Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.§ 11. Die zeitlichen Vorstellungen. Gefühlsseite aus betrachtet in dem regelmäßigen Wechselzweier qualitativ entgegengesetzter Gefühle, die sich ihrem allgemeinen Charakter nach hauptsächlich in der Richtung der spannenden und lösenden Gefühle (S. 98) bewegen, und von denen zugleich das eine ein Momentan-, d. h. sehr rasch zu seinem Maximum an- und wieder absteigendes, das andere ein Dauergefühl ist, indem es langsam zum Maximum an- steigt, um dann plötzlich zu sinken. In Folge dessen drängen sich die intensivsten Gefühlsvorgänge auf die Grenzpunkte der Perioden zusammen, und sie werden hier außerdem noch durch den Contrast des Erfüllungsgefühls zu dem vorher vorhandenen Erwartungsgefühl gesteigert. Wie nun dieser kritische Grenzpunkt der einzelnen Perioden in den oben erwähnten den Uebergang stark markirenden äußeren und inneren Tasteindrücken seine Empfindungsgrundlage hat, so entspricht anderseits der dazwischen liegende allmähliche Verlauf des Erwartungsgefühls ganz und gar dem continuir- lichen Verlauf der schwächeren, die pendelnde Bewegung der Tastglieder begleitenden inneren Tastempfindungen. 5. Die einfachsten zeitlichen Tastvorstellungen bestehen § 11. Die zeitlichen Vorstellungen. Gefühlsseite aus betrachtet in dem regelmäßigen Wechselzweier qualitativ entgegengesetzter Gefühle, die sich ihrem allgemeinen Charakter nach hauptsächlich in der Richtung der spannenden und lösenden Gefühle (S. 98) bewegen, und von denen zugleich das eine ein Momentan-, d. h. sehr rasch zu seinem Maximum an- und wieder absteigendes, das andere ein Dauergefühl ist, indem es langsam zum Maximum an- steigt, um dann plötzlich zu sinken. In Folge dessen drängen sich die intensivsten Gefühlsvorgänge auf die Grenzpunkte der Perioden zusammen, und sie werden hier außerdem noch durch den Contrast des Erfüllungsgefühls zu dem vorher vorhandenen Erwartungsgefühl gesteigert. Wie nun dieser kritische Grenzpunkt der einzelnen Perioden in den oben erwähnten den Uebergang stark markirenden äußeren und inneren Tasteindrücken seine Empfindungsgrundlage hat, so entspricht anderseits der dazwischen liegende allmähliche Verlauf des Erwartungsgefühls ganz und gar dem continuir- lichen Verlauf der schwächeren, die pendelnde Bewegung der Tastglieder begleitenden inneren Tastempfindungen. 5. Die einfachsten zeitlichen Tastvorstellungen bestehen <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0189" n="173"/><fw place="top" type="header">§ 11. Die zeitlichen Vorstellungen.</fw><lb/> Gefühlsseite aus betrachtet in dem regelmäßigen Wechsel<lb/> zweier qualitativ entgegengesetzter Gefühle, die sich ihrem<lb/> allgemeinen Charakter nach hauptsächlich in der Richtung<lb/> der spannenden und lösenden Gefühle (S. 98) bewegen, und<lb/> von denen zugleich das eine ein Momentan-, d. h. sehr rasch<lb/> zu seinem Maximum an- und wieder absteigendes, das andere<lb/> ein Dauergefühl ist, indem es langsam zum Maximum an-<lb/> steigt, um dann plötzlich zu sinken. In Folge dessen drängen<lb/> sich die intensivsten Gefühlsvorgänge auf die Grenzpunkte<lb/> der Perioden zusammen, und sie werden hier außerdem noch<lb/> durch den Contrast des Erfüllungsgefühls zu dem vorher<lb/> vorhandenen Erwartungsgefühl gesteigert. Wie nun dieser<lb/> kritische Grenzpunkt der einzelnen Perioden in den oben<lb/> erwähnten den Uebergang stark markirenden äußeren und<lb/> inneren Tasteindrücken seine Empfindungsgrundlage hat, so<lb/> entspricht anderseits der dazwischen liegende allmähliche<lb/> Verlauf des Erwartungsgefühls ganz und gar dem continuir-<lb/> lichen Verlauf der schwächeren, die pendelnde Bewegung<lb/> der Tastglieder begleitenden inneren Tastempfindungen.</p><lb/> <p>5. Die einfachsten zeitlichen Tastvorstellungen bestehen<lb/> in rhythmisch geordneten Empfindungen, die in der an-<lb/> gegebenen Weise völlig gleichförmig bei der Wiederholung<lb/> pendelnder Bewegungen von gleicher Beschaffenheit auf ein-<lb/> ander folgen. Dennoch stellt sich schon beim gewöhnlichen<lb/> Gehen ein leiser Antrieb zu einer etwas größeren Compli-<lb/> cation ein, indem von <hi rendition="#g">zwei</hi> auf einander folgenden Perioden<lb/> der Anfang der ersten in der Empfindung sowie in dem<lb/> begleitenden Gefühl stärker gehoben wird als der Anfang<lb/> der zweiten. In diesem Falle beginnt dann der Rhythmus<lb/> der Bewegungen ein <hi rendition="#g">taktförmiger</hi> zu werden. In der<lb/> That entspricht eine solche regelmäßige Aufeinanderfolge<lb/> gehobener und nicht gehobener Vorstellungen dem ein-<lb/> fachsten Taktmaß, dem <formula notation="TeX">\frac{2}{8}</formula>-Takt. Er stellt sich leicht schon<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [173/0189]
§ 11. Die zeitlichen Vorstellungen.
Gefühlsseite aus betrachtet in dem regelmäßigen Wechsel
zweier qualitativ entgegengesetzter Gefühle, die sich ihrem
allgemeinen Charakter nach hauptsächlich in der Richtung
der spannenden und lösenden Gefühle (S. 98) bewegen, und
von denen zugleich das eine ein Momentan-, d. h. sehr rasch
zu seinem Maximum an- und wieder absteigendes, das andere
ein Dauergefühl ist, indem es langsam zum Maximum an-
steigt, um dann plötzlich zu sinken. In Folge dessen drängen
sich die intensivsten Gefühlsvorgänge auf die Grenzpunkte
der Perioden zusammen, und sie werden hier außerdem noch
durch den Contrast des Erfüllungsgefühls zu dem vorher
vorhandenen Erwartungsgefühl gesteigert. Wie nun dieser
kritische Grenzpunkt der einzelnen Perioden in den oben
erwähnten den Uebergang stark markirenden äußeren und
inneren Tasteindrücken seine Empfindungsgrundlage hat, so
entspricht anderseits der dazwischen liegende allmähliche
Verlauf des Erwartungsgefühls ganz und gar dem continuir-
lichen Verlauf der schwächeren, die pendelnde Bewegung
der Tastglieder begleitenden inneren Tastempfindungen.
5. Die einfachsten zeitlichen Tastvorstellungen bestehen
in rhythmisch geordneten Empfindungen, die in der an-
gegebenen Weise völlig gleichförmig bei der Wiederholung
pendelnder Bewegungen von gleicher Beschaffenheit auf ein-
ander folgen. Dennoch stellt sich schon beim gewöhnlichen
Gehen ein leiser Antrieb zu einer etwas größeren Compli-
cation ein, indem von zwei auf einander folgenden Perioden
der Anfang der ersten in der Empfindung sowie in dem
begleitenden Gefühl stärker gehoben wird als der Anfang
der zweiten. In diesem Falle beginnt dann der Rhythmus
der Bewegungen ein taktförmiger zu werden. In der
That entspricht eine solche regelmäßige Aufeinanderfolge
gehobener und nicht gehobener Vorstellungen dem ein-
fachsten Taktmaß, dem [FORMEL]-Takt. Er stellt sich leicht schon
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