnisse äußerer Vorgänge geeignet, weil bei ihm die Empfindung nur während einer verschwindend kurzen Zeit den äußeren Eindruck überdauert, so dass irgend eine zeitliche Folge von Schalleindrücken fast vollkommen treu durch eine entsprechende Folge von Empfindungen wiedergegeben wird. Hiermit stehen zugleich die psychologischen Eigenschaften der zeitlichen Gehörs- vorstellungen in engem Zusammenhang. Vor allem unter- scheiden sie sich von den zeitlichen Tastvorstellungen da- durch, dass bei ihnen häufig nur die Begrenzungspunkte der einzelnen ein Vorstellungsganzes zusammensetzenden Zeit- strecken direct durch Empfindungen markirt sind, so dass in diesem Falle die Verhältnisse solcher Strecken zu einander wesentlich nur an den zwischen den begrenzenden Ein- drücken gelegenen scheinbar leeren oder von einem ab- weichenden Inhalt ausgefüllten Strecken geschätzt werden. Dies macht sich namentlich bei den rhythmischen Gehörsvorstellungen bemerklich. Sie sind im allgemeinen in zwei Formen möglich: als continuirliche oder nur wenig durch Pausen unterbrochene Aufeinanderfolgen relativ

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/190
Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/190>, abgerufen am 21.11.2024.