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Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896.

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§ 13. Die Affecte.
der Zunahme dieser Geschwindigkeit werden die Athmungen
frequenter, und zugleich fallen in der Regel bestimmte
Athmungsphasen mit bestimmten Taktschlägen zusammen.
Dabei zeigt sich freilich, dass auch das Anhören eines
solchen indifferenten Rhythmus nicht völlig affectlos ist: man
hat bei wachsender Geschwindigkeit der Taktschläge zuerst
den Eindruck eines ruhigen, dann eines sthenischen, und
endlich bei der schnellsten Folge den eines asthenischen
Affectes. Doch haben die Affecte in diesem Versuch ge-
wissermaßen einen bloß formalen Charakter: sie zeigen in-
haltlich eine große Unbestimmtheit, die erst dann schwindet,
wenn man sich in einen concreten Affect von den gleichen
formalen Eigenschaften hineindenkt. Dies tritt in der That
sehr leicht ein, und hierauf beruht die große Fähigkeit
rhythmischer Eindrücke zur Schilderung wie zur Erzeugung
von Affecten. Es bedarf dann nur noch einer Hinweisung
auf den qualitativen Gefühlsinhalt, wie sie der Musik durch
den Klanginhalt der musikalischen Gebilde möglich ist, um
einen Affect in allen seinen Bestandtheilen frei zu erzeugen.

7a. Aus diesem Verhältniss der physischen Affectwirkungen
zu dem psychischen Inhalt der Affecte ergibt sich ebenfalls, dass
die ersteren niemals die unmittelbare psychologische Beobachtung
der Affecte ersetzen können. Sie sind im allgemeinen symptoma-
tische Hülfsmittel von vieldeutigem Charakter, die verbunden mit
der auf experimentellem Wege geregelten Selbstbeobachtung einen
großen, für sich allein aber gar keinen Werth haben. Nützlich
sind sie insbesondere bei der Ausführung experimenteller Selbst-
beobachtungen als Hülfsmittel der Controle. Denn für die Affecte
gilt ganz besonders, dass die Beobachtung der im natürlichen
Verlauf des Lebens sich von selbst einstellenden psychischen
Vorgänge durchaus unzulänglich bleibt. Erstens bietet der Zufall
dem Psychologen die Affecte nicht gerade in dem Augenblick,
wo er sie wissenschaftlich analysiren möchte; und zweitens be-
finden wir uns namentlich bei stärkeren Affecten, denen reale

§ 13. Die Affecte.
der Zunahme dieser Geschwindigkeit werden die Athmungen
frequenter, und zugleich fallen in der Regel bestimmte
Athmungsphasen mit bestimmten Taktschlägen zusammen.
Dabei zeigt sich freilich, dass auch das Anhören eines
solchen indifferenten Rhythmus nicht völlig affectlos ist: man
hat bei wachsender Geschwindigkeit der Taktschläge zuerst
den Eindruck eines ruhigen, dann eines sthenischen, und
endlich bei der schnellsten Folge den eines asthenischen
Affectes. Doch haben die Affecte in diesem Versuch ge-
wissermaßen einen bloß formalen Charakter: sie zeigen in-
haltlich eine große Unbestimmtheit, die erst dann schwindet,
wenn man sich in einen concreten Affect von den gleichen
formalen Eigenschaften hineindenkt. Dies tritt in der That
sehr leicht ein, und hierauf beruht die große Fähigkeit
rhythmischer Eindrücke zur Schilderung wie zur Erzeugung
von Affecten. Es bedarf dann nur noch einer Hinweisung
auf den qualitativen Gefühlsinhalt, wie sie der Musik durch
den Klanginhalt der musikalischen Gebilde möglich ist, um
einen Affect in allen seinen Bestandtheilen frei zu erzeugen.

7a. Aus diesem Verhältniss der physischen Affectwirkungen
zu dem psychischen Inhalt der Affecte ergibt sich ebenfalls, dass
die ersteren niemals die unmittelbare psychologische Beobachtung
der Affecte ersetzen können. Sie sind im allgemeinen symptoma-
tische Hülfsmittel von vieldeutigem Charakter, die verbunden mit
der auf experimentellem Wege geregelten Selbstbeobachtung einen
großen, für sich allein aber gar keinen Werth haben. Nützlich
sind sie insbesondere bei der Ausführung experimenteller Selbst-
beobachtungen als Hülfsmittel der Controle. Denn für die Affecte
gilt ganz besonders, dass die Beobachtung der im natürlichen
Verlauf des Lebens sich von selbst einstellenden psychischen
Vorgänge durchaus unzulänglich bleibt. Erstens bietet der Zufall
dem Psychologen die Affecte nicht gerade in dem Augenblick,
wo er sie wissenschaftlich analysiren möchte; und zweitens be-
finden wir uns namentlich bei stärkeren Affecten, denen reale

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[207/0223] § 13. Die Affecte. der Zunahme dieser Geschwindigkeit werden die Athmungen frequenter, und zugleich fallen in der Regel bestimmte Athmungsphasen mit bestimmten Taktschlägen zusammen. Dabei zeigt sich freilich, dass auch das Anhören eines solchen indifferenten Rhythmus nicht völlig affectlos ist: man hat bei wachsender Geschwindigkeit der Taktschläge zuerst den Eindruck eines ruhigen, dann eines sthenischen, und endlich bei der schnellsten Folge den eines asthenischen Affectes. Doch haben die Affecte in diesem Versuch ge- wissermaßen einen bloß formalen Charakter: sie zeigen in- haltlich eine große Unbestimmtheit, die erst dann schwindet, wenn man sich in einen concreten Affect von den gleichen formalen Eigenschaften hineindenkt. Dies tritt in der That sehr leicht ein, und hierauf beruht die große Fähigkeit rhythmischer Eindrücke zur Schilderung wie zur Erzeugung von Affecten. Es bedarf dann nur noch einer Hinweisung auf den qualitativen Gefühlsinhalt, wie sie der Musik durch den Klanginhalt der musikalischen Gebilde möglich ist, um einen Affect in allen seinen Bestandtheilen frei zu erzeugen. 7a. Aus diesem Verhältniss der physischen Affectwirkungen zu dem psychischen Inhalt der Affecte ergibt sich ebenfalls, dass die ersteren niemals die unmittelbare psychologische Beobachtung der Affecte ersetzen können. Sie sind im allgemeinen symptoma- tische Hülfsmittel von vieldeutigem Charakter, die verbunden mit der auf experimentellem Wege geregelten Selbstbeobachtung einen großen, für sich allein aber gar keinen Werth haben. Nützlich sind sie insbesondere bei der Ausführung experimenteller Selbst- beobachtungen als Hülfsmittel der Controle. Denn für die Affecte gilt ganz besonders, dass die Beobachtung der im natürlichen Verlauf des Lebens sich von selbst einstellenden psychischen Vorgänge durchaus unzulänglich bleibt. Erstens bietet der Zufall dem Psychologen die Affecte nicht gerade in dem Augenblick, wo er sie wissenschaftlich analysiren möchte; und zweitens be- finden wir uns namentlich bei stärkeren Affecten, denen reale

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Zitationshilfe: Wundt, Wilhelm: Grundriss der Psychologie. Leipzig, 1896, S. 207. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wundt_grundriss_1896/223>, abgerufen am 24.11.2024.